Jeder hat eine andere Version von der Bluttat auf dem Bielefelder Kesselbrink

Bielefeld. Im Juli 2021 war es an einem Sonntagnachmittag auf dem Kesselbrink zu einer körperlichen Auseinandersetzung zweier Männer gekommen, in deren Verlauf einer der Beteiligten durch Schnitte mit einer Glasscherbe potenziell lebensgefährliche Verletzungen erlitten hatte. Ein 30 Jahre alter Bielefelder muss sich nun wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung vor dem Amtsgericht verantworten. Fest steht, dass sich der nun angeklagte Firas B. (Namen aller Betroffenen geändert) am 4. Juli gemeinsam mit seiner damaligen Freundin in der Nähe des Grünen Würfels auf dem Kesselbrink aufhielt. Es spricht auch viel dafür, dass der gebürtig aus dem Irak stammende Mann dort von dem stark alkoholisierten Oliver P. (34) zunächst provoziert und dann auch angegriffen wurde. Doch wie es schließlich zu der schweren Verletzung des Letztgenannten kam, dazu gehen die Aussagen auseinander. Firas B. lebt seit 2015 in der Bundesrepublik. Dafür spricht er ausgesprochen gutes Deutsch. Davon machte er vor Gericht jedoch nur relativ wenig Gebrauch: Sein Mandant werde sich, so Verteidiger Alexander Strato zu Beginn der Verhandlung, zu dem Vorwurf nicht äußern. Dafür schildert die damalige Freundin des Angeklagten ihre Erinnerungen an den bald zwei Jahre zurückliegenden Vorfall. Sie hätten, so die 24-Jährige, auf dem Kesselbrink gesessen, als der ihnen bis dahin unbekannte und offenbar stark alkoholisierte Oliver P. auf sie zugegangen sei. Dieser habe Firas B. provoziert und mit den Worten "Komm, lass mal boxen" zu Kampf aufgefordert. Ein Zeuge will gesehen haben, dass Firas B. mit einer Flasche zuschlug - schränkt dies jedoch sofort wieder ein Dies habe B. zunächst noch weitgehend ignoriert. Als sich die beiden Männer schließlich jedoch gegenüberstanden, habe "der Besoffene" dem Angeklagten unvermittelt mit einer Bierflasche aufs Auge und, als dieser sich wegduckte, zusätzlich nochmal auf den Hinterkopf geschlagen. Dabei sei die Flasche in der Hand des Angreifers kaputtgegangen. "Firas hat sofort total geblutet", sagte die Zeugin aus. Als der getroffene B. sich wegdrehte, habe es für sie so ausgesehen, als suche Oliver P. den Boden nach weiteren Flaschen oder Flaschenresten ab. Sie habe einen weiteren Angriff befürchtet und nur geschrien "Pass auf, pass auf!", berichtete die Zeugin. Darauf habe sich ihr Ex-Freund umgedreht und P. von sich weg geschubst. "Der Mann verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Mehrere Leute kamen hinzugelaufen. Wir haben einen Krankenwagen gerufen. Die Polizei kam auch kurz darauf". Sie habe keine Erklärung für die schwere Verletzung, die Oliver P. davongetragen habe, so die 24-Jährige. Möglicherweise sei er bei dem Sturz in eine Glasscherbe gefallen, von denen es dort reichlich gegeben habe. Fest steht, dass Oliver B. mit einer Schnittverletzung im Halsbereich ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Eine Arterie war verletzt, akute Lebensgefahr bestand jedoch nicht. Allerdings wäre er, wäre die Verletzung nicht versorgt worden, im Verlauf weniger Stunden verblutet. Der Version der Ex-Freundin des Angeklagten widersprach ein weiterer Zeuge insofern, als dass er meinte gesehen zu haben, dass jemand mit einer Flasche zugeschlagen und Oliver P. danach auf dem Boden gelegen habe. Allerdings räumte dieser Zeuge auch ein, einige Distanz zum Geschehen gehabt zu haben, selber nicht nüchtern gewesen zu sein und wohl auch nur das Ende der Auseinandersetzung gesehen zu haben. Die Aussage des Schwerverletzten wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet Und Oliver P.? Der will an all das keine Erinnerung mehr haben. Zunächst hatte er sich morgens geweigert, sich von Justizbediensteten aus der JVA, in der er in anderer Sache gerade einsitzt, zur Verhandlung bringen zu lassen. Als er schließlich doch vorgeführt wurde, gab er zunächst an, keine Aussage machen zu wollen. Dies schränkte er dann jedoch zumindest insofern ein, als dass er erklärte, keinerlei Erinnerung mehr an den Vorfall zu haben. Er schaute sich Firas B. genau an und sagte: "Ich habe den Herrn noch niegesehen." Im Krankenhaus sei er aufgewacht und dann seiner Wege gegangen: "Ich habe nichts gefragt." Er könne sich, so P., an nichts erinnern. Aber es könne durchaus sein, "dass ich manchmal herum pöbel, wenn ich betrunken bin. Vermutlich war ich auch unter Drogen." Auf die Anmerkung von Richter Lars Herzog, dass P. immerhin eine potenziell lebensgefährliche Verletzung davongetragen haben soll, sagte dieser nur: "Ich weiß nicht, was passiert ist. Und wenn ich nach zwei, drei Stunden vielleicht verblutet wäre, wäre es eben so gewesen." Der Prozess wird am 24. Mai fortgesetzt.

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