Bielefelder Haushalt mit vielen Fragezeichen

Bielefeld. Ein Novum: Zwei Karikaturen zieren diesmal die Präsentation von Stadtkämmerer Rainer Kaschel, als er am Donnerstag den Etat 2023 in den Rat einbringt. Sie sind angelehnt an die Geschichte von Sisyphos. Die eine zeigt, wie Oberbürgermeister Pit Clausen, unterstützt von Kaschel und den Ratspolitikern, einen schweren Stein den Berg hinaufrollt. Die andere, wie sie die Last nicht mehr stemmen können und der Stein sie zu überrollen droht. Tatsächlich hatte es die Stadt 2020 wieder geschafft, aus der Haushaltssicherung, einem strengen Spar-Korsett, herauszukommen. Doch jetzt, eine Corona-, Ukraine- und Energiekrise später, ist dieser Erfolg fast nichts mehr wert. Fast 1,6 Milliarden Euro will das Rathaus im kommenden Jahr ausgeben, aber 94,1 Millionen Euro zu wenig einnehmen. Viele Risiken noch nicht einmal berücksichtigt Das, so der Kämmerer in seiner Haushaltsrede, werde sich bis 2026 fortsetzen, sich die Defizite auf 359 Millionen Euro summieren. &bdquo;Das bedeutet, dass unsere Ausgleichsrücklage wie Butter in der Sonne schmilzt und bereits im Jahr 2026 verfrühstückt sein wird“, sagt Kaschel. Mit dem aktuellen Haushaltsplanentwurf sei es nur mit Mühe gelungen, einer neuerlichen Haushaltssicherung zu entgehen. Doch es kommt noch etwas düsterer. Viele Sachverhalte und Risiken konnten im Entwurf noch nicht einmal berücksichtigt werden. So müssen die Abwassergebühren neu kalkuliert werden, weil nach einem Richterspruch die Kommunen in NRW zu hohe Zinsen dafür angesetzt haben. Das hört sich erst einmal gut für die Bürger an, bedeutet aber, dass der Stadt rund 30 Millionen Euro fehlen – nicht einmalig, sondern jedes Jahr. Da ist das zusätzliche Personal. 18 Stellen für die Betreuung der Ukraine-Flüchtlinge, aber auch Stellen für Projekte des rot-grün-roten Rathausbündnisses. Um die Baumschutzsatzung, die am 1. Oktober in Kraft tritt, umzusetzen, werden drei zusätzliche Mitarbeiter benötigt. Zwei neue Mitarbeiter sollen künftig als Nachtmanager eingesetzt werden, sich um die Party- und Gastroszene kümmern. Die Kosten für die WissensWerkStadt in der ehemaligen Stadtbibliothek laufen davon. 3,3 Millionen mindestens fehlen noch für das kommende Jahr. Belastet wird die Stadt wie ihre Bürger durch höhere Energiekosten. Wie hoch die Rechnung ausfällt? Offen! Nachverhandelt werden muss auch mit den freien Trägern, die für die Stadt soziale Aufgaben von der Jugend- bis zur Seniorenarbeit erledigen. "Stehen vor enormen Herausforderungen" Ein Hauptgrund dafür, dass sich die Haushaltslage 2023 deutlich verschlechtern wird, ist, dass die Stadt die Mehraufwendungen, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind, nicht länger &bdquo;auslagern“ darf. Allein 2023 müssen deshalb 50,9 Millionen Euro &bdquo;aufgefangen“ werden, bis 2025 weitere 72,7 Millionen Euro. &bdquo;Etliche der Veränderungen sind fremdbestimmt. Aber auch der Rat selber hat insbesondere seit der Befreiung vom Joch der Haushaltssicherung 2020, Beschlüsse mit erheblichen finanziellen Auswirkungen gefasst, die die Haushaltssituation belasten“, sagt Kaschel. Er geht auch auf den Eckdatenbeschluss ein, den das rot-grün-rote Bündnis zum Etat 2023 gefasst hat. &bdquo;Einerseits sollen alle Wünsche und Vorhaben umgesetzt werden, andererseits soll die Haushaltssicherung zwingend vermieden werden, wobei gleichzeitig Steuererhöhungen ausgeschlossen werden.“ Diese drei Vorgaben seien &bdquo;in ihrer Parallelität endlich“. Soll heißen: All das zusammen funktioniert nicht. &bdquo;Wir stehen derzeit haushaltsmäßig vor enormen Herausforderungen“, schließt Kaschel seine Rede. &bdquo;Ich lade dazu ein, die Sisyphos-Rolle anzunehmen und den Felsen wieder Richtung Gipfel zu stemmen, und das möglichst bevor er gänzlich ins Tal gerollt ist.“ Wenn der Kämmerer, wie am Donnerstag, den Haushalt in den Rat einbringt, geschieht dies traditionell ohne Aussprache. Verabschiedet wird das Zahlenwerk im Dezember.

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