Geraten die Pläne für den Weiterbau der Stadtbahnlinie 1 in den Bielefelder Süden ins Wanken?

Bielefeld. Ob die Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 Fluch oder Segen für den Stadtbezirk sein wird, darüber scheiden sich in Sennestadt zunehmend die Geister. Zumindest die Geister derer, die aktiv an der Debatte teilnehmen, ob 100 bis 150 Millionen Euro für 7,5 Kilometer neue Strecke von der Wendeschleife in Senne bis in die nördliche Sennestadt ausgegeben werden sollten und ob für eine zweigleisige Trassenführung die enge Elbeallee den richtigen Rahmen bietet. Nach einem Bürgerinformationsabend von Mobiel und vom Amt für Verkehr Anfang November, bei der neben Zustimmung vor allem vielfältige Kritik an der Vorplanung des Mammutprojekts geäußert und von einigen bereits jetzt äußerster Widerstand angekündigt worden ist, sind neue Fragen aufgetaucht – auch in der Sennestädter Politik. Zudem läuft bereits eine Unterschriftenaktion gegen die Linie 1. Was passieren soll, wenn viele Anlieger nicht verkaufen Nachdem angeblich mehr als die Hälfte der 136 Mitglieder der großen Wohnungseigentümer-Gemeinschaft WEG Senne Nord 1 angekündigt hat, keinen Zentimeter für den Bau der Strecke und der Endhaltestelle Alsterweg abgeben und alle juristischen Mittel gegen die Linienführung ausschöpfen zu wollen, fragt die CDU-Fraktion in der Sennestädter Bezirksvertretung beim Amt für Verkehr an, was dann passieren wird. &bdquo;Würde die Planung der Strecke und der Endhaltestelle angepasst, wenn Eigentümer Grundstücke nicht verkaufen?“ Und mit welche Verzögerungen müsse in diesem Fall für das Projekt gerechnet werden? Die CDU macht keinen Hehl daraus, dass sie der von Mobiel verworfenen Weiterbau-Variante nach Dalbke den Vorzug geben würde, vor allem, weil diese weniger in bestehende Strukturen eingreife. Einzelne sollen bis zu zehn Meter breite Streifen ihrer Grundstücke abgeben müssen; Bäume, Grünstreifen und Parkplätze entlang der Elbeallee würden teilweise verschwinden. Die CDU meint, dass die Linie 1 in der geplanten Form nur für teures Geld eine gut funktionierende Buslinie 135 ersetze. Auch Befürworter des Weiterbaus der Stadtbahn kommen ins Grübeln Auch die SPD-Fraktion, die im Sinne einer Verkehrswende für den Weiterbau der Linie 1 in den Sennestädter Norden ist, hat Fragen und hakt in der aktuellen Bezirksvertreter-Sitzung nach. Warum die jetzt ausgewählte Vorzugsvariante mit der Endhaltestelle Alsterweg die Beste sein soll, will den Genossen weiterhin nicht so recht in den Sinn. Sie bevorzugen die Weiterführung bis zur Württemberger Allee, zumal es früher geheißen hatte, diese sei die einzig wirtschaftliche Lösung. Später hatte Mobiel erklärt, neue Parameter, vertiefende Prüfungen und in der Folge eine fehlende Förderfähigkeit der Kosten hätten das geändert. &bdquo;Es gibt keinen Zweifel an der Bahn“, betont SPD-Sprecher Markus Müller, aber an der Lage der Endhaltestelle schon. Wie wäre es also, doch wieder bis zur Württemberger Allee zu denken, wo im Umfeld der Endhaltestelle ebenfalls viele potenzielle Nahverkehrskunden wohnen. Wie viel Grunderwerb wäre dann nötig, wollen die Sozialdemokraten wissen. Und was wäre, wenn die Stadtbahn nicht neben dem Senner Hellweg führe – um auch die Eingriffe in den Wald zu minimieren -, sondern größtenteils im Straßenraum. Und noch eine weitere Idee: &bdquo;Warum wird die Linie 1 ab Haltestelle Ehrenbergplatz oder Travestraße nicht einspurig fortgeführt?“ Damit müssten Anlieger der oberen Elbeallee – vor allem im Umfeld einer Haltestelle Alsterweg – weniger Fläche abgeben, und die Bahn würde nicht so nah an den Häusern entlangfahren. Das sagen Mobiel und das Amt für Verkehr Die Pläne zum Weiterbau der Stadtbahnlinie 1 in den Sennestädter Norden werden genau so weiterverfolgt,wie vorgestellt. Daran ändert auch die Ankündigung von zahlreichen Grundstückseigentümer entlang der geplanten Trasse bis zur Endhaltestelle Alsterweg, keinen Zentimeter Grund und Boden dafür abgeben zu wollen, erst einmal gar nichts. Ebenso wenig wie erneute Überlegungen, die Trasse doch noch bis zur Württemberger Allee zu führen oder in Teilen einspurig zu machen. &bdquo;Bis zum Planfeststellungsverfahren werden Mobiel und die Stadt Bielefeld in einem Dialog mit den betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümern bleiben, um gemeinsam Kompromisse zu erarbeiten“, teilt das Amt für Verkehr der Bezirksvertretung Sennestadt mit. Dann liege es ab 2024 an der Bezirksregierung Detmold, alle Belange gegeneinander abzuwiegen – die Betroffenheit insgesamt und der Nutzen der Planung für die Allgemeinheit. Enteignung rechtlich möglich Komme es nach einer Genehmigung beim Grunderwerb zu keiner Einigung, bestehe rechtlich gesehen die Möglichkeit einer Enteignung. &bdquo;Dieses Verfahren ist der letztmögliche Schritt und kam in Bielefeld seit rund 30 Jahren nicht mehr zur Anwendung“, schreibt das Amt für Verkehr. Frühzeitige einvernehmliche Lösungen seien stattdessen das Ziel. Einspurige Bahn braucht mehr statt weniger Platz Der Weiterbau bis zur Württemberger Allee sei nach einer negativen Nutzen-Kosten-Untersuchung 2021 nicht weiter verfolgt werde. Zwar wäre dabei im oberen Bereich der Elbeallee weniger Grunderwerb erforderlich, da eine normale Haltestelle Alsterweg weniger Platz benötigt. Allerdings wären zusätzliche Eingriffe in den Wald am Senner Hellweg notwendig, um die Gleise parallel zu führen. Beim Abbiegen von der Elbeallee in den Hellweg und von dort in die Württemberger Allee könnten sonst die erforderlichen Mindestradien der Bahn nicht erreicht werden – es sei denn, es würden an den Kreuzungen jeweils Eckgebäude abgerissen werde. Und letztlich erklärt das Amt für Verkehr, dass nur mit einer zweigleisigen Mobilitätslinie eine attraktive und zuverlässige Verbindung im Zehn-Minuten-Takt geschaffen werden könne. Es sei ein Trugschluss, Eingleisigkeit würde Platz sparen, stattdessen wären es 3,80 Meter mehr, da dann ein eigenen Bahnkörper – getrennt von den Fahrspuren der Autos – benötigt würde. Anderenfalls würde die Stadtbahn in Falschfahrt auf einer Fahrspur fahren, was nicht zulässig sei. Heftige Debatten auf Facebook Auf verschiedenen Facebook-Kanälen wird heftig über das Pro und Contra der Stadtbahn in Sennestadt diskutiert. Es gibt sogar zwei eigene Facebook-Gruppen – für und gegen die Stadtbahn. In der Summe überwiegen gefühlt die Gegenstimmen. Die verlängerte Linie 1 wird von vielen - im Gegensatz zum Bus - mit ihren wenigen Haltestellen als Verschlechterung angesehen, der Weg dorthin werde weiter. Oder es müsse erst doch wieder ein Bus als Zubringer genutzt werden. Die Kosten werden als Geldverschwendung angesehen, damit solle lieber das Busnetz und das On-Demand-Angebot &bdquo;Anton“ ausgebaut werden. Eine Sennestädterin fragt ironisch: &bdquo;Wer instrumentalisiert hier eigentlich wen? Die Stadt Mobiel, um das jahrzehntelange Prestigeobjekt durchzudrücken, oder Mobiel die Stadt, um über die Reduzierung von Parkraum und Einschränkung des Individualverkehrs ihre Verkaufsfelder verbessern zu wollen?“ NW-UMFRAGE ZUM THEMA AUF DEM WOCHENMARKT Auf dem Wochenmarkt am Mittwochmorgen findet die Verlängerung der Linie 1 auch wenig Gnade – in nahezu allen Altersschichten. &bdquo;Das ist doch totaler Müll, jetzt noch so viel umzubauen“, sagt beispielsweise Lindita Jusufi (31). &bdquo;Die Busse fahren doch alle zehn Minuten. Das ist zu viel Geld für zu wenig Gewinn.“ Und dann werde über drei, vier Jahre Bauzeit auch noch alles blockiert. Eine 82-jährige Marktbesucher deutet die Elbeallee hinauf. &bdquo;Wo soll die Bahn denn hier hin?“ Bis zur Kreuzkirche oder weiter bis Dalbke könnte sie sich die Stadtbahn vorstellen, aber nicht mitten durch die Sennestadt. &bdquo;Wir sind auch so gut angebunden mit den Bussen. Und die sind noch nicht mal ausgelastet.“ Auch Marion Krubasik (68) ist dagegen. &bdquo;Ob ich hier irgendwo umsteige oder in Senne, ist doch völlig egal.“ An der Wendeschleife klappe der Umstieg von Bus auf Bahn auch super. Der Ausbau sei völlig überflüssig. &bdquo;Das kostet alles zu viel Geld. Punkt!“ Bärbel Löber (64) nervt auch das Hü und Hott der Planung, ist deshalb auch nicht zur Infoveranstaltung gegangen. Mehr Platz in der Bahn und mehr Bequemlichkeit sind Argumente, die bei den beiden Frauen nicht ziehen. Auch die 15-jährigen Schülerinnen Fatima und Zukhra finden das jetzige Angebot ausreichend. &bdquo;Das Geld könnte anderweitig vielleicht besser verwendet werden“, meint Fatima. Zwei alte Damen mit Rollator halten die Pläne ebenfalls für Unsinn. &bdquo;Ich wohne hier seit 63 Jahren“, sagt die 86-Jährige. &bdquo;Und es hat immer gut geklappt, mit dem Bus in die Stadt zu kommen.“ Auch jetzt habe sie mit dem Rollator keine Probleme. &bdquo;Das Geld können die sich sparen, das ist alles zu teuer. Die Bahn hätten sie beim Bau der Sennestadt mitbauen müssen.“ Der Sohn ihrer 85-jährigen Begleiterin wäre vom Umbau der Paderborner Straße betroffen. Für die Bahn müsste dieser seinen halben Garten hergeben. Lediglich eine 26-jährige Mutter mit ihrem Kind spricht sich an diesem Morgen für die Stadtbahn aus.

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