Bielefelder Quartier kämpft gegen Drogen auf dem Spielplatz und Prostitution im Hinterhof

Bielefeld. Herumliegende Spritzen, ausgedrückte Joints, leere Medikamentenverpackungen. Der Müll ist für die Anwohnerinnen und Anwohner des Ostmannturmviertels noch eines der geringsten Übel. Was die Menschen des Quartiers sonst noch bewegt, wollte die Bielefelder Polizei jetzt aus erster Hand erfahren und lud sie zu einem Gespräch auf den Nelson-Mandela-Platz ein. Eine Anwohnerin, die erst vor Kurzem aus Frankreich in das Bielefelder Ostmannturmviertel gezogen ist, zeigt sich regelrecht schockiert von den Zuständen, die dort herrschen. &bdquo;Niemals hätte ich auf den ersten Blick gedacht, dass dies so eine komische Gegend ist“, sagt sie. Drogen seien hier allgegenwärtig, von umherziehenden Dealern bis hin zu benutzen Spritzen, die auf ihrem Parkplatz liegen würden. Die restlichen knapp 30 Anwohnerinnen und Anwohner, die zum Gespräch mit der Polizei erscheinen, zeigen sich hingegen wenig beeindruckt. Sie wohnen teilweise seit 20 Jahren im Viertel und kennen den Brennpunkt der Drogenszene schon lange. Problemschwerpunkt oder lebenswertes Viertel? Das Viertel macht nicht den Eindruck eines Problemschwerpunkts. Die Blumenkästen auf den Balkonen der Mietshäuser sind bunt und gepflegt. Vor den Häusern wachsen Büsche und Pflanzen, die Bäume auf dem Platz bieten angenehmen Schatten. Von den Hauptverkehrsstraßen August-Bebel- und Herforder Straße dringt kein Lärm in die Gegend. Insgesamt wirkt das Viertel wie ein ganz normales, fast schon ruhiges Wohnquartier. Wenn es nicht diesen Weg gäbe, der genau hier vorbeiführt und den Drogentreffpunkt an der &bdquo;Tüte“ mit der Drogenberatungsstelle an der Borsigstraße verbindet. Die meisten Drogensüchtigen passieren den Weg ruhig, aber nicht alle verhalten sich so. Manche lösen Angst und Unbehagen aus, weil sie sich vor den Augen von Kindern Drogen spritzen, ihre Exkremente in den Vorgärten hinterlassen oder in Tiefgaragen und auf Terrassen einbrechen, um dort zu übernachten oder etwas Wertvolles zu stehlen. Angst, dass Drogen für Kinder normal werden &bdquo;Meine 13-jährige Tochter kennt alle Arten von Drogen“, sagt Melek Yapar, eine der Stadtteilmütter des Viertels rund um den ehemaligen &bdquo;Pfefferturm“. Die Kinder würden den offenen Umgang mit harten Drogen hier jeden Tag sehen. &bdquo;Ich habe Angst, dass Drogen für sie zur Normalität werden“, beschreibt sie ihre Sorgen den Beamten. Sie wünscht sich mehr Präsenz von Ordnungsamt und Polizei: &bdquo;Zu Coronazeiten ging das doch auch, warum jetzt nicht mehr?“, richtet sie sich direkt an die Beamten vor Ort. Lesen Sie auch: Bielefelder Hotel-Chef alarmiert: &bdquo;Unsere Mitarbeiter sind an der Tüte nicht mehr sicher“ Dirk Trümper, der zum Kommissariat &bdquo;Kriminalprävention und Opferschutz“ gehört, notiert alle Aussagen der Anwohner akribisch. Immer wieder muss er jedoch zugeben, &bdquo;noch keine Lösung präsentieren zu können“, aber die Sorgen und Nöte ernstzunehmen und an die entscheidenden Stellen weiterzuleiten. Gemeinsam mit der Stadt Bielefeld soll zukünftig ein Konzept erarbeitet werden, das versucht, die Probleme zu lösen. Ein akutes Notprogramm hatte die Stadt wegen der Zustände bereits Ende 2023 beschlossen. Lesen Sie auch: Dealer und Prostituierte: Bielefelder Anwohner warnen vor Verwahrlosung Anwohnerin Banu Aydin, die bereits seit 14 Jahren im Viertel wohnt, fragt sich, wieso dann nicht jemand vom Ordnungsamt oder ein Vertreter der Stadt Bielefeld am Gespräch mit den Anwohnern teilnimmt. &bdquo;Hier und heute sollen im ersten Schritt durch Gespräche die Probleme deutlich werden“, antwortet Trümper. Den Bericht würden diese Stellen im Nachgang bekommen, daher &bdquo;sind sie ja quasi dabei“. Lage verschlimmert sich kontinuierlich Aydin frage sich manchmal, was die Polizei hier überhaupt mache. &bdquo;Ich kenne jeden Dealer, kenne ihre Kleidung, weiß, womit sie handeln und ich kenne ihre Routen“, sagt sie. Niemals sei bei ihr oder anderen Nachbarn nachgefragt worden, &bdquo;dabei kennen wir die Pappenheimer alle“. Auch dieser Aspekt sei für sie unverständlich. Wieder einmal zustimmendes Nicken in der Runde der Anwohner. Ihr Vorschlag: Räume schaffen, um die Süchtigen aufzufangen. Am besten mit der Chance auf ein warmes Getränk und ein Gesprächsangebot. Einigkeit herrscht ebenfalls darin, dass die Lage von Jahr zu Jahr schlimmer wird. Fast schon gebetsmühlenartig wiederholt der Polizist, &bdquo;dass jederzeit die 110 gewählt werden sollte, wenn sie sich bedroht oder unwohl fühlen sollten“. Auch dann, wenn sie am Telefon schon mal abgewiesen worden seien, weil sie keine konkrete Straftat gemeldet hätten. Lesen Sie auch: Bielefelder Problemviertel: Politiker versprechen Hilfe gegen Junkies und Prostitution Wut auf die Drogensüchtigen haben die Anwohner trotz aller Schwierigkeiten nicht entwickelt. &bdquo;Wir wissen, dass die Situation nicht einfach zu lösen ist“, sagt ein weiterer Anwohner, der seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte. &bdquo;Das sind kranke Menschen. Sie einfach zu vertreiben, ohne ihnen Hilfe zukommen zu lassen, geht nicht“, sagt er. Ihre Hoffnung liege nun zum Teil auf einem Aufenthaltsraum, der den Süchtigen vielleicht mit dem Umbau des Bahnhofsareals eingerichtet werden soll.

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