Appell an die Desinteressierten und Nörgler: Bielefelder sollen mitgestalten statt nur meckern

&bdquo;Hau ab!“ &bdquo;Endlich ist er weg.“ Das sind noch zwei der harmloseren Kommentare, die in den sozialen Medien auftauchten, als am 11. Mai bekannt wurde, dass Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) sich bei der Kommunalwahl 2025 nicht noch einmal zur Wahl stellen werde. Ging es in den moderierten Kommentarspalten der Medienhäuser noch halbwegs zivilisiert zu, wurde andernorts offen Hass ausgeschüttet und beleidigt. Was ist bloß los in einer Gesellschaft, in der immer weniger Respekt und – ein altmodisches Wort – Anstand gezeigt wird? Oft geben sich die Kommentarschreiber irgendwelche Pseudonyme, damit nicht nachverfolgbar ist, wer sich dahinter verbirgt. Aber manchmal machen sie sich nicht mal mehr diese Mühe. Nicht falsch verstehen: Natürlich muss man die Politik, die Pit Clausen jetzt seit 15 Jahren im Rathaus gemacht hat, nicht richtig finden. Da ist auch einiges schief gegangen. In manchen Feldern wie der Verkehrspolitik ist die Stadt heute deutlich gespaltener als noch vor ein paar Jahren. Aber sich darüber argumentativ auszutauschen, haben die meisten offenbar verlernt oder besser: nie kennengelernt. Das führt zu einer Verrohung der Debatte und mündet schließlich ein paar Eskalationsstufen weiter in offenen Attacken wie zuletzt bundesweit im Europawahlkampf gegen SPD-, Grünen- und AfD-Politiker. Politiker haben grundsätzlich keine Ahnung, leben in einer Scheinwelt, haben nur ihren eigenen Vorteil im Sinn. Dieses Denken ist nicht nur bei den vermeintlich einfachen Leuten verhaftet. Es reicht bis in die Chefetagen großer Unternehmen. Rainer Wend, langjähriger Bielefelder SPD-Bundestagsabgeordneter und später Cheflobbyist bei der Deutschen Post/DHL, berichtete kürzlich bei der Vorstellung einer Biografie über ihn, was er mit seinem Unternehmensvorstand erlebt hatte. Er habe viel Aufklärungsarbeit betreiben müssen, so Wend. Und nach Begegnungen mit einzelnen Politikern sei sein Boss erstaunt gewesen, wie viel Sachverstand die doch mitgebracht hätten. Oft verkanntes Engagement Und das gilt nicht nur für die große Bühne in Berlin, es gilt auch im Bielefelder Rathaus. Vielleicht nicht alle, aber die meisten, die im Rat und den Bezirksvertretungen sitzen, wissen, wovon sie sprechen und was sie wollen. Sie hauen sich dort viele Stunden um die Ohren, und das auch noch ehrenamtlich für eine Aufwandsentschädigung, die deutlich unter dem Mindestlohn liegt. Manchmal verzweifeln auch sie an den Mühlen der Bürokratie, aber dann und wann haben sie eben doch ihr Erfolgserlebnis. Das hört sich nicht eben sexy an, aber das ist gelebte Demokratie. &bdquo;Die machen doch sowieso, was sie wollen“, heißt es dennoch bei vielen. Aber &bdquo;bei denen“ kann man auch mitmachen. Mitgestalten statt meckern. Alle Parteien und Wählergemeinschaften suchen händeringend Leute, die bereit sind, sich zu engagieren, gerade in diesen Tagen, wo die Vorbereitungen für die Kommunalwahl 2025 anlaufen. Und wem Schwarz, Rot, Grün, Gelb oder Blau als Parteifarbe nicht passt, der kann seine eigene Wählergemeinschaft aufmachen. Auf lokaler Ebene ist das gar nicht so schwer, weil es dort auch keine Fünf-Prozent-Hürde gibt. Bei der Kommunalwahl 2020 reichten der damals frisch gegründeten &bdquo;Lokaldemokratie in Bielefeld“ (LiB) gerade mal 1.284 Stimmen oder 0,95 Prozent für ein Ratsmandat und das Mitbestimmungsrecht über einen 1,7-Milliarden-Etat, Schulprojekte oder den Straßenbau. Dies soll keine Werberverkaufsveranstaltung sein, aber man kann Politik auch einfach mal ausprobieren, bevor man in den Sozialen Medien zu oft sinnfrei einfach draufhaut. Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Meinung unter michael.schlaeger@nw.de

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