Ein früherer Bielefelder Sternekoch greift jetzt regelmäßig zur Kettensäge

Bielefeld. Es ist noch nicht so lange her, da hat Ernst-Heiner Hüser mit feiner Hand den Trüffelhobel oder den Zestenreißer in seiner Küche zum Einsatz gebracht. Oder die aus seinem eigenen Kräutergarten auf dem Museumshof Senne stammenden Zutaten mit Mörser und Stößel zum Würzen seiner Gerichte zerkleinert. Doch seit der ehemalige Bielefelder Sternekoch den Löffel, pardon, den Staffelstab im Historischen Gasthaus Buschkamp und in der Auberge le Concarneau an Silvio Eberlein abgegeben hat, werkelt der heute 72-Jährige mit Kettensägen und schwerem Gerät. Was er damit schafft, ist in seinem nun offiziell eröffneten Skulpturengarten zu sehen. Auf rund 2.000 Quadratmetern Fläche unter Bäumen auf dem Museumshof in Bielefeld-Senne, auf dem er seit Jahrzehnten lebt, stehen seine Werke. Die größte und höchste Skulptur ist das 4,20 Meter hohe &bdquo;Pas de deux“ - die tanzenden Bäume. 44 aus einem mächtigen, schätzungsweise 150 Jahre alten Eichenstamm herausgeschnittene Scheiben wachsen in zwei Säulen umeinander und in die Höhe. Hüsers zweite Arbeit nach seinem Ruhestand als Küchenchef im Jahr 2015 - und bislang seine liebste. Anregung dafür hat er sich bei einem weltberühmten Künstler geholt, der auch in Bielefeld-Sennestadt mit einem Werk vertreten ist: dem britisch-deutschen Künstler Tony Cragg (der aktuell noch bis 26. Mai eine Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf hat). Auch dessen Skulpturen schrauben sich oft in die Höhe. Wie zum Beispiel &bdquo;Auf der Lichtung“ auf dem Bielefelder Reichowplatz. Ernst-Heiner Hüsers Werke tragen übrigens alle zuvorderst französische Namen. &bdquo;Da habe ich einen kleinen Spleen“, erzählt der 72-Jährige den Mitgliedern des Heimatvereins Senne, die in den Genuss der ersten offiziellen Führung durch den Skulpturengarten kommen. &bdquo;Aber ich habe auch eine gewisse Legitimation dafür“, fügt er verschmitzt an. Denn nach seiner Ausbildung als Koch arbeitete Ernst-Heiner Hüser zehn Jahre lang in französischen Spitzenrestaurants. Unter anderem war er Küchenchef im &bdquo;La Tour dArgent“ in Paris. &bdquo;Ich glaube, ich war damals der einzige deutsche Küchenchef in einem Zwei-Sterne-Restaurant“, sagt Hüser. Von 1985 bis 2002 hat er sich dann selbst einen Michelin-Stern erkocht, ab 1988 bis 2015 als Chefkoch in Bielefeld. Und so heißen seine Skulpturen &bdquo;Archimède dans la forêt“ (Archimedes im Wald), &bdquo;Point de vue“ (Blickpunkt) oder &bdquo;Chêne sonor“ (Klingende Eiche). Bielefelder Skulpturengarten öffnet zu besonderen Aktionstagen Letztere wird bei der Eröffnung des Skulpturengartens auf dem Museumshof offiziell enthüllt. Dabei handelt es sich den Kronenansatz einer 300-jährigen Eiche aus Bielefeld-Ummeln, die Hüser in einen sich drehenden Klangbaum verwandelt hat. Die polierten gemaserten Wände sind nur noch ein bis zwei Zentimeter stark. Es gibt drei Sitznischen in denen zwei Monochords, zwei Naturtoninstrumente mit Saiten eingebaut sind, die den eichenen Resonanzraum zum Klingen bringen. Der Spitzenkoch hat die feine Küche gegen eine Tischlerwerkstatt getauscht, die er sich nach eigenen Worten zum 65. Geburtstag geschenkt hat. Perfekt eingerichtet hat er sich diese auf dem benachbarten, angepachteten Hof Brindöpke. Hüser hat Carving- und Drechselkurse absolviert, sich Tischsäge und Drechselbänke zugelegt, auf denen er auch Kugeln mit einem Durchmesser von einem Meter drechseln kann. Ein kleines Sägewerk hat er sich selbst gebaut, damit er die teils mächtigen Stämme mit seiner längsten Kettensäge mit 1,20 langem Schwert geführt zerteilen kann und nicht Freihand arbeiten muss. Überall liegen Stämme, Wurzeln, Baumscheiben. Seine Frau Susanne - die viele Jahre den Service in den Restaurants auf dem Museumshof Senne geleitet hat und auch seine künstlerische Leidenschaft teilt, eigene Werke im Skulpturengarten ausstellt - , hat ihm wegen seiner Sammelwut eigentlich ein Holzkaufverbot erteilt. Ernst-Heiner Hüser lacht. &bdquo;Einen schönen Birnenbaumstamm aus Lage durfte ich dann aber doch noch holen.“ Lesen Sie auch: Museumshof Senne - hier gibts Bielefelder Heckrind aus dem Glas Mit der gleichen Leidenschaft, wie er sich 45 Jahre der Kochkunst gewidmet hat, widmet sich Ernst-Heiner Hüser nun dem Werkstoff Holz. Ein bisschen war es ist ihm schon in jungen Jahren ans Herz gelegt worden. Ein Nachbar des gebürtigen Paderborners war Holzbildhauer und Madonnenschnitzer, sein Onkel Hans Gieseke war Kunsttischler und hat für den Museumshof Senne alle Restaurations- und anspruchsvollen Tischlerarbeiten ausgeführt. Die vier Fachwerkhäuser stammen aus vier Jahrhunderten - von 1607 bis 1903 - und wurden nach Senne transloziert. Alle Gebäude wurden von Hüsers Eltern, Alois und Christa Hüser, vor dem Abriss gerettet und versetzt, als Ende der 50er Jahre die A2 in Bielefeld-Sennestadt gebaut und die Bundesstraße 68 erweitert wurden. Und so beherbergt seit 1988 das Zwei-Ständer-Haus &bdquo;Buschkemper“ von 1811 das Historisches Gasthaus Buschkamp. Das Video erlaubt einen Blick zurück ins Jahr 2011 &bdquo;Der Skulpturengarten ist eine echte Bereicherung für den Museumshof“, sagt Künstlerkollege Uli Horaczek aus Bielefeld-Senne, der ebenfalls zur Eröffnung gekommen ist. Horaczek, einst leitender Angestellter bei Bayer in Leverkusen, ist wie Hüser Kunst- und Kulturschaffender auf dem zweiten &bdquo;Bildungsweg“. In vielen seiner Werke spielen kleine Enten eine zentrale Rolle. Das große &bdquo;Pas de Deux“ von Hüser hat es ihm wiederum angetan. Der Skulpturengarten und das Historische Handwerkerhaus auf dem Museumshof öffnen allerdings nur zu besonderen Aktionstagen (2024: 8./9. Juni, 17./18. August, 14./15. September) jeweils von 12 bis 18 Uhr und auf Anfrage (ernstheiner.hueser@icloud.com)

Meistgelesen