Sprecher der Kinderärzte richtet deutliche Worte an Eltern in Bielefeld

Bielefeld. Überfüllte Praxen, stundenlange Wartezeiten, kein Kinderarzt zu finden, die nächste Praxisschließung: Die Versorgungssituation in Bielefeld spitzt sich immer weiter zu. Die derzeitige Infektwelle und der sich verschärfende grundsätzliche Mangel an Kinder und Jugendärzten bringe die Versorgung in der Notfallpraxis ans absolute Limit, so Marcus Heidemann, Sprecher der Bielefelder Kinder- und Jugendärzte. Politik und Krankenkassen seien verantwortlich und müssten "dringend Maßnahmen ergreifen", wenn die Versorgung aufrechterhalten werden solle. Aber auch Eltern könnten aktuell mit dazu beitragen, dass sich die angespannte Lage und Überlastung in den Bielefelder Praxen entspanne. Verschiedene Erkältungsviren, Influenza und RS-Viren seien momentan im Umlauf. &bdquo;Wir haben eine Anhäufung von Infekten. Die Kinder sind teilweise rund um die Uhr krank und die Eltern machen sich Sorgen, dass sie gar nicht mehr gesund werden“, berichtet ein Kollege. Dabei seien es oft einfach viele Infekte, die aufeinanderfolgten und in der Regel harmlos seien. Durch die Corona-Pandemie und das Tragen von Masken hätten viele Kinder nicht die Möglichkeit gehabt, ihr Immunsystem zu trainieren. Rund 240 Kinder seien in Bielefeld am Wochenende den in drei Schichten diensthabenden Kollegen vorgestellt worden, so Heidemann. Bei etwa 15 bis 18 Kindern pro Stunde sei weder eine vernünftige Medizin für die Patienten möglich, noch halte ein Arzt oder eine Ärztin solche Belastungen über einen längeren Zeitraum durch. Meist hilft genügend Flüssigkeit und bei Bedarf ein leichtes Schmerzmittel Deshalb sollten Eltern bitte vorher besser überprüfen, ob ein Kind wirklich in die Notfallpraxis oder auch so zum Kinderarzt gebracht werden müsse. Keiner solle mit Schmerzen oder Atemproblemen unversorgt bleiben, auch jede akute schwere Verletzung werde natürlich gerne versorgt. "Dies gelänge jedoch besser, wenn die Fragen, ob nicht doch ein Hustensaft nötig wäre, ob es noch ok sei, dass das vergnügt spielende Kind noch immer Durchfall habe oder ob die kleine Beule am Kopf wirklich nicht gefährlich sei, gar nicht erst an den Arzt gerichtet wird", sagt Heidemann. Eltern könnten oft durch einfache und effektive Maßnahmen einen unnötigen Arztbesuch vermeiden. "Fiebernde Kinder, denen es ansonsten recht gut geht und die sich zwischen Fieberschüben immer wieder einigermaßen erholen, benötigen in der Regel ebenso wenig akut einen Arzt, wie ein Kind mit Durchfall, das gut trinkt." Bei kleinen Säuglingen sei mehr Vorsicht angebracht als bei Kindern, die ihre Schmerzen oder Beschwerden zeigten, manchmal sogar gut beschreiben könnten und deren Widerstandskraft erheblich stärker sei. Meist helfe genügend Flüssigkeit und bei Bedarf ein leichtes Schmerzmittel ergänzend eventuell Nasentropfen, um über die meisten Infekte gut hinweg zu kommen. Warnsignale, bei denen eventuell Hilfe notwendig ist "Kranke Kinder, um die man sich Sorgen machen muss, sind in der Regel eben wirklich deutlich sichtbar krank, reagieren weniger auf Ansprache und Reize, sind extrem schlapp oder haben wirklich starke Schmerzen", ergänzt Heidemann. Eine erfahrenere Mutter, Tante oder Oma helfe bei der Einschätzung, ob ein Arzt oder ein Hausmittel notwendig ist, oft mehr als &bdquo;Dr. Google“, der eher verunsichere. Kaum ein Kind sei wirklich so krank, dass man nicht noch einmal für einige Stunde überlegen und beobachten können, ob der Arztbesuch wirklich erforderlich sei. Warnsignale, bei denen eventuell Hilfe notwendig ist, seien starke durch leichte Schmerzmittel nicht behebbare Schmerzen, Atemprobleme mit stark beschleunigter und deutlich angestrengter Atmung, verringerte Reaktion auf Reize und Ansprache, Schläfrigkeit mit schwieriger Erweckbarkeit, Benommenheit und Bewusstseinsprobleme, Kreislaufprobleme, bei Säuglingen auch starke Blässe, Nackensteifigkeit bei Fieber sowie stark blutende oder mit Einschränkungen der Beweglichkeit verbundene Verletzungen. "Wir sind uns als Ärzte sicher, dass Eltern unsere Arbeit schätzen und unsere Hilfe für ihre Kinder gerne weiter in Anspruch nehmen möchten", ergänzt Heidemann. Frustrierte, überlastete Ärzte und Medizinische Fachangestellte könnten aber keinem helfen. "Daher bitten wir um Rücksichtnahme und Vernunft", appelliert er.

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