Bielefeld

Bravo und Bravissimo für die Bielefelder Philharmoniker

Einen „italienischen“ Abend der Superlative erlebten die Besucher der Oetkerhalle. Soloviolinistin Lena Neubauer brilliert fulminant auf ihrem Instrument.

Die Bielefelder Philharmoniker wieder in Bestform. | © Mike-Dennis Müller / www.mdm.photo

19.03.2023 | 19.03.2023, 11:17

Bielefeld. Wer am Freitagabend beim Abonnement-Konzert der Bielefelder Philharmoniker in der gut gefüllten Rudolf-Oetker-Halle war, erhielt ein großartiges Geschenk: Ein im besten Sinne des Wortes „schönes Programm“, das so recht Laune auf Wärme und Urlaub machte, und ein bestens aufgelegtes Orchester, das alles aufbot, was man sich vorstellen kann.

Dass Hector Berlioz den römischen Karneval nicht mochte, ist seiner gleichnamigen Konzertouvertüre nicht anzumerken. Sie gehört zu seiner Oper „Benvenuto Cellini“, aus deren erstem Akt er eine Arie dem Englischhorn zuwies, dessen berückender Klang sofort einnimmt. Schon hier kann man Berlioz` meisterhafte Instrumentationskunst bewundern. Der zweite schnelle Teil des kurzen Werkes ist ein überschwänglicher Tanz mit einem Schluss der Blechbläser, der einen im Überraschungseffekt und in der Energie schier umhaut. Ein kraftvoller lebendiger Konzertauftakt!

Es folgt das dritte Violinkonzert von Camille Saint-Saëns, der sich mehrfach vergeblich um den begehrten Rom-Preis, ein wichtiges Stipendium, bemüht hatte. Das Konzert gehört zu den meistgespielten der Violinliteratur, es setzt weniger auf zur Schau gestellte Virtuosität denn auf Noblesse und Feinheit. Oft entwickelt sich das musikalische Geschehen im Dialog mit dem Orchester.

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Soloviolinistin Lena Neudauer

Die international tätige und in München als Professorin lehrende Lena Neudauer spielt mit wunderschönem Ton, besonders anmutig gelingt das Zusammenspiel mit den Holzbläsern im zweiten Satz, die Kombination Solo-Violine/Klarinette erwirkt einen aparten klanglichen Effekt. Im dritten Satz erklingen immer wieder choralhafte Motive, die von den ersten Geigen auf die Solovioline, später auf die Blechbläser übergehen, bevor es in einen effektvoll-virtuosen Schluss geht.

Das Publikum ist hocherfreut und erklatscht sich eine passende Zugabe: „Obsession“ des Geigers und Komponisten Eugène Ysaÿe verbindet Zitate aus Bachs E-Dur-Partita mit dem liturgischen „Dies irae“, Neudauer kann auch hier ihre Meisterschaft zeigen.

Nach der Pause geht es wieder zurück nach Italien. Ottorino Respighis Zyklen „Römische Brunnen“ und „Pinien von Rom“ sind Programmmusik von „fast baedekerhaften Bildhaftigkeit“ (A. Beaujean). Wie gut, dass GMD Alexander Kalajdzic die Spannung über die beiden Satzfolgen überbrückt, so wirkt die Musik wie die Aneinanderreihung von Filmszenen.

Plätscherndes Wasser und duftendes Gehölz

Die vier Sätze über die Brunnen sind kontrastreich gestaltet: Zu Beginn wird eine ruhige Morgenstimmung gezeichnet, nach einem Triller im ganzen Orchester geht es um den Tritonenbrunnen, ein pompöses Stück mit vielen Fanfaren, auch die Orgel wird hinzugenommen, als das Orchester nicht mehr lauter spielen kann. Der Klang flutet den Saal, man kann sich immer wieder an neuen Klangkombinationen erfreuen, beispielsweise bei der Abendstimmung beim Medici-Brunnen, die mit Harfe, Glocken und Glockenspiel untermalt wird.

Sitzende Höchstleistungen für stehende Ovationen. - © Mike-Dennis Müller / www.mdm.photo
Sitzende Höchstleistungen für stehende Ovationen. | © Mike-Dennis Müller / www.mdm.photo

Für die Bielefelder Philharmoniker ist das eine einzige Steilvorlage, alle Beteiligten musizieren mit sichtlichem Vergnügen. Auch die „Pinien“ haben einen hohen Unterhaltungswert: Im ersten Satz hört man Kinder Ringelreihen spielen, sie werden scheinbar von Autohupen gestört (vielleicht war das ein Vorbild für Gershwins „Ein Amerikaner in Paris“?). Dann gibt es einen abrupten Wechsel zu den Pinien vor den Katakomben. Scheinbar sinkt die Temperatur um 20 Grad, man vermeint feuchtkalte Luft aus den Gräbern zu atmen, feierliche Gesänge in tiefer Lage machen die Szene plastisch.

Kontrabassisten erinnern an Galeerensklaven

Im Orchester wird im weiteren Verlauf alles aufgefahren, was möglich ist: Klavier, Vogelgezwitscher aus dem Raum über der Bühne, viel Schlagwerk. Für den letzten Satz („Pinien an der Via Appia“) spielen Blechbläser von beiden Seitenemporen und ergänzen den Klang von der Bühne. So intensiv hat man die Kontrabassspieler selten agieren sehen, sie erinnern in ihrem Tun an römische Galeerensklaven.

Natürlich kann man diesen sich ins Unermessliche steigernden Triumphmarsch als Anbiederung Respighis an die damaligen faschistischen Machthaber verstehen, man kann ihn aber auch einfach als großes überwältigendes akustisches Gemälde erspüren. Das Bielefelder Publikum hält es nicht von den Sitzen und überschüttet alle Beteiligten mit donnerndem Applaus. Für die hervorragenden solistischen Auftritte sei hier stellvertretend Marie-Christine Gitman (Englischhorn) genannt.