Eine derbe Klatsche für Rot-Grün-Rot in Bielefeld

Bielefeld. Man kann sagen: Man glaubt nur der Umfrage, die man selbst in Auftrag gegeben hat. Dann hätte die FDP in dieser Woche einen netten PR-Gag in eigener Sache gelandet, und gut ist es. Aber das wäre zu einfach. Die von ihr initiierte Umfrage zur Arbeit im Rathaus ist fachlich sauber und repräsentativ, das Ergebnis umso erschreckender: 60 Prozent der befragten Wahlberechtigten sind unzufrieden damit, was da gerade in der Kommunalpolitik passiert. Jeder Dritte beklagt eine &bdquo;völlig überzogene“ Verkehrspolitik. Der Stadtbahnausbau gehe zu langsam voran. Es gebe zu wenig Wohnungen, dafür eine zu hohe Kriminalität. Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner fasst das so zusammen: &bdquo;Für die derzeitige Rathauspolitik gibt es keinen Rückhalt.“ Eine Partei muss bei diesem Ergebnis besonders aufhorchen, und das ist die SPD. Sie ist die stärkste Kraft im regierenden rot-grün-roten Rathausbündnis und stellt mit Pit Clausen auch den Oberbürgermeister. 61 Prozent der Befragten können sich vorstellen, SPD zu wählen. Das ist der beste Wert aller Parteien in Bielefeld. Aber gleichzeitig sind 40 Prozent der eigenen Anhänger unzufrieden mit ihrer Arbeit. Der OB kommt mit 45 Prozent auf einen noch schlechteren Wert. Eigene Anhänger unzufrieden Was ist da los? Bei der jüngsten Landtagswahl in Bielefeld erzielten die Sozialdemokraten ihr bestes Ergebnis im Wahlbezirk Kammerratsheide nordöstlich der Innenstadt. Eigentlich sind die SPD-Resultate in dem Viertel immer überdurchschnittlich. Dort ist die Lastenfahrrad-Dichte gering, gibt es keine schicken Altbau-Etagen wie rund um den tiefgrünen Siegfriedplatz, und der nächste Bio-Laden ist fußläufig nicht erreichbar. Dort wohnen Leute, die vielleicht nicht alle überdurchschnittlich viel verdienen, sich aber bescheidenen Wohlstand erarbeitet haben. Den wollen sie sich und ihren Kindern erhalten. Ob da ihr größtes Interesse darin besteht, dass es Menstruationsartikel in öffentlichen Toiletten gibt? Ob sie tatsächlich gegen den Ausbau der Herforder Straße zwischen Rabenhof und Brake sind, wo sie dort doch vielleicht jeden Tag im Stau stehen? Über solche Themen diskutieren die Sozialdemokraten im Rat mit ihren Partnern von Grünen und Linkspartei, und das geht zuweilen an der Lebenswirklichkeit der eigenen Klientel vorbei. Kammerratsheide ist sozialdemokratisches Kernland. Dort wählen viele SPD, weil sie es schon immer getan haben. Aber möglicherweise wachsen auch dort bei manchen die Zweifel. Wenn dann dazu kommt, dass Ratsfraktion und Oberbürgermeister in ihren Ansichten immer häufiger auseinanderliegen, dann erklärt das auch die hohe Unzufriedenheit von SPD-Anhängern mit der Lokalpolitik. Beim Museumsdepot folgt die SPD ihrem OB nicht, will gegen dessen Überzeugung im Jahnplatztunnel ein Jugendzentrum unterbringen, und auch Clausens Vorschlag, auf den Ausbau des Gymnasiums am Waldhof zu verzichten, hat schon den Widerspruch der Fraktion hervorgerufen. Richtiger Schwerpunkt Dessen Vorsitzender Riza Öztürk hat zu Beginn der Wahlperiode betont, er wolle das Soziale und die Interessen der kleinen Leute in den Mittelpunkt der SPD-Politik stellen. Ein richtiger Gedanke, wenn man ihn etwas weiter fasst. Die Menschen in Kammerratsheide würden es ihm schon danken, wenn sie für ihre Kinder genügend Kita- und Grundschulplätze finden, die Stadtbahn pünktlich fährt oder die Wohnung bezahlbar bleibt. Die Hälfte der Wahlperiode ist um. Die FDP-Umfrage hat zutage gefördert, dass es in der Stadt eine Grund-Unzufriedenheit mit der Rathaus-Politik gibt. Diejenigen, die dabei am meisten verlieren könnten, sind die, die die Stadt seit Jahrzehnten entscheidend prägen und eigentlich noch immer viele Sympathien besitzen: die Sozialdemokraten. Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Anregungen unter michael.schlaeger@nw.de

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