Geldmangel: Bielefelder Akuthilfe nach häuslicher Gewalt von Schließung bedroht

Bielefeld. Das Thema häusliche Gewalt ist drängender denn je, die Zahlen nehmen bundesweit zu. Allein in Bielefeld muss von rund 900 Polizeieinsätzen jährlich ausgegangen werden – und das ist nur das Hellfeld der erfassten Gewalttaten. Nur ein Teil davon mündet in Anzeigen gegen die Täter. Nach wie vor geht es überwiegend um einander nahe stehende Menschen, Frauen sind deutlich häufiger von Gewalt betroffen als Männer. Kommt es zu einem Polizeieinsatz, kann man in Bielefeld auf eine weitere wichtige Säule zählen – die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt. Sie nimmt Kontakt zu Opfern von Gewalttaten auf, aber nur, wenn diese das ausdrücklich wünschen. Es ist ein Angebot in überfordernder Situation. Die Polizei macht Betroffene beim Einsatz mit dem Beratungsangebot bekannt. Sie können ihre Daten preisgeben und werden anschließend kontaktiert. Betroffene erfahren konkrete Hilfe und Beratung, wie es weiter gehen kann, etwa wenn ein 10-tägiger Wohnungsverweis endet und der Täter zurückkehrt. Sind Kinder mit im Spiel, kann das Jugendamt mit ins Boot genommen werden. &bdquo;Grundsätzlich wäre das Land NRW in der Pflicht“ Eine Mitarbeiterin auf einer halben Stelle in der Bielefelder Innovationsstelle berät alle Opfer von häuslicher Gewalt, unabhängig vom Geschlecht, die Beratung ist mehrsprachig möglich. Und kann ein Segen sein. Doch diese Arbeit ist akut bedroht. Nur noch bis zum Jahresende läuft die Finanzierung der Interventionsstelle, die der Psychologischen Frauenberatung angegliedert ist, durch die Stadt. Was danach geschieht, ist offen. Für das Jahr 2024 wird ein Betrag von 37.500 Euro benötigt. &bdquo;Grundsätzlich wäre gar nicht die Stadt, sondern das Land NRW in der Pflicht“, stellt Cornelia Neumann klar, Leiterin der Psychologischen Frauenberatungsstelle Bielefeld. Die Arbeit von Interventionsstellen basiere bundesweit auf den Regeln der Gewaltschutzgesetze der jeweiligen Bundesländer. Seit 2002 enthalte das Polizeigesetz NRW einen entsprechenden Paragrafen. Damit lasse sich auch der Wohnungsverweis für Gewalttäter ohne richterlichen Beschluss unmittelbar im Einsatz vollstrecken. Weißenfeld: "Der Erhalt der Stelle hat absolute Priorität" Habe das Opfer dann ein paar Tage Zeit gewonnen, weil der Täter außer Haus ist, sei es mithilfe der Beratung sehr sinnvoll, sich über den weiteren Weg klar zu werden. Neumann informiert: Erst seit 2019 bekämen die Frauenberatungsstellen in NRW Meldungen über Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt. Seit Juni diesen Jahres gibt es die zusätzliche Stelle, von der Kommune mit 20.000 Euro finanziert. &bdquo;Vorher haben wir das nebenbei gewuppt“, berichtet Neumann, doch die steigenden Zahlen und der Beratungsbedarf ließen das nicht mehr zu. &bdquo;Wir sind froh über die Mitarbeiterin und wollen sie nicht wieder verlieren.“ Neumann skizziert eine typische Gewaltkonstellation, wie sie sich den Mitarbeitern häufig böte: Schon während der Schwangerschaft spürt die 32-jährige A., dass ihr Partner (34), der als Lehrer arbeitet, nicht wirklich mit ihr an einem Strang zieht, was die gemeinsame Lebensgestaltung angeht. Nach der Geburt des heute sieben Monate alten Mädchens bleibt die Bibliothekarin in Elternzeit zuhause. Doch ihr Partner fühlt sich nachmittags, wenn er den Unterricht vorbereitet, durch das Babygeschrei gestört. Er gerät mit seiner Frau aneinander, beschimpft sie als &bdquo;Versagerin“ und &bdquo;schlechte Mutter“, die nicht einmal ihr Kind beruhigen könne. Nach und nach werden die Konflikte heftiger, schließlich kommt es zu Übergriffen seitens des Mannes. Als er die junge Mutter bei einem der Streitigkeiten schubst, sie zu Boden fällt und schwer am Kopf stößt, werden Nachbarn hellhörig und rufen die Polizei. Diese erteilt B. einen zehntägigen Wohnungsverweis. Seine Frau hat in dieser Zeit die Möglichkeit, sich über weitere Schritte klar zu werden. Unter Einschaltung der Interventionsstelle, die proaktiv auf die Betroffene zugeht. &bdquo;Eine hilfreiche Vorgehensweise in einer belastenden Situation“, so Cornelia Neumann. &bdquo;Es reicht nicht, ihnen eine Broschüre in die Hand zu drücken“ Denn es reiche nicht, von Gewalt Betroffenen &bdquo;lediglich eine Infobroschüre in die Hand zu drücken“ und sie dann wieder allein zu lassen. &bdquo;Viele haben eine lange Gewaltgeschichte hinter sich, bevor sie sich bei uns melden. Wenn überhaupt. Sie sind oft selbst nach einem Polizeieinsatz nicht in der Lage, sich selber Hilfe zu suchen.“ Umso zielführender sei die gute Kooperation mit der Polizei. Statistisch belegt gehe nach wie vor die häufigste Gewalt von Männern aus, so Neumann. Allerdings gebe es auch Gewalt (psychische, körperliche, sexuelle und digitale) unter Gleichgeschlechtlichen, zwischen Mutter und Tochter, Pfleger und Gepflegtem. Das Dunkelfeld sei groß. Gewalt zu erfahren, sei vor allem in gehobenen Schichten schambesetzt. &bdquo;Im Hinblick auf Menschen, die schon sehr lange in Gewaltbeziehungen leben, versuchen wir neben der psychischen Stabilisierung die konkrete Gefährdungssituation zu erfassen, um weitere Maßnahmen anzuschieben“, erläutert Neumann. Dabei gelte der Grundsatz: Das Opfer soll möglichst im häuslichen Umfeld bleiben können, der Aggressor notfalls nicht. Dass die Arbeit der Interventionsstelle ausgesprochen wichtig ist, hat auch die Politik erkannt. Ratsmitglied Regine Weißenfeld (SPD) hat sich mit einem Antrag für den Personal- und Finanzausschuss deutlich positioniert, die wichtige Arbeit weiterhin zu unterstützen. Im Gespräch mit der NW sagt sie: &bdquo;Der Antrag ist eine unserer Prioritäten für die Haushaltsberatungen. Diese so wichtige Arbeit für Familien und Kinder muss fortgeführt werden.“ Dabei sei es &bdquo;traurig“, dass sich das Land NRW nicht bewege. Ende November kommt der Antrag auf den Tisch der Politiker. Weißenfeld hofft, dass er positiv beschieden wird.

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