Empörte Bielefelder Eltern starten außergewöhnliche Petition

Bielefeld. Wohin nach der Grundschule? Angehende Fünftklässler und ihre Eltern informieren sich jetzt wieder über die Möglichkeiten und besuchen an den Tagen der offenen Tür die Schulen, die für sie in die engere Wahl kommen. Aber die wird, wenn es nach dem Willen der Ratskoalition aus SPD, Grünen und Linken geht, künftig eingeschränkt (NW vom 3. Oktober). Das empört nicht nur Eltern und Kinder. Diese befürchten, dass der entsprechende Antrag, über den am 15. November im Schulausschuss abgestimmt werden soll, noch weitere Nachteile mit sich bringen könnte. Rot-Rot-Grün will Mehrklassenbildungen verhindern und Kinder vermehrt an Schulen verweisen, die noch Plätze frei haben. Das könnte für unfreiwillig lange Wege quer durchs Stadtgebiet und viel Frust sorgen, so der Stadtelternrat. Er startete jetzt eine Petition zum Erhalt der Mehrklassenbildung. &bdquo;Das ist ein ganz klares Politikum“, sagt Sven Pachur, Leiter der Luisenrealschule. Sie ist eine von mehreren Schulen, die seit Jahren Mehrklassen bilden, &bdquo;um möglichst vielen Kindern den Platz an ihrer Wunschschule zu erfüllen“, so Pachur. Einen Rechtsanspruch auf einen Platz an der Wunschschule gibt es nicht Rein formal sei der Antrag sicher korrekt, aber der Elternwille werde dabei nicht berücksichtigt. Zum Hintergrund: In Nordrhein-Westfalen haben die Erziehungsberechtigten das letzte Wort bei der Entscheidung, auf welche Schulform ihr Kind tatsächlich wechselt. Die Grundschule gibt eine Empfehlung. &bdquo;Die Familien entscheiden sich wegen des Schulprofils, der Erreichbarkeit und der sozialen Kontakte ganz bewusst für eine Schule, nicht für eine Schulart“, sagt Tim Seidel vom Stadtelternrat. Einen Rechtsanspruch auf einen Platz an der Wunschschule gibt es aber nicht. Bei den Realschulen favorisieren Kinder und Eltern ganz klar die im Norden der Stadt und in Mitte, belegen die Anmeldezahlen der vergangenen Jahre. Im Süden hingegen sind Plätze frei. &bdquo;Aber soll ein Kind dann wirklich jeden Tag von Heepen nach Sennestadt fahren?“, fragt Pachur. Wenn man zu oft Mehrklassen bilde, müsse die Stadt die Zügigkeit erhöhen. Damit verbunden sei eine Erhöhung der Räume. Und die koste Geld. Mit dem Antrag wolle die Stadt aus seiner Sicht ganz klar in die integrativen Systeme lenken, so Pachur. &bdquo;Das soll uns Eltern motivieren, unsere Kinder gar nicht erst an besonders gefragten Schulen anzumelden, sondern – eventuell gruppenweise – anderswo“, sagt Seidel. Sonst könne es gut passieren, dass dem Kind ein Platz in einem weit entfernten Stadtteil zugewiesen werde. &bdquo;Der Elternwille wird mit Füßen getreten.“ Pachur rät, sich nicht abschrecken zu lassen und &bdquo;sich dort anzumelden, wohin man wirklich möchte und davon auszugehen, dass das klappt“. Wichtig sei es, eine Schule zu finden, die das Kind entsprechend individuell fördere. Soziale Kontakte seien wichtig, aber in der fünften Klasse fänden sich schnell neue Freunde. Auch am Gymnasium am Waldhof wurden aufgrund der hohen Nachfrage in der vergangenen Zeit regelmäßig Mehrklassen gebildet. Dort, und auch am Ceciliengymnasium, wurde dann vor zwei Jahren jeweils ein zusätzlicher, vierter Zug eingerichtet. Für die Erweiterung am Waldhof kam das benachbarte Haus des Handwerks ins Gespräch. Allerdings gehe es mit den Plänen leider überhaupt nicht weiter, berichtet Schulleiterin Caro Brauneis, auch Sprecherin der Bielefelder Gymnasien. Ebenso mit dem damit einhergehenden geplanten und dringend benötigten Neubau inklusive der Erweiterung der baufälligen Sporthalle, die sich die Schule mit dem benachbarten Ratsgymnasium teilt. Ganz klar sei beim Elternwillen der Wunsch nach Innenstadtnähe zu erkennen, ergänzt Brauneis. Einen empfindlichen Nerv getroffen Eltern befürchten, dass der Antrag der Koalition auch genutzt werden solle, um sich die Erweiterung in der Innenstadt zu sparen – und die Zügigkeit am Waldhof dann wieder reduziert werde. &bdquo;Die Sorge können wir den Eltern nehmen“, sagt Frederik Suchla, für die SPD in der Bezirksvertretung Mitte und im Schulausschuss sowie stellvertretender Leiter der Martin-Niemöller-Gesamtschule. Die Plätze würden dringend benötigt, die Politik müsse da &bdquo;ganz schnell in die Puschen kommen“, um die Raumkapazitäten zu erhöhen. Die Koalition habe gemerkt, dass sie mit dem Thema grundsätzlich &bdquo;einen empfindlichen Nerv“ getroffen habe. Die Debatte sei sehr emotional. Keine Mehrklassen an weiterführenden Schulen mehr zu bilden, wenn stadtweit rechnerisch die Zahl der Plätze an der gewünschten Schulform ausreicht: Der Antrag sehe jedoch lediglich das vor, was im Gesetz stehe. Davon sei die Stadt in den vergangenen Jahren abgewichen. Das habe zur Folge, dass dafür dann &bdquo;immer noch irgendetwas ertüchtig werden muss“, sagt Suchla. Da komme der Immobilienservicebetrieb der Stadt (ISB) beim ohnehin schon ambitionierten Schulbauprogramm nicht hinterher. Alles, was möglicherweise noch dazukomme, wirke sich auch zum Nachteil anderer Schulen aus. &bdquo;In Bielefeld gibt es reichlich Schulplätze, wir haben hier genug tolle Schulen, die sehr gute Arbeit leisten“, ergänzt Suchla. Die FDP hingegen würde an den gefragten Schulen gern weiterhin Mehrklassen bilden lassen. &bdquo;Weil Eltern besser als rot-grüne Schulpolitiker wissen, welche Schule für ihr Kind die richtige ist, unterstützen wir ausdrücklich die Petition des Stadtelternrates gegen den Bevormundungsantrag“, posten die Liberalen auf Facebook.

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