Bielefelderinnen berichten von sexuellen Belästigungen auf offener Straße

Bielefeld. &bdquo;Es fängt bei Alltagssexismus an und endet mit Femiziden“, schreibt die Initiative &bdquo;Catcallsof Bielefeld“ zum &bdquo;Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ am 25. November. Mord an Frauen, weil sie eine Frau sind (genannt &bdquo;Femizid“), ist die extremste Form. Aber selbst das passiert in Bielefeld. Verbaler und zum Teil auch körperlich übergriffiger Sexismus hingegen ist keine Ausnahme, sondern widerlicher Alltag. Zahlreiche Bielefelderinnen berichten seit 2020 von ihren Erlebnissen. Diese Form der Gewalt an Frauen sei auch heute &bdquo;allgegenwärtig und fest in unseren patriarchalischen Strukturen verankert“, heißt es im aktuellen Instagram-Post von &bdquo;Catcallsof Bielefeld“. Wer das nicht glauben mag, muss nur mal aufmerksam auf die Straßen und Wege in der Stadt schauen. Denn genau dort hinterlassen sie seit 2020 immer wieder sogenannte &bdquo;Catcalls“ in Kreide – und zwar an dem Ort, an dem es passiert ist. Damit wollen sie die Orte der Scham oder Angst für sich zurückerobern. Sie spucken Begriffe wie "Schlampe" oder "Nutte aus und halten sich für witzig Bei &bdquo;Catcalls“ (engl.: Katzenrufe) handelt es sich um sexuell anzügliches Verhalten, verbale Belästigungen, teilweise unterste Schublade und trotzdem für viele in der Stadt Alltag. Die Erlebnisberichte erhalten die Aktivistinnen von Betroffenen über ihren Instagram-Account – im Schnitt erreichen sie drei pro Woche. Wer die Erfahrungsberichte der Frauen liest, merkt schnell: Diese Männer wollen keine falsch verstandenen Komplimente loswerden, sie wollen Macht ausleben und Erniedrigung. Erwachsene wie auch Jugendliche spucken Begriffe wie &bdquo;Schlampe“ oder &bdquo;Nutte“ wie selbstverständlich aus, halten sich dabei für witzig. Sie fassen Frauen wie Mädchen ungefragt an oder fordern sie zu sexuellen Handlungen auf. Was sie tun, ist weder ein Kompliment noch "flirty", es stellt teilweise sogar eine Straftat dar: etwa &bdquo;Beleidigung auf sexueller Grundlage“ (Paragraf 185, Strafgesetzbuch). Weil aber verbale, sexuelle Belästigung trotzdem meist straffrei bleibt, ist die Catcalling-Bewegung entstanden. Ausgehend von New York gibt es inzwischen in vielen Städten der Welt solche Initiativen. Ihr Ziel ist es, dass künftig auch solche Fälle als Straftat bewertet werden. Bielefelderin erinnert sich: "Ich bin gerannt und habe noch zwei Stunden gezittert" Eine junge Frau berichtet von einem Vorfall im Ostmannturmviertel: Ein Mann spricht sie an, fragt nach ihrem Namen. Sie hat sofort ein schlechtes Gefühl. &bdquo;Ich habe einen falschen Namen genannt, bin über Rot gegangen, sagte, ich hätte es eilig.“ Doch er nimmt die Verfolgung auf, joggt hinter ihr her und zwickt ihr plötzlich in den Po (trotz Wintermantel). Dann sagt er, sie habe &bdquo;einen geilen Arsch“. Als sie ihren Freund erwähnt und laut rufen will, wird er aggressiv und extrem sexistisch. &bdquo;Ich bin dann gerannt und habe noch zwei Stunden lang gezittert und geweint.“ Eine andere Betroffene berichtet dem Team, dass sie vor allem in der Innenstadt immer wieder unangenehme Situationen erlebt habe. Die &bdquo;Catcalls“ auf den Bielefelder Straßen nehmen ihrer Ansicht nach zu. &bdquo;Ich werde wöchentlich belästigt, angepöbelt und angemacht.“ Sie überlege mittlerweile, deshalb aus der Altstadt wegzuziehen. Täter in Bielefeld: "Nachts wird dich keiner hören, ich komme mit.“ Eine andere Bielefelderin wird auf ihrem Heimweg vom Bahnhof in Richtung Stadtbibliothek verfolgt. Er wolle &bdquo;Spaß mit ihr haben“, sagt der Unbekannte. Sie droht dem Radler, laut zu schreien. Der Mann bleibt beängstigend ruhig und antwortet: &bdquo;Nachts wird dich keiner hören, interessiert mich nicht, ich komme mit.“ Sie hat fürchterliche Angst. Zum Glück sah ein Freund den Vorfall und rief sie lautstark zu sich auf die andere Straßenseite. Der Täter radelte schweigend davon. Auch die Aktivistinnen selbst gehen nur zu zweit los, wenn sie Vorfälle publik machen. Immer mal wieder würden sie unangenehm angesprochen, neu &bdquo;gecatcalled“, berichtet Pia B. In einem Fall wurden sie sogar von einem Anwohner bedroht und eingeschüchtert. Der hatte sich vor ihren Wagen gestellt, als sie wieder wegfahren wollten. Er machte Fotos und Videos und wollte, dass wir das Aufgeschriebene wieder verschwinden lassen. &bdquo;Da hatten wir wirklich Angst, weil wir uns nicht einfach aus der Situation befreien konnten.“ Um solche Momente der Angst zu bekämpfen, beginnt am Freitag, 25. November, um 18 Uhr die Demonstration &bdquo;Reclaim the Night“ vor dem Alten Rathaus (weiter über Kesselbrink zum Boulevard). Unter dem Motto &bdquo;Wir erobern uns die Nacht zurück“ wollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dafür kämpfen, sich künftig ohne Angst vor sexueller Belästigung in Bielefeld bewegen zu können. Istanbul-Konvention muss auch in Bielefeld umgesetzt werden Das Feministische Netzwerk und die Gleichstellungsstelle der Stadt halten zudem am 29. November einen Fachtag zum Thema &bdquo;Gewaltschutz für Frauen und Mädchen“ ab. Dabei geht es um die Umsetzung der Istanbul-Konvention, bei der sich Deutschland im Februar 2018 verbindlich verpflichtet hat, jeglicher Form geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Gewalt wirksam zu begegnen und Betroffene umfassend zu unterstützen. &bdquo;In Bielefeld ist diesbezüglich schon viel geschehen“, heißt es in der Ankündigung. &bdquo;Trotzdem sind weiterhin alle in der Stadt aufgefordert, bestehende Schutzlücken zu erkennen und zu schließen.“ Der Fachtag soll hierfür Impulse liefern. Links zum Thema: "Catcalls of Bielefeld" auf Instagram: @catcallsofbielefeld. Das Feministische Netzwerk für Mädchen und Frauen Bielefelder Fachtag "Gewaltschutz für Frauen und Mädchen" - Umsetzung zur Istanbul-Konvention. Bielefelder Beratungsangebote für Mädchen und Frauen in Not. Podcast: &bdquo;Tonspur.Ehrenamt“, in Kürze erscheint in dieser Reihe das Interview mit Ursula Pohl von der Bielefelder Gruppe der "Katholischen Frauen Deutschlands" über ihre Arbeit im AWO-Frauenhaus Bielefeld. Statements zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen:

Meistgelesen