Diese Bielefelder Forscherin zeigt, was Mikroben können

Bielefeld. Sie sind nützlich und lebensbedrohlich, hilfreich oder lästig. Sie sind überall, tausend Mal kleiner als eine Ameise. Und sie prägen unser aller Leben: Mikroorganismen spielen immer und überall eine Rolle. Von Haushalt bis Produktionsstraße. Bis zu zwei Kilogramm Mikroorganismen tragen wir mit uns herum - auf und in uns. Zeit, sich die unsichtbaren Helfer mal genauer anzusehen. Zusammen mit der Bielefelder Mikrobiomforscherin Johanna Nelker. Sie arbeitet aktuell an einem Kinderbuch zu den kleinen Organismen und hat eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Nelkner möchte Bakterien den guten Ruf, den sie eigentlich verdienen, verschaffen. Darum schreibt die 33-jährige Mikrobiomforscherin neben ihrer Forschung an der Uni als Jane Jott Kinderbücher für Drei- bis Sechsjährige. Was sind Bakterien? Bakterien sind Mikroorganismen. Sogar der Duden listet als Synonym zu Bakterie "Krankheitserreger". Dabei rufen nur wenige der Einzeller tatsächlich Krankheiten hervor: "In der Forschung geht man davon aus, dass mehr als 99 Prozent für den Menschen nicht schädlich sind", sagt Johanna Nelkner. Laut der Forscherin der Uni Bielefeld hätten wir aber wahrscheinlich bisher weniger als ein Prozent der Mikroorganismen, also Kleinstlebewesen wie Bakterien und Pilze, erforscht. Die Zusammensetzung von Mikroorganismen innerhalb einer bestimmten Umgebung wird Mikrobiom genannt. "Wenn wir vom Mikrobiom des Menschen sprechen, fassen wir dabei verschiedene Mikrobiome zusammen", erklärt Nelkner. Schon im Mund gibt es viele verschiedene Lebensräume: Während manche Mikroorganismen in Zahnzwischenräumen siedeln, finden andere die Zungenoberfläche attraktiver. Mehr Mikroorganismen in einem Liter Meerwasser als Menschen auf der Erde Das Verhältnis von menschlichen zu mikrobiotischen Zellen in unseren Körpern ist 1:1, so Nelkner. "Allerdings gilt auch hier: kommt drauf an. Es gibt Menschen, die halb so viele mikrobielle wie körpereigene Zellen haben und Menschen, die doppelt so viele mikrobielle Zellen wie körpereigene haben." In nur einem Liter Meerwasser leben mehr Mikroorganismen, als Menschen auf der Erde, erzählt die Bielefelder Forscherin. "Was mich mehr überraschte: Dass in einem Gramm Zahnbelag mehr Mikroorganismen leben, als je zusammengerechnet Menschen auf der Erde gelebt haben." Keine Sekunde ohne Bakterien In jedem Moment treffen wir auf Mikroben. Es beginnt schon beim Frühstück. "Honig, Brot, Joghurt - ohne Mikroorganismen gäb's das nicht", sagt Nelkner. "Bienen bekommen immer die Credits für den Honig, aber es sind die Mikroorganismen im Bienenmagen, die viele der wertvollen Inhaltsstoffe im Honig herstellen." Brot wird mit Hefe gebacken - einem Pilz. Auch Bier und Wein gäbe es ohne Mikroorganismen nicht.A post sharedby Jane Jott | Bilderbuchautorin aus Bielefeld (@jane.jott) Weiter geht's ins Badezimmer. "Zähneputzen ist eigentlich nichts anderes, als diesen Mikroorganismen-Zoo, der im Mund lebt, im Zaum zu halten." Handtücher sollte man laut einigen Hygiene-Experten nach drei Benutzungen wechseln, so Nelkner. Vorsicht, Keimschleuder! Spülschwämme seien kritisch: Da sie lange feucht bleiben, vermehren sich Mikroorganismen hier besonders gut. Alle ein bis zwei Wochen sollten sie, je nach Gebrauch, gewechselt werden. "Spülbürsten trocknen schneller, das ist ihr Vorteil", sagt die Expertin. Während Toiletten häufig akribisch geschrubbt werden, tummeln sich Bakterien an unscheinbaren, aber hoch frequentierten Orten: "Eine Tastatur ist schmutziger, als mancher annehmen würde. Und auch das Handy sollte regelmäßig gereinigt werden", so Nelkner. Zwar gehören zum normalen, gesunden Mikrobiom auch Bakterien. Doch sobald sie von der Hand auf etwa das Smartphone-Display gelangen, verändern sich die Gegebenheiten: ein Ungleichgewicht entsteht, schädigende Bakterien können sich stärker vermehren. Die Konsequenz? Beim Handy beispielsweise die sogenannte Handy-Akne, bei gefährlichen Erregern drohen ernste Erkrankungen. Auch Lenkrad und Schalthebel sind stark genutzt. "Die reinigen die meisten bestimmt selten, da empfehlen sich Reinigungstücher, die man einfach immer griffbereit im Auto liegen hat." Nelkner plädiert außerdem für Fußöffner in öffentlichen Gebäuden. Allerdings: Zu viel Hygiene ist auch nicht gut. "Eine große bakterielle Vielfalt ist gesund", sagt die Mikrobiomforscherin. Sonst können Allergien auftreten. Ohne Bakterien kein modernes Leben Die guten Bakterien, die wir uns zunutze machen können, leisten weit mehr als unser Frühstück oder ein Glas Bier. Sie fermentieren Lebensmittel, produzieren Pigmente und schützen uns sogar vor Sonnenbrand, denn sie werden bei der Sonnencreme-Produktion eingesetzt. Auch Klärwerke würden ohne sie nicht funktionieren - und damit unsere Wasserversorgung. Sehr wahrscheinlich haben Mikroorganismen auch einen Einfluss auf unsere Gesellschaft, sagt Nelkner. "Man kann jemanden riechen - oder auch nicht." Und sie liefern wichtige Impulse für die Forschung: Magnetische Bakterien etwa, die in Sümpfen entdeckt wurden, könnten Vorbild für medizinische Mechanismen werden. Ihr Magnetismus ermöglicht es ihnen, sich besser fortzubewegen als andere Bakterien. "Die Forschung steckt noch in den Windeln", sagt Nelkner. Und Bakterien helfen ihr dabei, sie zu verlassen.

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