Gewagt: Bielefelder NW-Mitarbeiter läuft völlig untrainiert den Hermannslauf

Bielefeld. So schwer kann das doch wohl nicht sein, denke ich mir, als mich meine Kollegen völlig entgeistert anschauen, so als wäre meine Idee, den Hermann mitzulaufen, kompletter Schwachsinn – zwei von ihnen brechen gar in spöttisches Gelächter aus. Gänzlich verübeln kann ich es ihnen aber nicht: Ich nehme schließlich komplett untrainiert und ohne jegliche Vorbereitung teil. Aber hey, es sind ja auch nur 31,1 Kilometer. Die zähle ich ja wohl locker runter. Ich glaube fest daran! Auch wenn das Wörtchen untrainiert eigentlich noch völlig übertrieben ist. Ich bin ein richtiger Sportmuffel – seit meiner letzten Sportstunde in der Schule im Jahre 2015 habe ich keine Sporthalle mehr von innen gesehen. Mannschaftssport oder Sportstudios sind mir fremd, lediglich aufs Fahrrad schwinge ich mich ab und zu mal, um zur Arbeit zu kommen. Das war’s dann aber auch. Mein Vorteil: &bdquo;Du siehst aus wie ein Läufer“, sagt Matthäus Gruben, der seit Jahren den Hermannslauf mit organisiert und Lauftrainer des TSVE ist. Und ja: Aussehen ist nicht alles, aber ich habe laut Gruben noch ein zweites Ass im Ärmel. &bdquo;Du bist jung.“ Dass ich ausgerechnet am Tag des Hermanns ein Jahr älter werde und mit meinen dann 27 Jahren langsam aber sicher doch die ein oder anderen Gelenke spüre, habe ich ihm natürlich nicht verraten. Deprimierende Worte: Niemand glaubt, dass ich im Ziel ankommen werde Das Problem ist nicht einmal unbedingt die Distanz, sagt Gruben. Es sind die zu überwindenden Höhenmeter, die Bergan- und vor allem die Bergabstiege, die Treppen und die verschiedenen Bodenbeläge – von normalem Asphalt, über Sandboden bis hin zu Kopfsteinpflaster. Auch für Profis sei der Hermannslauf eine echte Herausforderung, nicht umsonst glauben viele, sie wären statt der 31 Kilometer einen ganzen Marathon (42,195 Kilometer) gelaufen. Dass ich überhaupt im Ziel ankommen werde, halten sowohl meine Kollegen als auch Gruben für ausgeschlossen. &bdquo;Ich wäre sehr erstaunt, wenn das passiert“, sagt der Experte. Spätestens in Oerlinghausen sei für mich Schluss. Festgenagelt auf eine Zielzeit sagt er: &bdquo;5 Stunden. Minimum.“ 5 Stunden? Da ist die Siegerehrung und das große Spektakel an der Sparrenburg schon längst wieder vorbei. Als ob ich so lange brauchen werde. Das kommt mir auch als Laie doch ein bisschen lang vor. Ich sage: Spätestens nach 3:30 Stunden habe ich den Hermann besiegt. Laufexperte würde mich am liebsten vom Start abhalten Mit meiner naiven und durchaus eher belustigenden Haltung möchte ich übrigens niemanden diskreditieren oder gar verletzen. Ich habe größten Respekt vor allen, die sich, teils jahrelang, auf den Hermannslauf vorbereiten. Mein Ziel: Kampfgeist beweisen und meine Grenzen austesten. Am liebsten würde mich Gruben übrigens vom Start abhalten. Zu hoch sei das Risiko, dass ich schlappmache und der Sanitätsdienst eingreifen muss. Entweder weil mein Kreislauf versagt oder meine Beine nicht mehr mitmachen. &bdquo;Du wirst Montag keine Treppen mehr gehen können, und auch der Toilettengang wird zur Qual“, sagt Gruben. &bdquo;Hinsetzen ist nicht.“ Sorgen, dass ich etwa langfristige gesundheitliche Schäden davontrage, muss ich mir allerdings nicht machen. &bdquo;Das sind Überlastungsverletzungen, die gehen wieder weg.“ Apropos gehen: Wenn ich es wirklich bis zur Sparrenburg schaffen möchte, sagt Gruben, muss ich immer dann, wenn es bergauf und bergab geht, gehen statt laufen. Für mich schwer vorstellbar. Während am Streckenrand die Massen jubeln, soll ich ganz entspannt herumschlendern? Wohl eher nicht. Zumal es ja fast nur hoch und runter geht. Weicheiroute kommt für mich nicht in Frage Gruben: &bdquo;Beim Hermann gilt aber eben nicht, was ich hab, hab ich.“ Schon am Start sei für viele Läufer die Messe gelesen, weil sie zu schnell anlaufen würden. &bdquo;Die nehmen einen Kredit auf, den sie das ganze Rennen über nicht mehr abbezahlt kriegen“, sagt er. Die beste Taktik, gerade für Anfänger, ist und bleibt ein Wechsel aus Laufen und Gehen. Bei Kilometer 19, am Schopketal, beginnt nach Gruben der eigentliche Hermann. Bis dahin sei alles Kindergarten. Einer der kritischsten Punkte sind die dann kommenden Lämershagener Treppen. &bdquo;Du läufst danach auf jeden Fall rechtsrum die Weicheiroute und nimmst nicht noch die zweiten Treppen“, befiehlt er. Natürlich nehme ich nicht die Weicheiroute. Wo kämen wir denn da hin. Ein bisschen anstrengend darf der Lauf ja durchaus werden. Ein Rat, den ich allerdings sehr gerne annehme: an jeder Verpflegungsstation etwas trinken und essen. Jetzt heißt es für mich aber erst einmal entspannen. Ich möchte ja schließlich fit sein für Sonntag.

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