Plötzliche Entscheidung: Stadt Bielefeld zahlt Schulkindern die Bustickets nicht mehr

Bielefeld. Eigentlich lief seit der ersten Klasse an alles super: Miley (8), heute Drittklässlerin, ging jeden Morgen mit Kindern aus der Nachbarschaft zur Bushaltestelle und fuhr eigenständig in die Schule. Jetzt aber bekommt sie das kostenlose Ticket plötzlich nicht mehr. Weil die Entfernung von ihrem Zuhause an der Brockeiche zur Grundschule Altenhagen nach neuer Messung der Stadt kürzer ist als bisher. Nicht das erste Mal, dass es Ärger gibt um die Schülerfahrkarten, die die Kinder seit August 2023 in Form eines Deutschlandtickets bekommen. Kostenlos oder vergünstigt allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. &bdquo;Egal ob wir mit Google oder Apple messen, wir kommen weiterhin auf die zwei Kilometer“, sagt Mileys Papa Tim Broose. So sah es bisher auch das zuständige Amt für Schule und hatte Miley das Ticket gewährt, das es in Bielefeld für alle Grundschulkinder kostenlos gibt, wenn der Weg zur Schule mindestens zwei Kilometer lang ist. &bdquo;Und warum wurde es jetzt gestrichen? Eine andere Familie bei uns hat genau das gleiche Problem“, berichtet Broose. Lesen Sie auch: Stadt Bielefeld zwingt Schülerin zu extralangem Schulweg &bdquo;Die Stadt hat einzelne Fälle neu geprüft, nachdem das vom Amt verwendete Messprogramm ArcGis (Geoinformationssystem-Software) Hausnummern in Neubaugebieten nunmehr genau verorten konnte“, teilt das Amt für Schule auf Nachfrage mit. Eine frühere Messung sei aufgrund der ungenauen Pläne zugunsten der Familie ausgefallen, die Bewilligungen in den Vorjahren seien fälschlicherweise erteilt worden. Der Weg betrage nur etwa 1,91 Kilometer. Nach Elternbeschwerde nahm Stadt 100 Bescheide zurück Das Messverfahren werde bereits seit einigen Jahren angewendet und gelte als gerichtsfest vor den Verwaltungsgerichten, &bdquo;im Gegensatz zu fußläufigen Messungen mit Apple oder Google“. Mit Google werde in der Praxis nur eine vorab grobe Messung durchgeführt, so die Stadt. Wenn sich herausstelle, dass die fußläufige Entfernung zwischen Haustür und erstem Eingang zum Schulgelände ziemlich nah an den vom Gesetzgeber vorgegebenen Grenzwerten liegt, werde nochmals mit ArcGis gemessen. 2019 hatte das Amt für Schule an 100 Familien Bescheide verschickt, dass ihre Kinder kein Anrecht mehr auf ihr Schulwegticket haben, weil sich ihr Schulweg durch Umbaumaßnahmen in Brackwede verkürzt habe: Statt 3,5 Kilometer seien es jetzt nur noch 3,1 Kilometer zum Brackweder Gymnasium, so die Info seinerzeit. Als sich viele Eltern beschwerten, nahm die Stadt die Bescheide zurück. Allerdings gab es damals in den Bewilligungen den Zusatz &bdquo;bis Ende Klasse 10“. Das habe sich geändert, so die Stadt. Ein Anspruch bestehe jetzt immer nur für ein Schuljahr. Trotzdem hofft Tim Broose auf Entgegenkommen. Es sei doch gewünscht, dass die Kinder möglichst eben nicht von den Eltern mit dem Auto gebracht werden. Genau das mache er jetzt aber leider. &bdquo;Die Tatsache, dass meiner Tochter aufgrund einer Differenz von knapp 100 Metern die Fahrkarte entzogen wurde, während der Schulbus trotzdem fährt, ist nicht nur unverständlich, sondern auch eine Einladung zu möglichen Mobbing-Situationen unter den Schülern“, sagt Broose. Schulwegplan zeigt den sichersten Weg Der Schulweg seiner Tochter verfüge zudem über weite Strecken weder über Bürgersteige noch über ausreichende Beleuchtung. Der letzte Abschnitt verlaufe zwar entlang der Altenhagener Straße, die sei jedoch stark befahren. &bdquo;Dass Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren diesen Weg täglich alleine bewältigen sollen, ist für mich als Elternteil nicht akzeptabel“, sagt er. Das sieht die Verwaltung anders: Die von der Stadt ermittelte, empfohlene Route gelte als sicher, verfüge über befestigte Gehwege, Querungen seien durch Fußgängerampeln sichergestellt. Der vom Amt für Schule erstellte Schulwegplan, &bdquo;auf dem eingezeichnet ist, wie man den Weg am sichersten bewältigen kann, wo es beispielsweise Ampeln, Zebrastreifen und Bushaltestellen gibt“, sei Grundlage für die ArcGis-Messung. In Bielefeld ist die Bewilligung eines Tickets abhängig von der Länge des Schulwegs und von der Schulstufe. Zur Grundschule müssen es mehr als 2 Kilometer, im Jahrgang 5 bis 10 dann 3,5 Kilometer, für Oberstufenschüler 5 Kilometer. Es gilt dabei nicht die Schule, die das Kind oder der Jugendliche eigentlich besucht, sondern die nächstgelegene der gewählten Schulform. In anderen Städten ist ÖPNV für alle Schüler gratis Anspruchsberechtigte Schüler zahlen weiterhin 12 Euro pro Monat Eigenanteil. Für das zweite anspruchsberechtigte Kind zahlen Eltern wie gehabt 6 Euro. Das dritte Kind, Inhaber des Bielefeld-Passes sowie Grundschulkinder, die Anspruch haben auf eine Beförderung, fahren kostenlos. Es habe über anderthalb Monate gedauert bis er jetzt, nach Einschalten der NW, überhaupt mal eine Antwort aus der Verwaltung und aus dem Büro des Oberbürgermeisters, an den sich Broose auch gewandt hatte, bekommen hat. Das aktuelle System verursache einen immens hohen Verwaltungsaufwand und beflügle die gewollte Verkehrswende bestimmt nicht, so Broose. Er würde sich wünschen, dass das Geld lieber dafür investiert würde, einfach alle Schüler kostenlos Bus und Bahn fahren zu lassen. In anderen Städten sei das ja auch möglich. 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