In Bielefeld gibt der nächste ambulante Pflegedienst auf

Bielefeld. Es ist bedenkliche Häufung von schlechten Nachrichten aus dem Pflegebereich in Bielefeld: Nach den Insolvenzen einer Wohnungsgesellschaft und eines Altenheims des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sowie des großen Pflegedienstes &bdquo;Alt und Jung Nord-Ost“ streicht nun der nächste die Segel. Die Gesellschaft für Sozialarbeit (GfS) Bielefeld gibt ihren ambulanten Pflegedienst auf. 37 Kunden müssen sich nach einem neuen Pflegedienst umschauen. &bdquo;Die Situation auf dem Markt spitzt sich zu“, meint Klaus Wingenfeld. Der Geschäftsführer des Instituts für Pflegewissenschaften an der Universität Bielefeld beobachtet die Lage genau, macht sich ernsthafte Sorgen und glaubt, dass es dringend Zeit für Veränderung ist. Die GfS hat 1.000 Mitarbeitende und unterstützt jährlich rund 6.300 Menschen im Alltag und in Krisensituationen. Sie betreibt Kitas und Treffpunkte, unterhält Beratungsstellen. Seit 1995 gehört auch ein ambulanter Pflegedienst zu den vielfältigen Angeboten. Aber schon seit langem sei dieser Bereich nicht mehr auskömmlich zu finanzieren, betont Thomas Brandauer, Vorstandsvorsitzender der GfS. Als Gründe nennt er die Tarifbindung für Pflegepersonal, die im Gegenzug jedoch seitens der Kostenträger nicht vollständig refinanziert werde. Weitere hohe gesetzlichen Anforderungen und der Fachkräftemangel kämen hinzu. Ähnliche Problemlagen hatte der Verein &bdquo;Alt und Jung Nord-Ost“, der rund 400 Kunden betreut, als Gründe für die Insolvenz genannt. Aber auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die sich als Partner der städtischen BGW zum Jahresende aus dem Bielefelder Modell an der Jöllenbecker Straße zurückzieht. Auch andere soziale Träger sind in Finanznot, wie die DRK-Wohnungsgesellschaft Soziales Wohnen und das Martha-Stapenhorst-Altenheim des Roten Kreuzes. Hohes Defizit für GfS nicht zu verantworten Man habe intensiv verschiedenen Szenarien durchgespielt – von einer Sanierung bis zur Schließung der ambulanten Pflege. Letzteres sei jedoch &bdquo;wirtschaftlich nicht darstellbar und das hohe Defizit für die gesamte GfS nicht mehr zu verantworten“, erklärt Thomas Brandauer. Daher habe der Aufsichtsrat, auf Empfehlung des Vorstandes, jetzt den Beschluss gefasst, diesen Angebot zum nächstmöglichen Zeitpunkt einzustellen. Das genaue Datum hänge unter anderem von den Versorgungsverträgen ab. &bdquo;Bundesweit geraten immer mehr Einrichtungen in Schieflage“, sagt Klaus Wingenfeld auf Anfrage. &bdquo;Firmen, die sich Insolvenzen in der Pflege spezialisiert haben, haben gerade gut zu tun.“ Die Gründe für die Insolvenzen und Einschnitte seien nicht immer vergleichbar. Vor allem &bdquo;Alt und Jung“ mit seiner Vereinsstruktur und seinem zusätzlichem Engagement sei anders. &bdquo;Aber die Tariftreue ist das große Thema bei allen.“ Und die Energiekrise belaste besonders die stationären Einrichtungen. Experte rät zur qualifikationsorientierten Arbeitsteilung Der Kernbereich der ambulanten Pflege seien die Fachkräfte, sagt der 62-Jährige. Schon lange werde vor dem Fachkräftemangel gewarnt, jetzt sei es fast zu spät gegenzusteuern. Daher seien Strukturänderungen umso wichtiger. Als Stichworte nennt Wingenfeld Absprachen und eine regionale Aufteilung ambulanter Dienste, die mehr als genug zu tun hätten. &bdquo;Zu viele Fachkräfte verbringen zu viel Zeit hinterm Steuer.“ Zudem müsse geschaut werden, wie die fachlichen Ressourcen besser mit ehrenamtlichen Kräften verbunden werden könnten. Und das Finanzierungssystem müsse im besten Fall auch gleich neu geordnet werden. &bdquo;Die Leistungen sind einfach zu unterschiedlich refinanziert. Und die Bürokratie im Abrechnungswesen vermindert die Flexibilität der Dienste“, sagt Wingenfeld, der ein ganz System von wenig nachvollziehbaren Erschwernissen ausgemacht hat. GfS will Mitarbeiter halten und Kunden Alternativen anbieten Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der ambulanten Pflege möchte die GfS aus genannten Gründen unbedingt halten und ihnen &bdquo;innerhalb der GfS gleichwertige Arbeitsangebote machen“, betont Vorstand Miriam Stock. Auch den Pflegekunden werde ein Alternativangebot gemachte. &bdquo;Die Versorgung unserer Kunden soll durch eine stabile Kooperation mit dem Hauspflegeverein, ebenfalls einem paritätischen Anbieter in der Pflege in Bielefeld gesichert werden“, sagt Stock. Das Wahlrecht der Kunden bleibe hiervon allerdings unberührt. Der Individuelle Service für Menschen mit Behinderung (ISB) bleibt als Angebot der GfS bestehen. Hier werden erwachsene Menschen mit einer körperlichen Behinderung oder einer chronischen Erkrankung in allen Lebensbereichen unterstützt, so dass sie zu Hause ihr Leben individuell gestalten können. In diesem Bereich will die GfS nach eigenem Bekunden die Assistenz mit einem neuen Konzept in den Fokus stellen, um den gesetzlichen Änderungen im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes gerecht zu werden.

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