Erste Hintergründe zur Razzia unter Bielefelder Hells Angels

Bielefeld. Auch einen Tag nach der überraschenden Hells-Angels-Razzia der Polizei hüllen sich die Behörden in Schweigen. SEK-Beamte und die speziell dafür geschulten Beweissicherungseinheiten der Polizei hatten drei Objekte in Bielefeld aufgesucht und nach Beweisen durchforstet. Die vorbereiteten Haftbefehle konnten allerdings nicht vollstreckt werden. Wie zu hören war, waren die gesuchten Rocker alle bereits untergetaucht. Wie die Lokalredaktion erfuhr, soll der Grund für die aufwendigen Ermittlungen ein brutaler Einschüchterungsversuch durch Bielefelder Rocker gewesen sein. Der aktuelle Präsident der Rocker soll mit seinen Komplizen einen ehemaligen Weggefährten ins Clubhaus an der Erpestraße entführt und mit Baseballschlägern schwer misshandelt haben, um ihn auf diese Weise mundtot zu machen. Zusammenarbeit mit der Polizei gilt bei Rockern als schwerer Regelverstoß Den Gerüchten zufolge waren Präsident und Opfer beide vor acht Jahren in einen Drogenprozess involviert. Damals waren sie noch Rocker-Anwärter, hieß es aus Insiderkreisen. Offenbar geht es darum, dass der heutige Charter-Präsident mit den Ermittlungsbehörden zusammengearbeitet haben soll, um für sich ein besseres Urteil zu erwirken. Doch genau diese Zusammenarbeit gilt im Kreis der sogenannten &bdquo;Outlaws" als absolutes Sakrileg. Wer mit der Polizei oder der Justiz spricht, bricht die eisernen Regeln des Motorradclubs. In einem anderen Drogenprozess in Bielefeld wurde genau dieses &bdquo;Schweigegesetz" erst kürzlich thematisiert, weil der Angeklagte vor der Richterin keinerlei erklärende Aussage machte. Die inzwischen mächtige Position des Rockerbosses hat offenbar zu einem Zerwürfnis zwischen den alten Weggefährten geführt. Der Rockerboss soll die Anschuldigungen abgestritten haben. Dennoch soll der Hells-Angels-Präsident den wieder als Rocker aktiven Weggefährten im März nach Bielefeld gelockt und mit Komplizen krankenhausreif geschlagen haben. Auch sein Tattoo mit den typischen &bdquo;Hells Angels"-Insignien sei gegen seinen Willen überzeichnet worden, heißt es. Lebensgefahr: Wer gegen die Regeln verstößt, gilt als "vogelfrei" Wer gegen die Regeln der Hells Angels verstößt, wird aus dem Club verstoßen. In so einem Fall gilt ein Ex-Mitglied als vogelfrei (engl.: &bdquo;Out in bad Standing") und kann von seinen Ex-Rockerbrüdern, für die der Ehrbegriff höchstwichtig ist, angegriffen oder sogar getötet werden. So heißt es. Die brutale Einschüchterung des Weggefährten jedenfalls gelang offenbar trotzdem nicht. Sollten die aktuellen SEK-Durchsuchungen der Polizei tatsächlich mit diesem Vorfall in Verbindung stehen, spricht vieles dafür, dass die Ermittlungen von dem Misshandelten ausgegangen sind. Rocker-Präsident soll auf der Flucht sein Der Rocker-Präsident soll dem Vernehmen nach auf der Flucht sein. Rocker der Hells Angels bezeichnen sich selbst als Outlaws, also nicht an die bestehende Rechtsordnung gebunden. Nicht ohne Grund: Denn die Höllenengel gelten als Teil der organisierten Kriminalität, sie werden immer wieder mit Drogengeschäften und Zuhälterei in Verbindung gebracht. Auch in Bielefeld. Hells Angels in Bielefeld: Großer Umbruch 2013 und 2018 Hier ist ihre Organisation allerdings seit Jahren eher als klein zu bezeichnen. 2008 hatte sich – hervorgehend aus einer Ortsgruppe der Rockergruppe &bdquo;Red Devils" – das Hells-Angels-Charter &bdquo;Bielefeld" gegründet. Ende 2013 tauchte dann plötzlich ein Bielefelder Charter der &bdquo;Turkey Nomads" auf. Rund um den charismatischen Präsidenten Rezan Cakici hatten sich einige türkische Rocker geschart. Er selbst war nach Problemen beim Bremer Rockerclub &bdquo;Mongols MC" (2011 verboten) und den dortigen Hells Angels &bdquo;Westside" nach Bielefeld umgezogen. Hier soll er mit seiner neu formierten Rockergang versucht haben, im Bielefelder Nachtleben Schutzgeld zu erpressen. Er kam nicht weit. Zumal er sich wenig später auch noch durch seinen Social-Media-Kampf für die kurdische Sache mit dem türkischen Chef der &bdquo;Nomads" überwarf. Cakici flog raus und galt seither als vogelfrei. Anschließend löste sich die türkische Rockergruppe in Bielefeld wieder auf. Doch die türkischen Rocker blieben. Einige wechselten ins rivalisierende Bielefelder Charter und Cakici ging zurück nach Oldenburg. Seit Juli 2017 wird er dort vermisst. Die Kripo geht davon aus, dass er einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel. Er soll dort in größere Drogengeschäfte verstrickt gewesen sein. Seine Leiche wurde bisher nicht gefunden. Erst vor wenigen Wochen sucht die Kripo wieder aktiv nach ihm - neue Hinweise gaben Anlass zu einem neuen Fahndungsaufruf. Neue Machtverhältnisse ohne die Hells Angels Hellfield In Bielefeld kam 2018 nochmals Bewegung in die Rockerlandschaft. Bei den seit 2008 bestehenden Hells Angels kam es zu einer Abspaltung: Neben dem Charter &bdquo;Bielefeld" existierte plötzlich noch das Charter &bdquo;Hellfield". Und genau dieses Charter scheint seit Kurzem schon wieder Geschichte zu sein. Szenekenner sprechen von einer möglichen Fusion und neuen Machtverhältnissen innerhalb der Gruppe. Auch auf der offiziellen Charter-Liste der Hells-Angels-Weltorganisation wird das &bdquo;Hellfield" nicht mehr als offizielle Ortsgruppe aufgeführt. Ob diese jüngsten Veränderungen und die mutmaßliche brutale Attacke auf den ehemaligen Weggefährten in einem Zusammenhang stehen, ist unklar. Die Polizei hat keine andere Wahl, als die bei den Durchsuchungen im Clubheim an der Erpestraße sowie in zwei weiteren Wohnungen an der Herbert-Hinnendahl-Straße sowie an der Café-Sport-Kreuzung in Quelle beschlagnahmten Beweismittel auszuwerten. Denn die Rocker schweigen. Das ist ihr eisernes Gesetz.

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