Spurensuche zu Arminias nationalsozialistischer Vergangenheit

Bielefeld. &bdquo;Respekt fängt beim Zuhören an“ steht in kleinen Lettern über dem haushohen Graffiti unterhalb der Westtribüne der Schüco-Arena – gut zu erkennen vom Julius-Hesse-Platz direkt neben dem Stehplatz-Eingang. Eine Handvoll Sport- und Geschichtsinteressierte hörte den Ausführungen des Historikers Friedhelm Schäffer zu, der sie auf eine Spurensuche zur unrühmlichen Nazi-Geschichte des DSC Arminia Bielefeld führte. Zweieinhalb Stunden lang folgten sie Fährten im Bielefelder Westen, über die der pensionierte Geschichtslehrer, Kurator, Buchautor und Mitarbeiter der Erinnerungs- und Gedenkstätten Wewelsburg und Stalag 326 viel zu berichten wusste. Es sind Fährten und Spuren, Plätze und Straßen, vorbei an geschichtsträchtigen Gebäuden – die bis heute von den Fußball-Fans an jedem Heimspiel-Tag beschritten werden. Immer an den Häusern im Bielefelder Westen entlang. Das Leben – und Leiden von Julius Hesse, ehemaliger Vereinspräsident und Jude, bildet eine Art Klammer dieser Spurensuche. Sie startet an dem nach ihm benannten Platz auf dem Stadiongelände und endet an seinem letzten Bielefelder Aufenthaltsort, ehe er nach Theresienstadt deportiert wurde, dem Schloßhof, dem damaligen &bdquo;jüdischen Umschulungslager“. Hesse geriet vor wenigen Wochen in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, als die Spieler des DSC den Firmennamen seines Schuh- und Sportwarengeschäfts am Alten Markt zum Gedenken als &bdquo;Trikotsponsor“ auf der Brust trugen. Im Innern des Stadions, neben dem &bdquo;heiligen Rasen“, zeigt Friedhelm Schäffer auf die riesige Werbe-Bierflasche an der Ecke zwischen Süd- und Osttribüne. An dieser Stelle wehte, wie auf einem historischen Foto zu erkennen ist, seinerzeit eine Hakenkreuzfahne. Das Besondere daran: Es ist das einzige übrig gebliebene visuelle Zeitdokument, das eine Fahne mit einer Swastika auf der Alm zeigt – alle anderen Fotos seien gründlich &bdquo;entsorgt“ worden, so Schäffer. Ein anderes Foto zeigt acht junge Burschen mit Helm und Uniform vor einer &bdquo;Vierlingsflak“, diese wurde in Kriegszeiten auf der so genannten Hartalm in Stellung gebracht. Die acht Jungs, allesamt Schüler des Städtischen Gymnasium Bielefeld (heute Ratsgymnasium), bekamen vor Ort Unterricht in einem Holzverschlag, in dem sie auch lebten. Später bekamen sie den Marschbefehl, am Schildescher Viadukt feindlichen Fliegerangriffen zu trotzen – erfolglos, wie man weiß. Aber, so ergaben Schäffers Recherchen, alle Acht hätten den Krieg wohl überlebt. Lesen Sie auch: Arminia Bielefeld mit guter Ausgangslage – Freiburg II steigt ab Fackelzug vom Kesselbrink zum Bürgerpark mit 15.000 Menschen Raus aus der Schüco-Arena führt die nächste Spur zur Rudolf-Oetker-Halle und dem angrenzendem Park. Dieser war am 20. April 1933 Ziel eines Fackelzuges. 15.000 Menschen zogen vom Kesselbrink dorthin, angeführt von der SA-Reiterstaffel Jöllenbeck, um das grüne Idyll in &bdquo;Adolf-Hitler-Park“ umzutaufen – quasi als Geburtstagsgeschenk für den &bdquo;Führer“. Natürlich gehörten auch Abgesandte von bürgerlichen Sportvereinen wie Arminia zu den Fackelträgern – nicht aber &bdquo;Arbeitersportvereine“ wie TuS Ost, TuS Eintracht oder VfB Fichte (damals FTS Fichte). Gleich nebenan, im Gasthof &bdquo;Schütze“ (später Tinneff) an der Stapenhorststraße, war der Umkleide – und Waschraum für die Kicker, die dann mit ihren Stollenschuhen zur Alm trabten. Arminia-Präsident Karl Lamker, NSDAP-Mitglied und Wehrmachtsoffizier Bemerkenswerter ist aber, dass der Arminia-Präsident Karl Lamker, geboren in Theesen, NSDAP-Mitglied und Wehrmachtsoffizier, in Amt und Würden beim Club zwischen 1955 und 1960, &bdquo;Schütze“ als Parteilokal für die, von ihm mitbegründeten Nazi-Partei NPD nutzte und noch bemerkenswerter: Arminia blieb bis in die 1960er Jahre Geschäftspartner von Lamkers Anwaltssozietät. Kein Spaziergang durch den Westen ohne Siegfriedplatz, dort, wo die Fans an jedem Spieltag &bdquo;vorglühen“ und hernach über die Rolandstraße zum Stadion pilgern. An dieser Straße, in einer kleinen Garagenanlage, lagerte das Finanzamt Bielefeld enteigneten Hausrat jüdischer Familien, die in die Konzentrationslager Osteuropas deportiert wurden. Die Habseligkeiten wurden hier vor Ort und aus den Garagen heraus versteigert – nach Schätzungen des Stadtarchivs nutzten mehr als 7.000 Bielefelderinnen und Bielefelder diese &bdquo;günstige“ Gelegenheit – nachdem sich freilich die Finanzamt-Mitarbeiter selbst zuerst bedienten. Friedhelm Schäffer ist seit über 50 Jahren Vereinsmitglied Zurück zum Ausgangspunkt: Es sollte mehr als 70 Jahre dauern, bis der DSC Arminia seine Geschichte umfassend aufarbeitet – mit dem Julius-Hesse-Platz, eingeweiht 2021, ist hier ein großer Schritt getan. Für Friedhelm Schäffer, Arminia-Mitglied seit mehr als 50 Jahren, ist das alles kein Wunder: Bis in die 1980er Jahre war der Begriff &bdquo;Erinnerungskultur“ in vielen Vereinen ein Fremdwort. So stünden Hesses Verdienste in jeder Festschrift, aber nicht, dass er im KZ ermordet wurde. Und bis heute ist der &bdquo;Julius-Hesse-Platz“ auf Google Maps nicht zu finden. Der Suchmaschine fehlt hier noch der nötige Respekt. Den Rundgang &bdquo;Spurensuche – Arminia Bielefeld und der Nationalsozialismus“ bietet Reinhard Schäffer im Mai am Sonntag, 12., und vierzehn Tage später, am 26., an, Beginn ist jeweils um 10.30 Uhr am Julius-Hesse-Platz. Der Spaziergang kostet fünf Euro. Buchungen über den Online-Shop von Arminia Bielefeld. Die Einnahmen kommen der Erinnerungs- und Präventionsarbeit innerhalb der Julius Hesse AG zugute.

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