So lecker schmeckt es in der Bielefelder Vesperkirche

Bielefeld. Neue Leute kennen lernen, gemeinsam lecker essen und dann noch auf einen Kaffee ein paar Meter weiter – das klingt nach einem schönen Sonntagsprogramm. Also auf in die Vesperkirche, für die nun wieder zwei Wochen lang immer mittags die Neustädter Marienkirche zwischen Kreuzstraße und Papenmarkt geöffnet ist. Der Weg dorthin ist nicht allzu schwer zu finden. Und dann? Ein kleines weißes Zelt an der Längsseite des großen Gotteshauses fällt mir als erstes auf. Darin hantieren Katrin Buschkämper vom Kirchenkreis Bielefeld, Helmut Fricke und Michael Bode mit allerlei Gläsern und Geschirr, nehmen voll beladene Tabletts entgegen, räumen die superschnelle Industriespülmaschine ein und aus. Alle drei in kleidsamer grasgrüner Schürze mit &bdquo;Vesperkirche“-Aufdruck, die ich an diesem Mittag noch öfters zu sehen bekomme. Das Trio arbeitet Hand in Hand und hat viel Spaß dabei. Aber in die Kirche hinein geht es hier nicht. Also weiter. Am Westportal weist ein Plakat mit einem handschriftlich in Blau geschriebenen Hinweis (&bdquo;Willkommen“) zum Nordeingang. Davor steht ebenfalls ein weißes Zelt, innen mit zwölf Holzstühlen bestückt. &bdquo;Die ersten Besucher waren schon anderthalb Stunden vorher hier, deshalb haben wir das aufgebaut“, erklärt Sozialpfarrer Matthias Blomeier. Er bildet im Eingangsbereich hinter dem Nordportal zusammen mit Gemeindepfarrerin Christel Weber das Begrüßungskomitee, beide geben eine erste Orientierung: rechts essen (an weiß gedeckten Tischen à acht Plätze), links Kaffeetrinken, und dahinter, in der Marienkapelle links, sind Gesellschaftsspiele bereitgestellt. Weitere Spenden willkommen An der transparenten Spendenbox vorbei – die Vesperkirche kostet &bdquo;einen höheren fünfstelligen Betrag“, und weitere Spenden sind sehr willkommen – warten mehrere grünbeschürzte Ehrenamtliche (insgesamt haben sich 322 Freiwillige gemeldet), um die Gäste in Achtergruppen an die Tische zu geleiten. Und um sicherzustellen, dass sich auch wirklich unterschiedliche Leute treffen. &bdquo;Das eine ist das Vespern, also Essen, aber genauso wichtig ist die Begegnung von Menschen, die sich noch nicht kennen“, formuliert Tobias Nehls vom Referat Kommunikation des Kirchenkreises kurz und knapp die Schwerpunkte der Aktion. Auf einer kleinen Tafel wird das Essen verraten, das, frisch gekocht von der Lohöfener Landküche in Werther, angeliefert wird: täglich 400 Portionen, mit und ohne Fleisch, heute (gut gewürzter) Gemüsereis oder Hackbraten mit Wirsing-Rahmgemüse und Salzkartoffeln. Als Nachtisch Obst oder Kuchen, dazu Mineralwasser. Wer in den nächsten Tagen kommt, muss sich überraschen lassen; vorab wird das Menü nicht verraten. Querschnitt durch die Bevölkerung Vor dem Vespern schaue ich noch rasch bei der Essensausgabe vorbei. Hinter einem langen Tisch an der Wand sind Daniela Kluge, Anna Pieschniek und weitere Unterstützer damit beschäftigt, die Teller zu füllen. Nancy Herold, ebenfalls ehrenamtlich dabei und eigentlich gut beschäftigt, erzählt zwischendurch schnell, dass sie sich seit 2020 hier engagiert. &bdquo;Ich fand die Idee einfach gut, es ist ein richtiger Querschnitt durch die Bevölkerung.“ Der städtische Sozialdezernent Ingo Nürnberger sticht schon durch seine Größe hervor. Er gehört heute zum Servierteam, grüßt, lächelt und ist ebenfalls sehr aktiv. Überhaupt klappt die Organisation beeindruckend gut. Für unseren Tisch (Nr. 12, direkt vor der Orgel) sind rasch acht Leute zusammen, Redakteurin, Fotografin, ein Mann in mittleren Jahren und eine junge Familie, die mit dem Fahrrad gekommen ist – sie darf zusammenbleiben. Unser Oberkellner ist Vinzenco Copertino, den ich vor Jahren schon als CDU-Bezirksvertreter in Brackwede kennengelernt habe. &bdquo;Es macht einen Riesenspaß“, schwärmt er, &bdquo;das Konzept geht wirklich auf“. Und als Italiener stehe er natürlich voll dahinter: &bdquo;Wir wissen ja, Kommunikation und Essen gehören zusammen.“ Und viele Besucher tränken nachher noch einen Kaffee zusammen. An Tisch 12 sitzt eine muntere Truppe. Die Kinder – Margareta (4), Theodor (6) und Elisabeth (6) (&bdquo;Ich bin zwei Minuten älter“) – schauen sich mit großen Augen um, die Essens-Entscheidung geht schnell: Reis für Elisabeth, Hackfleisch für Theodor. Beides kommt gut an, auch wenn Theodor nicht so auf Rahm-Wirsing steht und Elisabeth sich dem Reis recht vorsichtig nähert (&bdquo;Zuhause gibt es sowas nicht“). Die kleine Schwester thront auf einem Kinderstuhl, für sie gibt’s einen leeren Teller, den Papa nach Wunsch füllt. Besonders die Kartoffeln haben es ihr angetan. Und das Mineralwasser. Theologieprofessor in Bethel Vater Markus Schmidt ist vor anderthalb Jahren mit seiner Frau Maria, einer Bildenden Künstlerin, und den Kindern nach Bielefeld gezogen. Aus beruflichen Gründen: Er arbeitet als Professor für Praktische Theologie und Diakoniewissenschaft an der Fachhochschule in Bethel und ist von Bielefeld ganz angetan. Auch dass es hier so viele Kunstschaffende gibt, hätte er nie erwartet. Elisabeth erzählt gerade von der Martinschule, auf die sie geht, und dass sie eine Frau entdeckt hat, die wie ihre Lehrerin aussieht – da wird das Gespräch durch einen lauten Gong unterbrochen. Es folgt ein &bdquo;Impuls“: eine kurze Andacht und dann kraftvolle Orgelmusik – ebenfalls kurz, doch sie gibt einen guten Eindruck von der faszinierenden Klangpalette, die dem großen Instrument entlockt werden kann. Auch die Familie ist begeistert. &bdquo;Herrlich“, sagt Maria Schmidt bewundernd. Während Töchterchen Margareta noch ein Schlückchen Wasser genießt, erzählt der junge Vater, dass er am Dienstag zusammen mit Studentinnen und Studenten das ehrenamtliche Team hier verstärken wird. So wird er die Vesperkirche aus beiden Perspektiven kennenlernen. Poetry-Slam, Theater, Konzert Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte: Die Vesperkirche ist täglich geöffnet, bis einschließlich 26. Februar, von 11.30 bis 14 Uhr. Zudem gibt’s sonntägliche Gottesdienste und an drei Abenden, jeweils 18 Uhr, Kultur: Valentinstag den Poetry-Slam &bdquo;Liebe und anderes Gedöns“, am 18. Februar das Theaterstück &bdquo;Ich brauch ’nen Euro“ und am 24. Februar, zum Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine, das Chorkonzert &bdquo;Make Peace not War“.

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