Gut besuchte Bielefelder Kinderarztpraxis gerettet: Klinikum Bethel steigt ein

Bielefeld. Der nächste: bitte nicht, hoffen Eltern inständig. Weil Nachfolger fehlten, haben mehrere Bielefelder Kinderärzte in der vergangenen Zeit ihre Praxen schließen müssen. Verzweifelte Familien berichten von monatelangen vergeblichen Versuchen, in der Stadt einen Kinderarzt zu finden. Obwohl laut zuständiger Kassenärztlicher Vereinigung (KV) die Versorgung abgesichert ist, sieht es in der Realität häufig anders aus. Frank Meyer-Ekkert (68) ist einer von vielen, die in der nächsten Zeit in den Ruhestand gehen (wollen). Auch er hat seit mehreren Jahren einen Nachfolger für seine Praxis gesucht - vergebens. Jetzt aber gibt es eine Lösung: Das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB) übernimmt mit seinem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) den Kassensitz zum 1. April - kein Scherz. Was das genau bedeutet für Meyer-Ekkerts insgesamt rund 1.300 Patienten? Es ändere sich nur die Örtlichkeit: Statt an der Treppenstraße in Brackwede kümmert sich der Kinderarzt, selbst Vater und Großvater, dann in Behandlungsräumen im Erdgeschoss des neu gebauten Kinderzentrums am Grenzweg um die sie - dann als Angestellter des MVZ. Und er bekommt Unterstützung von &bdquo;einem gestandenen Kinderarzt“ aus der Kinderklinik in Bethel, ergänzt Eckard Hamelmann, Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am EvKB. Werbung um Praxisnachwuchs: Infoabend für Assistenzärzte Der hatte bereits vor etwa eineinhalb Jahren aufgrund der angespannten Versorgungslage &bdquo;auf Wunsch der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte“ junge Klinikkollegen zu einem Informationsabend eingeladen, um für die Praxisnachfolge zu werben. Es seien aber &bdquo;nur eine Handvoll gekommen“. Auch Meyer-Ekkert und seine Ehefrau, die ihn als Praxismanagerin unterstützt, wollten Nachwuchs von den Vorteilen überzeugen, Ängste und Bedenken ausräumen. &bdquo;Wir haben alle Assistenzärzte hier in den Bielefelder Kliniken und Umgebung persönlich angeschrieben und zu uns eingeladen, aber kein einziger ist gekommen“, berichtet Meyer-Ekkert, der die Praxis in Brackwede vor 34 Jahren von seinem Vorgänger übernommen hat. Auch aufgrund seiner Zusatzausbildung in klassischer Homöopathie &bdquo;als Ergänzung zur guten Schulmedizin“ hat er sich über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht. Die Möglichkeit, dass das EvKB mit seinem MVZ einsteigen könnte, wie bereits in anderen Fachrichtungen wie Neuro- oder Gefäßchirurgie, Nuklearmedizin oder Kinder- und Jugendpsychologie, habe er durch den Kontakt zu Hamelmann bereits im Hinterkopf gehabt. Allerdings habe er Bedenken gehabt, dass andere niedergelassene Kinder- und Jugendärzte das kritisch sehen. &bdquo;Deshalb haben wir das auch ganz eng mit dem entsprechenden Gremium abgestimmt“, sagt Thorsten Kaatze, Vorsitzender der Geschäftsführung des EvKB. Selbstständigkeit für viele junge Ärzte nicht mehr attraktiv Die Zeiten hätten sich geändert, sagen alle Beteiligten. Der Schritt in die Selbstständigkeit sei für viele nicht mehr attraktiv. Die Bewerberlage am Klinikum hingegen sei gut. &bdquo;Wir sehen aber hier jeden Tag die Versorgungsprobleme“, berichtet Hamelmann. Viele Eltern hätten noch keinen Kinderarzt, wenn sie mit ihrem Neugeborenen nach Hause gehen. So kämen sie in die Notfallpraxis, wenn die nächste U-Untersuchung ansteht. Die schnell erreichbaren Räume direkt neben dem Eingangsbereich im Erdgeschoss des Kinderzentrums, die am Wochenende der kinderärztliche Notdienst nutzt, werden ab April das neue Zuhause der Praxis Meyer-Ekkert. So würden sie effizient genutzt und nicht unnötig leer stehen, ergänzt Kaatze. Die Feinstrukturen würden gerade noch erarbeitet. Die Einrichtung: ein Mix aus Alt und Neu. &bdquo;Wir haben hier in der Kinderklinik andere Auflagen und Vorgaben, beispielsweise was Hygienevorschriften angeht.“ Aber der Neubau sei so konzipiert, dass sich Kinder dort sehr willkommen und wohl fühlen können. Auch Iris Ekkert macht als Praxismanagerin erst einmal weiter und arbeitet die neuen Medizinischen Fachangestellten, die das MVZ aktuell noch sucht, in die Organisation der Kinderarztpraxis ein. Am 15. März hat die Praxis ihren letzten Tag an der Treppenstraße. Bevor es dann im Kinderzentrum am 2. April weitergeht, werde noch &bdquo;ein bisschen aufgeräumt und aufgetankt“. Zumindest für die Praxisräume in Brackwede gebe es schon Interessenten, aber eben nicht von einem Kinderarzt. Kinderarztpraxis im Kinderzentrum Bethel: Chance für neue Patienten Perspektivisch könnten bis zu vier Kinderärzte auf dem einen Kassensitz in den Räumen des Kinderzentrums arbeiten, so Hamelmann. Auch eine Erweiterung sei denkbar und auch in einem insgesamt zehn Punkt umfassenden Plan zum neuen Konzept definiert. Wenn sich jetzt alles eingespielt habe, könnten auch noch neue Patienten aufgenommen werden. Auch in Brake war das dortige MVZ von Tim Niedergassel an der Rettung der örtlichen Kinderarztpraxis beteiligt. Nur weil es mit eingestiegen ist und Katharina Emptmeyer bei der Verwaltung unterstützt, hat die junge Ärztin die Nachfolge gewagt.

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