Völlig neue Tierarten in Bielefeld: Wie fremde Spezies die heimische Natur bedrohen

Bielefeld. Was soll denn das? Im Wald breiten sich riesige Hyalomma-Zecken aus, sie können das Krim-Kongo-Fieber übertragen; in Spanien gab es schon einen Fall. Und Asiatische Tigermücken sind auch schon da, im Gepäck könnten sie bald Krankheiten aus den (Sub-)Tropen haben. Auch bei den Spinnen tut sich was in Deutschland, die erste für den Menschen tatsächlich (in besonderen Situationen) tödliche Spinne hat ihren Einreiseantrag ungefragt ausgefüllt – die Violinspinne. Fehlt nur noch der Weiße Hai in der Nordsee, oder? Und ja, auch das könnte passieren: Die Meere werden wärmer, Fische weichen aus, Haie folgen ihnen – im Mittelmeer ist der Weiße Hai längst heimisch. Vom Weißen Hai zur Spanischen Wegschnecke Doch machen wir es mal eine Nummer kleiner, nehmen wir Gadderbaum: Die Asiatische Hornisse wurde hier nun erstmals in Bielefeld nachgewiesen, sie könnte der Insektenwelt erheblich schaden. Honigbienen zum Beispiel, Imker sind in großer Sorge. Lesen Sie auch: Asiatische Hornisse in Bielefeld aufgetaucht: Was bei einer Sichtung zu tun ist Waschbären gibt es in Gadderbaum schon länger, niedlich sind sie anzusehen. Doch als invasive Art sind sie eine Plage in unserem Ökosystem – und auch für uns Menschen. Sie ziehen marodierend durch Gärten, klettern an Häusern empor, fressen in einer Nacht mal eben alle Fische aus einem Gartenteich, hinterlassen ätzend riechend Botschaften, lärmen herum. Sie sind längst zur Plage geworden. Plage? Die Population der Spanischen Wegschnecke ist in vielen Gärten dermaßen explodiert, dass ein Gang abends durch den Garten zum schleimigen Spießrutenlauf wird. Gemüse verschwindet in ihren orangefarbenen Körpern besonders gerne. Noch nicht da, aber im Anmarsch ist die Drüsenameise Tapinoma magnum. Sie ist aus dem Mittelmeerraum eingewandert – Städte wie Kehl und Kiel schlagen Alarm, es klingt dramatisch; nach Naturgewalt. Nicht bloß lustig und niedlich, sondern auch katastrophal Andere Tiere sind für uns auf den ersten Blick lustig und niedlich, aber fürs Ökosystem eine ähnliche Katastrophe wie der Waschbär, der überall hinkommt und alles frisst, von Insekten über Jungvögel bis hin zu Amphibien und Fischen. Ein Beispiel: Der Schwarze Zwergwels aus Nordamerika frisst sich durch unsere Fischbestände, hat kaum Feinde. Die Chinesische Wollhandkrabbe ist in den Flüssen rund um die Nordsee längst zur Plage geworden, Zehntausende bedrohen dort das Ökosystem. Und der Europäische Flusskrebs ist zur Rarität geworden, weil der Amerikanische Flusskrebs die Krebspest importierte, die den heimischen Krebsen den Garaus macht. Beim Ochsenfrosch fehlt bei uns der Pelikan als Fressfeind Im Süden Deutschlands hat sich der Ochsenfrosch eingenistet – ein Frosch, der bei uns keine Feinde hat, Pelikane und Warane fehlen (noch) in unserem Ökosystem. Und so frisst sich der tellergroße, kiloschwere Monsterfrosch durch die heimische Tierwelt – viel übrig bleibt da, wo er lebt, nicht. Neue Tiere im Ökosystem gibt es auch in hübsch, was es aber meist nicht wirklich besser macht: Tausende Papageien sind längst normal in Köln und bei Bonn – die prächtigen grün-bunten Halsbandsittiche sollen aber heimische Höhlenbewohner verdrängen. Erste dieser Papageien leben übrigens auch in Münster. Und nicht weit weg, im Zwillbrocker Venn im Münsterland – haben sich Flamingos etabliert. Probleme sind hier noch keine bekanntgeworden. Was soll uns das sagen? Auf den ersten Blick könnte man argumentieren: Alles ganz normal – die Natur verändert sich, ist dynamisch. Das regelt sich schon von alleine. Das ist vom Ansatz her auch richtig, nur sind einige der Faktoren, die das Thema anfeuern, von uns Menschen zu verantworten. In der Natur selbst gibt es natürlich immer Veränderungen, meist aber in riesigen Zeiträumen, sodass Tiere und Pflanzen sich anpassen können, Strategien entwickeln, um den Feinden zu entgehen, sich zu verändern. Folge: meistens eine größere Artenvielfalt. Invasive Arten aber bedeuten am Ende fast immer: geringere Artenvielfalt. Übrigens: Über Pflanzen könnte dieser Kommentar identisch geschrieben werden – Stichwörter: Götterbaum, Traubenkirsche, Japan-Knöterich, Kanadische Goldrute, Riesenbärenklau, Ambrosia. Klimawandel und Globalisierung sind zwei Treiber des Problems Doch zur natürlichen Dynamik sind zwei besonders dramatische Dinge hinzugekommen: Der Klimawandel, der Lebensräume ungewöhnlich schnell und massiv verändert (Temperaturen, Frostzeiten, Niederschlagsmengen) – und die Globalisierung, die uns Menschen und unsere Produkte permanent um den Globus kreiseln lässt. Sie erleichtert es Arten enorm, als blinde Passagiere Standorte zu wechseln. Und wenn es dann bei uns mediterran bis subtropisch wird, haben wir eben Arten an der Backe, die plötzlich Krankheiten und Gifte mit sich bringen, die uns herausfordern. Betrifft uns also doch. Und weit mehr als nur auf der Ebene &bdquo;Welche Krankheit kann ich jetzt bekommen?“ Oder: &bdquo;Mit welchem Ungeziefer muss ich mich jetzt bald herumschlagen?“ Es geht auch um Fragen zu Nahrungsmitteln, weil eingewanderte Schadwanzen oder die Spanische Wegschnecke (und andere Arten) auch die Landwirtschaft betreffen. Das, was wir Menschen uns geleistet haben, siehe Kohlendioxid-Bilanz, fällt uns auf weit mehr Ebenen auf die Füße als nur mit dem überall sichtbaren Klimawandel. Alles ist mit allem verbunden. Klingt philosophisch-theoretisch, doch wir sind längst spürbar mitten drin im großen Wandel. Überall.

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