Hunderte Familien betroffen

Schulstart wird für immer mehr Bielefelder Familien unerschwinglich

Weil viele Kinder aus finanziell schwachen Familien zum Schulbeginn unzureichend ausgerüstet sind, leistet die Schulkramkiste dringend benötigte Hilfe. Die Zahl der Kinder, die sich sonst keinen Schulranzen leisten könnten, steigt seit Jahren.

v.l: Benjamin Varnholt, Lydia Westhoff-Titze und Richildis Wälter zeigen, welche Materialien sie an Familien ausgeben. | © Oliver Krato

20.08.2024 | 20.08.2024, 16:13

Bielefeld. Zwar ist das deutsche Schulsystem für die Kinder kostenlos, aber nicht ohne Kosten. Was sich zunächst paradox anhören mag, ist Alltag für viele sozial benachteiligte Familien, auch in Bielefeld. Arbeitslosengeld, Aufstockungen und weitere Unterstützungsgelder sichern oft nur das Existenzminimum. Das hat zur Folge, dass für manche Dinge oft einfach kein Geld da ist. So ist es für viele Familien oftmals eine erhebliche finanzielle Belastung, wenn die eigenen Kinder mit Schulmaterialien ausgestattet werden müssen. Hier kommt die Initiative „Schulkramkiste“ ins Spiel, die von Haupt- und Ehrenamtlern betrieben wird.

Nachfrage in Bielefelder Stadtteilen groß

Die Schulkramkiste wurde 2008 als Initiative der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände (AGW) in Bielefeld gegründet und untersteht aktuell dem Verein Freiwilligenagentur Bielefeld. Dessen Vorsitzende Richildis Wälter zeigt sich besorgt über die Entwicklung der Ausgaben: „Es wird von Jahr zu Jahr mehr und wir unterstützen aktuell viele Familien, allein in Brackwede sind es 70 bis 80, die zu unseren Ausgabeterminen kommen.“ Brackwede ist einer von acht Standorten, die im Bielefelder Stadtgebiet verteilt sind. Die Ausgabestellen sind meist in der Nähe von Brennpunktvierteln, in denen die soziale Ungleichheit präsent ist. „In Baumheide ist der Standort, der mit Abstand die meisten Familien versorgt. Dort unterstützen wir mehr als 150 bedürftige Familien“, sagt Friedje Bormann von der Freiwilligenagentur.

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Der Verein, der ausschließlich von Spenden finanziert wird, verteilt eine breite Palette an Materialien, die die Schulkinder benötigen. Neben Mappen, Schreibheften, Stiften und Wachsmalkreide gibt die Schulkramkiste auch vorgepackte Schulranzen an die bedürftigen Familien aus. An jeder Ausgabestelle gibt es in der Regel zwei bis drei Ehrenamtler.

So auch Lydia Westhoff-Titze: „Ich bin seit 15 Jahren, seit der Gründung, dabei. Es ist schön, Bedürftigen helfen zu können, daher mache ich das gerne.“ Der Andrang in Brackwede ist am Tag der Ausgabe groß: Nach 15 Minuten haben sich schon 40 Familien registriert. „Es gab auch heute schon Familien, die Stunden vorher an der Ausgabe waren. Das zeigt, wir sind sehr gefragt“, so Friedje Bormann.

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Zahl der Bedürftigen steigt

Doch die Entwicklung der Ausgabezahlen steigt wohl seit Jahren stetig: „Es fing mit Corona und der damit verbundenen Wirtschaftskrise richtig an. Davor gab es auch schon einen leicht steigenden Trend aufgrund der Fluchtbewegungen, doch seit der Wirtschaftskrise und neuerdings dem Ukraine-Krieg sind die Zahlen der auf uns Angewiesenen riesig geworden“, so Benjamin Varnholt von der Diakonie Brackwede.

Darüber hinaus sei es wichtig, für ihn zu betonen: „Wir alle machen diesen Job total gerne, besser wäre es, würde man uns nicht benötigen. Weder die Stadt noch das Land unterstützen die Schulkramkiste und die AGW bei unserem Projekt.“ Stattdessen habe man durch die Privatspenden und Kirchenspenden die nötigen Mittel, um Materialien zu besorgen. Darüber hinaus gibt es auch einige Großspender wie Firmen oder den Verein „Tatort“, die auch mit Materialien wie Schulranzen ausstatten.

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Erstklässler werden besonders berücksichtigt

Wichtig ist laut Wälter zudem die Kooperation mit den Schulen: „Wir geben unsere Termine an die Schulen via E-Mail weiter und diese können dann auf unser Projekt aufmerksam machen.“ Zu fünf Terminen im Jahr können dann alle, die einen Bielefeldpass haben oder Arbeitslosengeld beziehen, mit ihrem Nachweis zu den Ausgabestellen kommen, um die notwendigen Arbeitsmittel wieder aufzufüllen.

Gerade für Erstklässler sei es zudem wichtig, vernünftig in die Schulzeit starten zu können, ergänzt die Vorsitzende der Freiwilligenagentur: „Es gibt daher zu Beginn jeder Sommerferien einen Termin, zu dem nur die Familien der neuen Erstklässler kommen dürfen.“ An diesem Termin werden vor allem neue Schulranzen an die werdenden i-Männchen herausgegeben.

Weitere Informationen: Webseite der Schulkramkiste der Freiwilligenagentur Bielefeld e.V.