OWL-Crime – mit Podcast

Gewalt gegen Frauen: Mann erschlägt seine eigene Ehefrau mit einem Meißel

Ein Mann tötet seine Frau und begeht Suizid – ein Fall, der Teil einer BKA-Studie wurde. Die pensionierte Kriminalhauptkommissarin Heike Lütgert ist zum Frauentag im Ostwestfälle-Podcast zu Gast.

Heike Lütgert im Ostwestfälle Podcast Gespräch mit Moderatorin Birgitt Gottwald. | © Michaela Heinze

09.03.2025 | 10.03.2025, 19:16

„Tötungsdelikte an Frauen sind in der Regel nicht der öffentliche Raum, sondern geschehen meist im häuslichen Umfeld“, ordnet Heike Lütgert die Tat ein, die die Presse seinerzeit zunächst mit „Selbstmord auf der Autobahn“ und erst im Nachgang mit „Mann erschlägt Frau mit Meißel“ betitelt. Auffallend sei, dass der Täter, so stellt sich bei den Ermittlungen heraus, in „sogenannten ordentlichen Verhältnissen lebt“. Der Geschäftsführer eines Altenheims wohnt mit seiner Frau in einer Einfamilienhaussiedlung im Lipperland. Die Nachbarn beschreiben das Ehepaar, das in Trennung lebt, als freundlich und ruhig.

Lange Jahre sei man bei Delikten, die sexualisierter Gewalt zuzuordnen sind, davon ausgegangen, dass Übergriffe auf Frauen von Fremden begangen werden. Das sei häufig nicht der Fall, so Lütgert, die an der Datenerhebung der BKA-Studie „Prävention Kapitaldelikten in (Ex-) Intimbeziehungen“ mitgewirkt hat: „Der unbekannte Täter, der aus dem Dunkeln heraus Frauen anfällt, existiert so nicht.“ Vielmehr, so beschreibt es Lütgert, gehe die Gefahr von Partnern oder Ex-Partnern aus, das belegen die Zahlen: „Das größte Risiko für eine Frau, Opfer eines Tötungsdeliktes zu werden, ist es, verheiratet zu sein und in Trennung zu leben, das zeigt uns die Statistik.“

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OstwestFälle
Wöchentlich spannende Einblicke in True Crime Fälle aus OWL.
  • Eine BKA-Studie zeigt: Die größte Gefahr für Frauen geht oft von (Ex-)Partnern aus, nicht von Fremden.
  • Nahezu 100 Prozent der untersuchten Tötungsdelikte in der BKA-Studie von 2007 wurden innerhalb des häuslichen Umfeldes begangen.
  • Die Frauenbewegung in den 1980-er Jahren hat Druck auf Behörden ausgeübt, den Umgang mit häuslicher Gewalt zu reformieren.
  • Seit 2002 ermöglicht der Gewaltschutzparagraf 34a Wohnungsverweise für Täter.
  • Studien zeigen klare Muster: Femizide sind oft vorhersehbar und nicht spontan. Trotz Fortschritten steigt die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen weiter an.

Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kriminalhauptkommissarin zur Vorbeugung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen tragen Lütgert und ihr Team in Zusammenarbeit mit Studienleiterin Karin Herbers bis 2007 Informationen zusammen, die das Täterumfeld beleuchten. In einem Zeitraum von drei Jahren werden 92 Tötungsdelikte ausgewertet, von denen 60 Prozent in Beziehungen und Ex-Beziehungen ausgeführt wurden. Die anderen Taten geschahen ebenfalls im sozialen Nahbereich und betreffen Mutter-Sohn- oder Vater-Tochter-Beziehungen.

„Das größte Risiko für eine Frau, Opfer eines Tötungsdeliktes zu werden, ist es, verheiratet zu sein und in Trennung zu leben, das zeigt uns die Statistik“, schildert Heike Lütgert die Gewaltproblematik im Podcast mit Birgitt Gottwald. - © Michaela Heinze
„Das größte Risiko für eine Frau, Opfer eines Tötungsdeliktes zu werden, ist es, verheiratet zu sein und in Trennung zu leben, das zeigt uns die Statistik“, schildert Heike Lütgert die Gewaltproblematik im Podcast mit Birgitt Gottwald. | © Michaela Heinze

„Wir wollten Anhaltspunkte finden, die präventiv auf einen Femizid, also einen Mord an Frauen hinweisen, um diesen verhindern zu können“, beschreibt Heike Lütgert das Studienziel. Zuvor sei die Datenlage dünn gewesen: „Wir hatten keine zusammenführenden Erkenntnisse darüber, ob es im Vorfeld schon zu Einsätzen wegen häuslicher Gewalt gekommen ist.“ Schlimmer noch, früher seien Einsätze zu sogenannten „Haus- und Familienstreitigkeiten“ nicht einmal in Berichten dokumentiert worden, schildert Lütgert die Bagatellisierung von Gewalttaten im häuslichen Umfeld, die in die Kategorie „Ruhestörung“ eingeordnet werden.

Auf Druck der Frauenbewegung, die seit den 1980er-Jahren Anforderungen an die Polizei stellt, kommt die Behörde in Zugzwang, denn „in keinem Bereich ist Polizei so kritisiert worden, wie in dem Bereich Gewalt gegen Frauen“, so Lütgert. Ein Meilenstein sei 2002 die Einführung des Gewaltschutzparagrafen 34a, der es Polizeibeamten erlaube, einen Wohnungsverweis gegen den gewalttätigen Partner auszusprechen. „Die Frau bleibt, der Täter muss gehen. Das war zuvor nicht so.“ Inzwischen gehören die Gefährderansprache und Gefahrenanalyse zum Repertoire der Polizei. Gewalttaten werden dokumentiert.

Früher seien Einsätze zu sogenannten „Haus- und Familienstreitigkeiten“ nicht einmal in Polizeiberichten dokumentiert worden, schildert Lütgert die Bagatellisierung von Gewalttaten im häuslichen Umfeld. - © Michaela Heinze
Früher seien Einsätze zu sogenannten „Haus- und Familienstreitigkeiten“ nicht einmal in Polizeiberichten dokumentiert worden, schildert Lütgert die Bagatellisierung von Gewalttaten im häuslichen Umfeld. | © Michaela Heinze

Das sei auch dringend nötig, um die Opferzahlen zu reduzieren, weiß Heike Lütgert, denn die Gewalttaten gegen Frauen nehmen zu. Im vergangenen Jahr wurde fast täglich ein Mord an einer Frau verübt. „Femizide sind keine seltenen Einzelfälle, sondern ein strukturelles Problem“, sagt Lütgert. Die Prävention tödlicher Gewalt erfordere weiterhin ein enges Zusammenspiel von Polizei, Justiz, Hilfsorganisationen und der Gesellschaft insgesamt. Nur wenn alle Akteure zusammenarbeiten, ließen sich Schutzmaßnahmen verbessern und tragische Fälle verhindern.

INFORMATION


Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt

Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, können sich bei all ihren Fragen vertraulich an das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ wenden: Die 116 016 ist rund um die Uhr erreichbar, auch an Wochenenden und Feiertagen. Der Anruf ist kostenlos und kann auch ohne Guthaben auf dem Mobiltelefon genutzt werden.

Die interkulturellen Beraterinnen beim Hilfetelefon sind ausgebildete und erfahrene Fachkräfte und bieten Beratung in 18 Fremdsprachen an.

Zudem ist täglich zwischen 12 und 20 Uhr ein Sofort-Chat erreichbar. Alle Mitarbeiterinnen sind qualifizierte weibliche Fachkräfte. Frauen mit Hör-Behinderung finden hier eine Beratung in Deutscher Gebärdensprache und in Gebärden-Schriftsprache.