Held von Bielefeld: 75-Jähriger wird auf der A2 zum Helden

Bielefeld. Werner Treichel ist 75 Jahre alt und seit 50 Jahren als Lkw-Fahrer auf deutschen Autobahnen unterwegs. In dieser Zeit hat er bei rund 15.000 Kilometern pro Jahr auf dem Bock schon fast alles erlebt. Kurz vor Weihnachten wurde er auf der A2 bei Bielefeld direkter Augenzeuge eines schweren Unfalls – plötzlich war all sein Mut als Lebensretter gefragt. Er holte den bewusstlosen Fahrer aus seinem brennenden Führerhaus. Die Polizei lobte anschließend seinen selbstlosen Einsatz am Unfallort ausdrücklich. Polizeipräsidentin Sandra Müller-Steinhauer will ihm nun persönlich dafür danken. Es ist früh morgens am 23. Dezember auf der A2 (Richtung Hannover), als der 58-jährige Fahrer eines Tankzuges aus Hamm kurz nach 5.30 Uhr vor der Raststätte Lipperland-Süd die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert. &bdquo;Der wollte abfahren, ich war direkt dahinter“, erinnert sich Treichel. &bdquo;Doch dann bremste der überhaupt nicht. Kurz darauf knallte es schon.“ Bielefelder Schutzengel findet Fahrer bewusstlos am Steuer Die Zugmaschine prallte mit der linken Front in einen Betonteiler, die Fahrerseite wurde schwer beschädigt, die Reifen weggerissen, der Tank aufgerissen. Im Nu brannte es. &bdquo;Ich konnte gerade noch meinen Brummi bremsen, dann bin ich schon rausgesprungen“, sagt der 75-Jährige. Seit einem tödlichen Autobrand vor rund 30 Jahren, bei dem Treichel tatenlos zusehen musste, wie ein Soldat in seinem Wagen verbrannte, hat er immer einen Feuerlöscher dabei. Aber in diesem Moment verzichtet der 75-Jährige auf das Löschgerät. Er umrundet das schräge liegende Führerhaus, um über die Beifahrertür zum Fahrer vordringen zu können. Der 58-Jährige hängt nach der Kollision zusammengesackt über seinem Lenkrad. &bdquo;Ich habe ihn angeschrien: Hilf mir!'“ Aber dazu war der Schwerverletzte nicht mehr in der Lage. &bdquo;Er hat nur gestöhnt und ist wieder nach vorne gekippt.“ Nach einer Verpuffung brennt auf der A2 das ganze Führerhaus Der 1,65 Meter große Helfer aus Eschershausen im Kreis Holzminden verliert nun keine Zeit mehr. Obwohl der Mann am Steuer groß und schwer ist, schnallt er den Lkw-Fahrer ab und hievt ihn aus dem Fahrzeug. &bdquo;In dem Moment kam schon der Rauch ins Innere. Ich habe ihn deshalb gepackt und recht unsanft nach unten auf die Straße gezogen“, erinnert sich der Lebensretter. Seine Hilfe kommt keine Sekunde zu früh. Kaum hat Treichel den Verletzten ein paar Meter vom Fahrzeug weggeschleppt, kommt es zu einem ohrenbetäubenden Knall. Offenbar eine Verpuffung: &bdquo;Plötzlich brannte das Führerhaus auf allen Seiten.“ Als ihm ein anderer Verkehrsteilnehmer entgegenkommt, ruft Treichel: &bdquo;Hilf mir, den Verletzten weiter wegzubekommen.“ Doch der Mann dreht wieder ab, weil er befürchtet, der Kessel mit der unbekannten Ladung könnte in die Luft fliegen. Da kann ihm der benommene Fahrer zuraunen, dass er nur Essig geladen hat. Zum Glück keine brennbare oder explosive Ladung. Treichel bleibt also allein bei dem Schwerverletzten, bis endlich Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst am Unfallort eintreffen. &bdquo;Die waren ruckzuck da. Das war sagenhaft“, lobt der 75-Jährige. Persönlicher Dank der Bielefelder Polizeipräsidentin Im WDR-Interview lobt ihn wiederum die Einsatzleiterin der Autobahnpolizei: &bdquo;Ohne die schnelle und bedachte Hilfe von Herrn Treichel hätte der Fahrer nicht überlebt.“ Tatsächlich brennt die Zugmaschine kurz darauf komplett aus. Immer wieder erlebe sie, dass Zeugen Angst davor hätten, als Helfer etwas falsch zu machen. Dieser Fall zeige aber, dass es vor allem falsch sei, gar nichts zu machen. Auch die Feuerwehr lobte den 75-jährigen Niedersachsen für seinen Einsatz noch am Unfallort. Jetzt habe ihn auch Bielefelds Polizeipräsidentin Sandra Müller-Steinhauer eingeladen, um ihm persönlich zu danken. In seinem Heimatort sei er nach der Berichterstattung sogar eine kleine Berühmtheit: &bdquo;Ich werde neuerdings oft darauf angesprochen.“ Der Berufskraftfahrer bleibt dabei aber bescheiden: &bdquo;Angst hatte ich überhaupt nicht. Ich habe das gemacht, was man in so einer Situation eben tun muss. Mehr nicht.“ Erst hinterher habe er realisiert, wie knapp alles gewesen sei. Ihn ärgere allerdings, wie viele Unfallzeugen sich an der dicht befahrenen A2 an diesem Morgen anders verhalten haben. &bdquo;Es ist schlimm, dass so viele einfach wegschauen. Ich habe es ein Mal erlebt, wie es ist, einem Menschen in einem brennenden Auto nicht mehr helfen zu können. Diese Bilder werde ich nie vergessen.“ Damals hatte sich der Wagen nach der Kollision mit der beginnenden Leitplanke in die Höhe katapultiert und war meterweit geflogen, bevor er komplett in Flammen aufging. Der Fahrer hatte Treichel gerade erst überholt, als es passierte. Der Unfallfahrer hat großes Glück gehabt Umso glücklicher ist Werner Treichel heute, dass es dieses Mal – einen Tag vor Weihnachten – gut ausgegangen ist. Am Samstag bekam er einen Anruf vom 58-jährigen Unfallopfer aus Hamm. Er sei mit Knochenbrüchen und einem angeknacksten Wirbel davongekommen. &bdquo;Er hat sich bei mir bedankt. Er hat wirklich großes Glück gehabt.“

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