Gaskrise: Sozialdezernent in Bielefeld sagt, was die Stadt im Winter plant

Herr Nürnberger, die CDU kritisiert die abwartende Haltung der Stadt bei Maßnahmen gegen die steigenden Energiekosten. In der Tat regierte die Stadt auch auf unsere Nachfrage zurückhaltend. Warum? Sozialdezernent Ingo Nürnberger: Vielleicht haben wir auf die Nachfragen zurückhaltend reagiert, aber wir sind nicht beim Machen zurückhaltend. Wir haben den Betrieb in ganz vielen Bereichen runtergefahren, auch, weil grad Sommerpause ist. Und natürlich haben wir längst Listen, wie wir im Herbst und im Winter Energie sparen können. Wo wird denn gerade schon gespart? Wir achten schon seit Jahren darauf, in der Sommerpause den Energieverbrauch zu drosseln. Zwei Hallenbäder sind zu, in Hitzephasen wird auch in den Freibädern das Wasser weniger beheizt, die Lehrschwimmbäder in den Schulen werden selbstverständlich runtergefahren. Die Beleuchtung im öffentlichen Raum ist schon seit längerem auf LED-Technik umgestellt. Die CDU fordert angesichts der erwarteten höheren Kosten in Millionenhöhe, zum Beispiel die Sparrenburg-Beleuchtung auszustellen, um zu sparen. Was halten Sie davon? Einfach das Licht auszuschalten, beispielsweise am Rathaus oder an der Sparrenburg, oder die Beleuchtung im öffentlichen Raum zu verringern, wie die CDU das fordert – das belastet unser Lebensgefühl weiter. Es verursacht noch mehr Verunsicherung bei den Leuten und bringt auch nur begrenzt wirklich was. Uns allen muss klar sein: In den Bereichen, wo wir als Stadt viel Energie sparen können, hat das richtig schmerzliche Auswirkungen auf ganz viele Menschen, grad im Freizeitbereich. Was heißt das konkret? Wir müssen auf jeden Fall versuchen, mit unseren Maßnahmen möglichst wenig Schaden zu verursachen – zum Beispiel im Schulbetrieb. Ich finde den Vorschlag der SPD gut, sofort nach der Sommerpause gemeinsam über das weitere Vorgehen zu sprechen. Wir haben dafür Maßnahmevorschläge in petto. In anderen Städten wie zum Beispiel im schleswig-holsteinischen Rensburg wurde die Eisbahn auf dem Weihnachtsmarkt für dieses Jahr schon gestrichen, weil die Kühlaggregate zu viel Strom verbrauchen. Käme so etwas auch für Bielefeld in Frage? Es kommt viel in Frage, aber zu viele Spekulationen helfen auch nicht. Sowohl wir als Stadt als auch private Anbieter werden überprüfen müssen, was wir uns noch leisten können und wo wir sparen können. Heizpilze werden sich wohl von allein erledigen. Wir planen zurzeit einen Runden Tisch insbesondere mit der Wohnungswirtschaft. Müssen die Maßnahmen noch verschärft werden, wenn es wirklich zu einem Versorgungsengpass bei Gas kommen sollte? Ja, aber darüber wollen wir jetzt noch nicht spekulieren. Hat die Stadt auch schon über Wärmehallen nachgedacht? Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, Menschen derart in Angst und Schrecken zu versetzen. Wärmehallen sind ja dafür gedacht, Leute, die zuhause frieren, in Großunterkünften unterzubringen. Wir werden uns um Menschen mit geringen Einkommen kümmern müssen, aber bevor wir Menschen in Wärmehallen unterbringen, gibt es noch viele andere Möglichkeiten des Energiesparens. Und auch der Unterstützung für bedürftige Menschen. Die teueren Preise treffen besonders Menschen, die nicht so viel haben und vorher schon sparen mussten. Für die wird es eng. Ja, daran arbeiten wir bereits intensiv. Folgende Dinge werden wichtig sein: Wir werden mit den Stadtwerken noch enger zusammenarbeiten, Strom- oder Gassperren zu verhindern, wenn Menschen ihre Rechnung nicht mehr bezahlen können. Wir wollen darüber aufklären, was steigende Energiekosten für die Menschen bedeuten. Zum Beispiel, dass Grundsicherungsbezieher die Heizkosten übernommen bekommen, die steigenden Stromkosten aber selbst aus der Grundsicherung bezahlen müssen. Wir werden außerdem viel beraten müssen, wenn Menschen in Schulden geraten. Zudem wollen wir die Menschen an der Schwelle zur Armut animieren, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen – niemand muss sich dafür schämen, das wollen wir klarmachen. Weitergehende kommunale Maßnahmen würden richtig teuer werden: Beispielsweise Verzicht auf Essensgelder in Kitas und Schulen oder kostengünstiges Essen in unseren Seniorenangeboten. Vor allem der Bund und die Länder sind gefordert, Menschen in Not zu helfen, insbesondere durch eine schnelle Erhöhung der Grundsicherungsleistungen. Zum Schluss noch etwas ganz anderes. Im September steht Ihre Wiederwahl als Dezernent an. Sind Sie vor einer solchen Wahl noch nervös? Nein, ich bin nicht nervös und hoffe auf eine breite Unterstützung im Rat. Ich habe die ganze Zeit transparent und offen mit den Ratsmitgliedern zusammengearbeitet, und wir haben im sozialen Bereich auch gemeinsam viel geschafft. Ich freue mich auch auf eine weitere Amtszeit, wir haben noch viel zu tun: zum Beispiel Kitaplätze schaffen und insgesamt noch familienfreundlicher werden, Bedingungen für ein gutes Zusammenleben in den Stadtteilen schaffen und die Folgen von Armut mindern.

Meistgelesen