Gedenken

Ehrengräber politischer Verfolgter der NS-Zeit in Bielefeld in keinem guten Zustand

Vor nahezu 80 Jahren, direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, sind die Grabsteine auf dem Sennefriedhof errichtet worden und mittlerweile sehr verwittert. Die SPD Senne möchte, dass sie generalüberholt oder erneuert werden.

Das Ehrenfeld der politisch Verfolgten ist kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem nordöstlichen Teil des Sennefriedhofes angelegt worden | © privat

Susanne Lahr
08.09.2024 | 08.09.2024, 12:00

Bielefeld. Erst vor wenigen Wochen sind sie mit viel Feingefühl von Moos, Algen und Flechten befreit worden: die Ehrengräber politisch Verfolgter auf dem Sennefriedhof in Bielefeld. Hier ruhen 15 Bielefelder, die in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft zwischen 1933 und 1945 Widerstand geleistet und dies mit ihrem Leben bezahlt haben. Nahezu 80 Jahren nach Kriegsende sind ihre Grabsteine fast verwittert. Das möchte die SPD Senne ändern und fordert daher die Restaurierung beziehungsweise den Austausch der Gedenksteine.

Im Juli 1944 sind 13 Arbeiter der Bielefelder Firmen Dürkopp und Bentler vom sogenannten „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und im September 1944 hingerichtet worden, weil sie angeblich Hochverrat begangen hatten. 1945 ist die Mahn- und Ehrenanlage für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft angelegt worden.

Zu den Ruhestätten der Arbeiter kamen später noch die Gebeine von Oskar Grube hinzu, der 1941 im Konzentrationslager Oranienburg umgekommen war, und die Urne des Journalisten Max Sachs, der im Konzentrationslager Sachsenburg ermordet worden war. Für ihre politische Überzeugung sind mehr als 50 Bielefelderinnen und Bielefelder gestorben.

Seit 1957 wird der politisch Verfolgten regelmäßig gedacht

Im Jahre 1946 fand auf dem Nordteil des Sennefriedhofes die erste Gedenkfeier statt. Seit 1957 werden an den Gräbern der Opfer regelmäßig Kränze niedergelegt.

Gleich nebenan liegt das Bombenopferehrenfeld, das noch während des Zweiten Weltkrieges entstanden ist. Dort ruhen 484 Opfer der Bombenangriffe auf die Stadt, darunter auch einige ausländische Luftkriegsopfer.

Der Name von Paul Brockmann, einer der Bielefelder, die Widerstand gegen das Nazi-Regime geleistet haben, ist kaum noch zu lesen. - © privat
Der Name von Paul Brockmann, einer der Bielefelder, die Widerstand gegen das Nazi-Regime geleistet haben, ist kaum noch zu lesen. | © privat

Ridvan Ciftci, Ortsvereinsvorsitzender der SPD Senne, betont die Bedeutung dieser Gedenkstätten in der heutigen Zeit: „In Zeiten des Wiedererstarkens faschistischer Parteien im Osten der Republik sind Erinnerungsstätte wichtige Orte der Mahnung vor Faschismus und Krieg. Die Bürger müssen wissen, wer damals sein Leben für Freiheit und Demokratie gelassen hat, können aber aktuell schwer die Inschriften auf den Grabsteinen entziffern.“

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Auch Michael Schnitzer, stellvertretender Bezirksbürgermeister, unterstreicht die Notwendigkeit der Pflege dieser historischen Orte: „Erinnerungsstätten müssen gepflegt werden, sonst verlieren sie ihre Bedeutung. Die Inschriften auf den Grabsteinen spielen dabei eine zentrale Rolle bei der Identifizierung der Widerstandskämpfer. Nur so kann eine Auseinandersetzung mit dem Leben dieser mutigen Menschen stattfinden.“

Stadt Bielefeld soll Restaurierung der Grabmahle in Angriff nehmen

Für die kommenden Sitzung der Bezirksvertretung Senne am Donnerstag, 5. September, hat die SPD daher einen entsprechenden Antrag formuliert. Sie hofft, die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Zustand der Ehrenanlage zu lenken und die notwendigen Schritte zur Restaurierung der Grabsteine zu initiieren. „Unser Ziel ist es, die Erinnerung an die Opfer des Widerstands gegen Faschismus und Diktatur lebendig zu halten und diese Orte für kommende Generationen zu bewahren“, so Ciftci weiter.

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