Psychiatrische Klinik weist Bielefelder ab: Der wird kurz darauf zum Mörder

Bielefeld-Dalbke. Es war ein Mord-Exzess – mit 36 Messerstichen. Am 31. Juli 2022 tötete der 51-jährige Ehemann seine Ehefrau (49) im gemeinsamen Haus in Dalbke. Der brutalen Tat waren mehrere Fälle häuslicher Gewalt und üble Morddrohungen vorausgegangen. Im vergangenen März wurde der Bielefelder vor dem Landgericht wegen heimtückischen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Erstmals spricht jetzt der Sohn des Ehepaares über den Fall – und er erhebt schwere Vorwürfe. Wohlgemerkt nicht nur gegen seinen Vater, sondern auch gegen die Psychiatrie in Bethel. Denn die hatte seinen Vater zwei Tage vor der Tat abgewiesen. Deswegen habe der 30-Jährige nun das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB) wegen &bdquo;unterlassener Hilfeleistung" angezeigt. &bdquo;Hätte das Klinikum meinen Vater damals aufgenommen, wäre dieses Tötungsdelikt verhindert worden." Der sturzbetrunkene Vater wirkte "sehr verwirrt" An jenem Freitag, 29. Juli 2022, sei sein Vater besonders stark betrunken, aber auch ungewöhnlich verzweifelt gewesen, erinnert sich der Sohn, der in der Nähe seines Elternhauses wohnt. Der Vater hatte ihn angerufen, wollte Hilfe. Erst wenige Tage zuvor hatte er von der Affäre seiner Ehefrau erfahren. Nach Angaben des Sohnes hatte sich in dieser Woche alles überschlagen. Er selbst hatte erst in dieser Woche davon erfahren, dass der Vater im Suff seine Mutter geschlagen und bedroht hatte, dass es mehrere Polizeieinsätze im Haus seiner Eltern gegeben habe. In einem Fall habe sein Vater die Tür zu seiner Mutter mit einer Axt eingeschlagen. Seitdem machte sich der gelernte Servicetechniker große Sorgen, so der 30-Jährige, dass er bei der nächsten Eskalation ins Gefängnis müsse. Sohn schildert Eskalation mit Ehekrise und Gewalt mit einer Axt Als er den Vater abholte, sei der richtig verwirrt gewesen. Die Notrufzentrale hatte abgelehnt, ihn abzuholen, weil der 51-Jährige noch stehen und gehen konnte. Ein Alkoholnotfall sei das nicht, hieß es. Also nahm ihn der Sohn mit zur Psychiatrie. Mit sehr viel Zureden und einem am Boden um Hilfe rufenden Vater (er hatte mehr als 2 Promille) sei es dort gelungen, eine Ärztin zu sprechen. &bdquo;Doch die wollte ihn nicht aufnehmen, den Eindruck hatte ich vom ersten Moment." Ich habe ihr von der ganzen Situation berichtet – von der Affäre, der häuslichen Gewalt mit der Axt, seiner Verzweiflung. Die Ärztin habe aber darauf gedrängt, dass der 51-Jährige woanders privat unterkomme: &bdquo;Ich hatte meinen Vater bereits drei Tage bei seiner Schwester untergebracht." Doch das sei an diesem Wochenende nicht möglich gewesen. &bdquo;Auch zu mir konnte er nicht – wegen unserer kleinen Tochter." Die Psychiatrie weist Vater und Sohn ab Schließlich müssen Vater und Sohn wieder abziehen. Sie sollen sich am Montag bei der Ambulanz vorstellen. Doch dazu kommt es nicht mehr. Am Sonntagmorgen um 9.03 Uhr – das dokumentieren Überwachungskameras – ersticht der 51-Jährige seine heimkommende Ehefrau mit zwei Messern. Er hatte 2,7 Promille Alkohol im Blut. Wäre er auf der Station aufgenommen worden, wäre es nicht zu der Tat gekommen. Das steht fest. Aber war die Tat vorhersehbar? Weder der Sohn noch die Schwester des Täters hatten mit so einer Gewalteskalation gerechnet. Der Servicetechniker sei so große Mengen Alkohol gewohnt gewesen, so dass auch die Klinik die Gefahr nicht erkannt habe, hieß es später vom Gericht. Das Klinikum Bethel betont, dass der Sohn das Behandlungskonzept mitgetragen habe Wie das EvKB auf Anfrage mitteilt: &bdquo;Bei der individuellen Untersuchung des Patienten wurde eine langjährig bestehende Alkoholerkrankung diagnostiziert. Eine Eigen- oder Fremdgefährdung war nicht erkennbar." Alkoholiker mit langer Vorgeschichte können selbst bei hohem Alkoholisierungsgrad einen guten Eindruck hinterlassen. Deshalb sei mit dem Patienten und dem Sohn vereinbart worden, dass sich der 51-Jährige am nächsten Werktag in der Suchtambulanz vorstellen soll – weiterhin mit der Möglichkeit einer stationären Aufnahme. Eine Sprecherin betont: &bdquo;Der Sohn hat das Behandlungskonzept mitgetragen und die Unterstützung seines Vaters zugesagt." Der Sohn entgegnet, dass er Schlaftabletten zur Beruhigung mitbekommen habe, die man nicht zusammen mit Alkohol einnehmen dürfe: &bdquo;Meine größte Sorge war sein total verzweifelter Zustand. Er stand völlig neben der Spur." Trotzdem habe auch er eine solche Tat nicht für möglich gehalten. &bdquo;Ich wusste, dass es eine harte Zeit werden würde. Aber ich dachte, das würde mit einer Scheidung enden." Bielefelder (30): "Mein Vater hat unsere ganze Familie zerstört" Auf die Frage, was er sage, wenn ihn andere dafür kritisieren, dass seine Strafanzeige nur die Verantwortung des Täters auf andere verschieben soll, entgegnet der 30-Jährige: &bdquo;Ich kann nachvollziehen, wenn das andere so sehen. Aber wir fragen uns täglich, wie hätte diese Tat verhindert werden können?" Weil weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht die ausgebliebene Hilfe zum Anlass genommen hatte, in der Sache zu ermitteln, habe er jetzt diese Strafanzeige erstattet. &bdquo;Mein Vater hat nicht nur unsere Mutter getötet, er hat unsere ganze Familie zerstört", sagt der 30-Jährige. &bdquo;Deshalb ist es richtig, dass er eine Strafe absitzen muss. Trotzdem wurden aus meiner Sicht auch Fehler gemacht." Die Verteidiger des 51-Jährigen hätten inzwischen Revision gegen das Mordurteil eingelegt. Sie hatten auf Totschlag plädiert. Sein noch nicht rechtskräftig verurteilter Vater sei inzwischen – nach einem Jahr im Gefängnis – stabiler. Trotzdem gebe es immer wieder Gefühlszusammenbrüche, sagt der Sohn. Dem EvKB liegt die Strafanzeige bisher noch nicht vor. Die Polizei bestätigt ihren Eingang. Weitere Auskünfte zu möglichen Ermittlungen der Kripo seien aber noch nicht möglich. Zum Thema: Getötete Ehefrau: Warum das Bielefelder Hilfesystem versagte

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