Ehemann getötet: Höchste Strafe für gemeinschaftlichen Giftmord in Bielefeld

Bielefeld. Zwei Mal lebenslänglich wegen Mordes. Das sind die Strafen, die der Vorsitzende Richter Georg Zimmermann am Donnerstag, 1. Februar, im sogenannten Giftmordprozess aussprach. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass Selma Y. (50) ihren Ehemann Tufan vergiftet hat. Die tödliche Giftmixtur dazu hatte ihr zwischenzeitlicher Liebhaber Mohamad A. (45) geliefert. Das Bielefelder Landgericht wirft ihnen gemeinschaftlichen Mord vor. Naile K., die Mutter des Ermordeten, weinte nach dem Urteil Tränen der Erleichterung und des Schmerzes. Sie hatte als Nebenklägerin fast jedem Prozesstag persönlich beigewohnt und dabei alle dreckigen Details des Mordkomplotts gegen ihren Sohn mitbekommen. Bielefelderin trauert um ihren Sohn und hofft auf ein Ende des Schmerzes Trotzdem sagt sie anschließend: &bdquo;Ich fühle Erleichterung. Die Seele meines Sohnes ist jetzt hoffentlich befreit. Ich hoffe außerdem, dass auch mein Schmerz jetzt leichter wird.“ Ihr Sohn sei ein besonderer Mensch gewesen, sagt sie vor laufender Kamera und bricht dann den Gedanken ab. Denn auch sie weiß: &bdquo;Egal, was für eine Strafe die bekommen haben, mein Sohn kommt nicht zurück.“ Der Vorsitzende Richter Georg Zimmermann hatte sich in seinem letzten großen Prozess vor seinem Wechsel zum Bundesgerichtshof mit einem ungewöhnlichen Fall zu befassen. Trotz des klaren Urteils konnte das Gericht nie klären, warum Selma Y. ihren Ehemann töten wollte. Die Beziehung zwischen den Eheleuten (sie waren seit 2013 ein Paar, standesamtliche Hochzeit am 14. Februar 2022) war geprägt von der &bdquo;materialistischen, narzisstischen und ich-bezogenen“ Weltsicht der Ehefrau. Massives Stalking und veröffentliche Sexvideos der Bielefelderin Immer wieder hatte sie sich vom späteren Opfer Tufan Y. getrennt, wenn er ihr nicht mehr genug Geld bieten konnte. Dann wechselte sie zu Mohamad A. nach Hamburg, bis sie auch dort diese Beziehung wieder abbrach und nach Bielefeld zu Tufan zurückkehrte. Es gab ein Hin und Her. &bdquo;Das Gericht konnte nicht ergründen, wie diese Wankelmütigkeit zu erklären ist“, so Zimmermann. Eines sei aber deutlich geworden. Der gekränkte Liebhaber habe sich nicht damit abgeben wollen, wie es Zimmermann in der Urteilsbegründung sagte. Der Richter sprach nach jeder Trennung von massivem Stalking und intimen Videos und Fotos, die Selma Y. zeigten, die A. breit gestreut veröffentlichte, um sich für die erlittenen Kränkungen zu rächen. Schließlich äußerte A. sogar Todesdrohungen gegenüber dem Ehemann. 13 Minuten lang spricht sie mit dem Liebhaber, während der Bielefelder stirbt Trotzdem kamen Ehefrau und Liebhaber immer wieder zusammen. Am Samstag, 30. April 2022, brachte der Hamburger laut Urteil schließlich eine tödliche Methadon-Mischung nach Bielefeld, die er auf dem Parkplatz eines großen Supermarkts in Oldentrup an Selma Y. überreichte. Sie verabreichte schließlich ihrem Ehemann die Giftmischung. Um 23.56 Uhr an jenem Abend sprachen Mohamad A. und Selma Y. 13 Minuten lang miteinander per Videotelefonat. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass Tufan Y. in diesem Moment bereits im Sterben lag und die beiden, zu der Überzeugung ist das Gericht gekommen, 13 Minuten lang berieten, wann sie denn nun den Notruf wählen sollte. Es sollte nicht zu früh geschehen, um eine erfolgreiche Reanimation auszuschließen. Um 1.20 Uhr in dieser Nacht stellte der Notarzt tatsächlich nur noch den Tod des 40-Jährigen fest. Nach dem Tod des Ehemanns geht auch die neue Beziehung in die Brüche Im September 2022 war die durch den Tod des Ehemannes nur anscheinend möglich gewordene Beziehung zu Mohamad A. erneut in die Brüche gegangen. Nun sammelte A. Beweise, um seiner Ex die Mordtat alleine in die Schuhe zu schieben. &bdquo;Dazu habe er in Telefonaten immer wieder versucht, sie zu einem Geständnis zu bringen“, so der Richter. Diese Telefonate und Chats habe er gesichert und war damit zur Kripo gegangen. Doch er hatte nur Vorwürfe vorgelegt. Keine Beweise. Die Kripo in Hamburg nahm keine Ermittlungen auf. Erst das Geständnis von Selma Y., die am 4. Januar 2023 zur Polizei Bielefeld gegangen war und dort ihren Ex-Liebhaber und sich schwer belastete, löste endlich die Ermittlungen in dem Mordfall aus. &bdquo;Dabei war das Aussageverhalten von Selma Y. genauso wechselhaft und wankelmütig“, betonte Zimmermann. Er nannte eine ganze Flut von sich teilweise widersprechenden Tatthesen, die die 50-Jährige bei den verschiedenesten Anlässen vorgetragen hatte. Keine war schlüssig. &bdquo;Für die Fahrt nach Bielefeld gab es nur einen Grund“: Die Lieferung des Gifts Die jüngste Einlassung, vorgetragen durch ihren Verteidiger Sven Karsten, wonach Selma Y. ihrem Mann zwar ein Mittel verabreicht, aber geglaubt habe, es handelte sich um Schlafmittel (Die Verteidigung plädierte auf Körperverletzung mit Todesfolge), sei so &bdquo;haarsträubend abwegig“ gewesen, dass die Richter dazu keinerlei Nachfragen stellen wollten. Zumal gesicherte Chat-Nachrichten wie &bdquo;Ich habe meinen Mann umgebracht“ eine andere Geschichte erzählten. &bdquo;Die Kammer ist zu der Überzeugung gekommen, dass sie ihrem Mann das Gift verabreichte, um ihn zu töten.“ Auch der im Plädoyer von Verteidiger Jan-Christian Hochmann geforderte Freispruch für Mohamad A. kam für die Kammer nicht in Frage: &bdquo;Es gab keinen anderen Grund für die Fahrt nach Bielefeld am 30. April, als die Lieferung des Gifts.“ Es kam nur eine Verurteilung wegen Mordes aus Heimtücke in Betracht Das 13-minütige Videotelefonat sei ein weiterer Beleg dafür gewesen, dass niemand allein agierte, so Zimmermann. Vor Gericht versuchten sich beide Angeklagten gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. &bdquo;Warum sollte sich eine Alleintäterin 13 Minuten lang mit Mohamad A. unterhalten, während sie das Opfer sterbend im Bett filmt?“ Da das Opfer völlig arg- und wehrlos war, kam für die Kammer nur eine Verurteilung wegen Mordes aus Heimtücke in Frage. Laut Peter Rostek, Anwalt von Naile K., Mutter des Opfers, hatte das Gericht nach der Würdigung der Beweisaufnahme keine andere Möglichkeit, als die höchstmögliche Strafe zu verhängen. Sven Karten, Verteidiger von Selma Y., kündigte dennoch Revision an, um das Urteil überprüfen zu können. So ganz abschließen kann Naile K. das Verfahren womöglich doch noch nicht.

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