
Bielefeld. Mit rund 48.000 Bediensteten gehört der deutsche Zoll zu den großen Behörden mit polizeilichen Aufgaben und Befugnissen. Mehr als 13.000 Waffenträgerinnen und Waffenträger müssen regelmäßig auch brisante Aufträge erfüllen: Von der Erhebung von Zöllen und der Vollstreckung staatlicher Geldforderungen bis hin zur Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs sowie der Verfolgung von Schwarzarbeit und ähnlichen Delikten geht es vor allem ums Geld.
Die Bundeszollverwaltung ist dem Bundesfinanzministerium daher unterstellt. Damit die Beschäftigten angemessen vorbereitet sind, werden bundesweit nun zehn neue „Einsatztrainingszentren“ für den Zoll errichtet. Aus einem EU-weiten Vergabeverfahren für den Auftrag ist das Bauunternehmen Goldbeck als Sieger hervorgegangen: Für die Bielefelder ist es einer Mitteilung zufolge der größte Bauauftrag der Unternehmensgeschichte.
Im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) entstehen die Einsatzzentren in Beckum, Garching, Kümmersbruck, Eppingen, Heiligenhaus, Walsrode, Griesheim, Stahnsdorf, Chemnitz und Neumünster. Ein elftes Zentrum für die Grenzregion zur Schweiz war ursprünglich in Hüfingen geplant.
News direkt aufs Handy: Hier finden Sie den Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld
Trainingszentren angeblich ein Milliardenprojekt
Die Bild-Zeitung hatte die Pläne für das Projekt bereits 2023 skandalisiert: Unter der Überschrift „Lindner will eine Milliarde Euro für 11 Schießstände ausgeben“ hieß es, der Bund der Steuerzahler habe die Pläne ins Visier genommen. Das Blatt zitierte Reiner Holznagel, den Präsidenten des Steuerzahlerbundes: „Die Pläne des Bundesfinanzministeriums für die neuen Einsatztrainingszentren des Zolls laufen offenbar auf eine Goldrandlösung hinaus und wirken überdimensioniert.“
Die Zoll- und Finanzgewerkschaft verteidigte die Ausgaben damals mit den hohen Anforderungen an die Zoll-Mitarbeiter im Kampf gegen oft gewaltbereite Kriminelle und bestätigte den Bild-Bericht damit indirekt.
Ein Goldbeck-Sprecher wollte sich auf Nachfrage nicht zur Höhe des Auftragsvolumens äußern. Die Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten hat bisher auf eine entsprechende Nachfrage nicht geantwortet. In der Vergangenheit hatte Goldbeck (mehr als 12.000 Beschäftigte) bereits Großaufträge im Wert von jeweils mehr als 100 Millionen Euro erfüllt, zum Beispiel beim Bau der Tesla-Fabrik in Brandenburg. Der 2023 vereinbarte Bau einer neuen Fabrik für den Rüstungsproduzenten Rheinmetall am Niederrhein hat dem Vernehmen nach eine ähnliche Größenordnung. Die Gesamt-Auftragssumme für die Zoll-Trainingszentren ist scheinbar geheim, dürfte aber auf jeden Fall deutlich im dreistelligen Millionenbereich liegen.
Die Logik: Einmal planen, zehnmal bauen
Jeder Standort erhält auf einer Fläche von 13.500 Quadratmetern eine große Sporthalle, einen Schießanlagen-Komplex und ein Einsatztrainingsgebäude. Der jeweilige konkrete Baubeginn sei lokal unterschiedlich, heißt es von Goldbeck. Die ersten Gebäude sollen Ende 2027 fertiggestellt werden. Das Trainingszentrum für die 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauptzollamtes Bielefeld (davon etwa 220 Waffenträgerinnen und Waffenträger) wird in Beckum sein. Es werde gemeinsam mit den Hauptzollämtern Dortmund, Münster und Osnabrück im 2-Schicht-System genutzt, teilte Ralf Wagenfeld aus der Pressestelle des Bielefelder Hauptzollamtes mit.
„Exzellente Trainingsstandards sind ein wichtiger Teil der Wertschätzung gegenüber den Zollbediensteten, denn diese erfüllen eine wichtige Aufgabe in unserem Land“, betont Holger Hentschel, Vorstandsmitglied der BImA. „Wir freuen uns, dass wir mit Goldbeck einen innovativen Partner haben, der bundesweit in gleich hoher Qualität die hochmodernen Trainingszentren realisiert.“
Durch eine serielle Planungs- und Bauweise werden die Gebäude für alle Standorte identisch sein: Das Unternehmen fertigt wesentliche Bauelemente industriell in eigenen Werken vor und montiert sie passgenau auf der Baustelle. „Die Logik ist wirtschaftlich und effizient: Einmal planen, zehnmal bauen. Mit unserer systematisierten Bauweise realisieren wir schnell hochwertige Gebäude für den Zoll“, erklärt Jan-Hendrik Goldbeck als geschäftsführender Gesellschafter.
Lesen Sie auch: Unternehmen Goldbeck baut neuen Campus im Kreis Gütersloh
Die Ressourcen sollen effizient eingesetzt werden, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Eine ganzheitliche Photovoltaik-Lösung ermögliche einen nahezu autarken Gebäudebetrieb. Nicht nur die Dachflächen produzieren Strom mit Photovoltaik-Modulen, sondern auch die Fassaden der Gebäude. Zudem parken Autos im Schatten von Solar-Carports. Die Dachflächen produzieren nicht nur Strom, sondern sorgen mit einer Begrünung für eine Versickerung von Regenwasser und Kühlung der Gebäude. Pflanzen an den Fassaden unterstützen diesen Effekt.
Goldbeck realisiere die Gebäude in einer Holz-Hybridbauweise, die die Stärken von Holz, Beton und Stahl vereint. Der Verzicht auf ein Untergeschoss schone den Boden: „Mit unserer Bauweise schaffen wir lebenswerte Räume und senken den Kohlendioxid-Fußabdruck“, ergänzt der geschäftsführende Gesellschafter Jörg-Uwe Goldbeck.