Vergewaltigungsserie: Bielefelder Ermittler gehen von bis zu 47 Opfern aus

Bielefeld. Die Zahl der Vergewaltigungsopfer durch den Bielefelder Assistenzarzt Philipp G. wird immer konkreter. Das jedenfalls geht aus einem Bericht des NRW-Gesundheitsministeriums für den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen im Landtag hervor. Bis zu 47 Opfer sind inzwischen zu befürchten. Gleichzeitig betonte die Klinikaufsicht, dass das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB) alle erforderlichen Schutzmaßnahmen erfüllt hatte. Die Taten hätten sich bei der &bdquo;hohen kriminellen Energie des Täters“ aber trotzdem nicht verhindern lassen. Die Summe der nachweisbaren Opfer der Vergewaltigungsserie liegt also – wie berichtet – bei 32 Klinikpatientinnen in Bethel (Tatzeitraum: Februar 2019 bis April 2020). Hinzu komme nach Einschätzung der Ermittler eine Patientin, die bereits 2016 in einem Krankenhaus in Kempen (Kreis Viersen) vom damaligen Medizinstudenten Philipp G. missbraucht worden sein soll. Neue Erkenntnisse zu den Opfern im privaten Umfeld Neueste Ermittlungen geben Hinweise darauf, dass es weitere 10 bis 14 Frauen gibt, die Philipp G. privat kennengelernt hatte. Auch sie könnten betäubt und dann missbraucht oder vergewaltigt worden sein. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, geht es um bis zu 47 Opfer. Teilweise erhärten sichergestellte Tatvideos diesen Verdacht, teilweise lässt sich der Verdacht durch Notizen auf einer Namensliste erschließen, auf der 80 Frauennamen zu finden sind (geführt von 2013 bis Oktober 2019). Bei 69 dieser Frauen gehen die Ermittler davon aus, dass sie einvernehmlich mit dem jungen Arzt Geschlechtsverkehr hatten. Nur ein Name auf der Liste gehört zu den Patientinnen im EvKB. Vorhandene Schutzmechanismen in Bethel konnten "die schrecklichen Ereignisse nicht verhindern" Weil sich Philipp G. drei Tage nach seiner Verhaftung in der U-Haft das Leben nahm, wurden die Ermittlungen im im Herbst 2020 eingestellt. Weil aber ein Großteil der Opfer nicht über die Taten informiert worden waren, ließ das Justizministerium den Fall im Herbst 2021 neu aufrollen. Seitdem sind die Ermittler bemüht, alle Betroffenen zu informieren und zu befragen. Im Bericht des Gesundheitsministeriums wird auch deutlich, dass die Krankenhausaufsicht bislang der Ansicht war, dass das Evangelische Klinikum Bethel &bdquo;alle erforderlichen Maßnahmen umgesetzt hat beziehungsweise umsetzt“, in denen der Schutz vor sexueller Gewalt geregelt sei. Allerdings hätten diese Verfahrensanweisungen und Verhaltensregeln &bdquo;bei der hohen kriminellen Energie des Täters die schrecklichen Ereignisse bedauerlicherweise nicht verhindern können“, heißt es in dem Bericht. Verbesserungsvorschläge für Bielefelder Klinikum im Umgang mit Arzneimitteln Was den Vorwurf der Beihilfe zur Vergewaltigung durch Unterlassen angeht, der aktuell in einem Ermittlungsverfahren den Vorgesetzten des Assistenzarztes gemacht wird, so bleibe aus Sicht der Krankenhausaufsicht abzuwarten, ob ein persönliches Verschulden im Krankenhaus oder sogar ein Organisationsverschulden des Krankenhausträgers festzustellen sein wird. Ergänzend hatte die Aufsichtsbehörde dem EvKB allerdings auch Verbesserungsvorschläge im Umgang mit Arzneimitteln gemacht. Laut Bericht forderte die Krankenhausaufsicht das EvKB auf, dass &bdquo;auch jeder scheinbare Medikamentenverlust“ Pflegeleitung und Chefarzt zu melden sei. Wie berichtet, bediente sich Philipp G. für seine Taten des Narkosemittels Propofol, das nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und deshalb im Verbrauch nicht verschlossen und der Verbrauch dokumentiert werden musste. Nach einer Patientinnen-Beschwerde im September 2019 hatte die Klinik keinen auffälligen Verlust der Narkosebestände feststellen können. Tansponder-Schlüssel sollen Arzneimittel-Ausgabe protokollieren Hier regte die Behörde eine Überarbeitung des Prozederes an. Dazu gehört auch eine spezielle Überwachung der Schränke mit solchen Medikamenten, deren Zugriffe künftig mit einem Transponder-Schlüssel &bdquo;personenscharf“ protokolliert werden sollen. Genauso wurde dem EvKB &bdquo;bei medizinischen Prozeduren“ das Vier-Augen-Prinzip aufgetragen. Brisant ist der Fall auch deshalb, weil der Mann möglicherweise Frauen mit sexuell übertragbaren Bakterien angesteckt hat. Während einer Geburt könnten diese auf das Neugeborene übertragen werden, heißt es in dem Bericht. Zudem seien die Bakterien als Verursacher etwa von Entzündungen der Harnröhre, Nieren oder des Beckens bekannt. "Bisher haben zwei Geschädigte Angaben über gynäkologische Befunde gemacht, die auf eine Infektion mit solchen Geschlechtskrankheiten schließen lassen", teilte die Staatsanwaltschaft demnach mit. Identifizierung von weiteren Frauen gelungen Deshalb sollen nicht nur die Opfer der Vergewaltigungsserie, sondern auch alle anderen Sexualpartnerinnen über die Infektionsgefahr informiert werden. Zunächst hatte die Polizei Anfang des Jahres 30 der 32 Betroffenen vom EvKB informiert (die übrigen 2 wurden nicht identifiziert). Zwei dieser 30 Patientinnen berichteten inzwischen von Infektionen, die auf eine Ansteckung durch den Täter zurückzuführen sein könnten. Darüber hinaus sei es zuletzt gelungen, elf Frauen aus dem privaten Umfeld von Philipp G. zu identifizieren. Drei von ihnen wurden inzwischen unterrichtet, die anderen acht werden in Kürze Besuch von der Polizei erhalten. Bei fünf dieser Frauen gebe es laut Kripo Hinweise, dass auch sie Opfer von Philipp G. geworden sind.

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