Spektakuläre Funde: Wo vor 1.800 Jahren in Bielefeld die Germanen hausten

Bielefeld. Der Ort war für lange Zeit in Vergessenheit geraten. Jahrhundertelang schlummerten die Überreste einer germanischen Siedlung nahe des Mühlenbachs in Sieker im Boden, ehe sie in den 80er Jahren von Archäologen des LWL ausgegraben und erforscht wurden. In der Folgezeit wiesen dann steinerne Stelen auf die Stelle hin, an der zur Zeit des Römischen Kaiserreiches ein Langhaus stand – und doch drohte der Ort einmal mehr aus dem Bewusstsein der Menschen zu verschwinden. &bdquo;Wir sind oft von Bürgern gefragt worden, was es mit den Steinen hier eigentlich auf sich hat“, sagt der Stieghorster Bezirksbürgermeister Bernd Henrichsmeier. Ein jetzt aufgestelltes Informationspult soll zukünftig dafür sorgen, dass sich die Spaziergänger und vor allem die Anwohner dessen gewahr sind, dass an gleicher Stelle schon vor rund 1.800 Jahren Menschen gelebt haben – und das schon damals aus gutem Grund. Die Stelle im Park an der Stralsunder Straße unweit des Butterkamps ist schon in der Eisenzeit von Menschen als Wohnort erkoren worden, etwa um 200 nach Christus tauchten dann erneut germanische Siedler auf. &bdquo;Das ist eben eine sehr günstige Lage hier“, erläutert Julia Hallenkamp-Lumpe, wissenschaftliche Referentin des LWL. Mit dem Mühlenbach ist fließendes Wasser in direkter Nähe, die Häuser selbst standen – vor Hochwasser gut geschützt – etwas oberhalb. &bdquo;Es ist kein Wunder, dass hier immer wieder Menschen hingekommen sind.“ Die Siedlung, auf die jetzt sowohl mit Stelen als auch mit dem aufwendig gestalteten Pult hingewiesen wird, bestand etwa 300 Jahre lang, rund 25 Haupt- und Nebengebäude sowie 13 Speicherbauten und fünf Grubenhäuser konnten nachgewiesen werden. Diese bestanden allerdings nicht alle zur gleichen Zeit. &bdquo;Die Langhäuser hatten alle nur eine beschränkte Lebenszeit“, erläutert Hallenkamp-Lumpe. &bdquo;Wenn die stützenden Pfosten verrottet waren, zogen die Menschen einfach ein paar Meter weiter.“ Dabei wurde alles, was vom alten Haus noch verwertbar war, wieder benutzt. &bdquo;Schon eine sehr nachhaltige Lebensweise“, so die Archäologin. Gräberfeld mit 66 Brandgräbern, Urnen und Grabbeigaben entdeckt Für sie und ihre Disziplin ist es allerdings ein Glück, dass die alten Germanen nicht restlos alles recycelt haben. So konnten bei den Grabungen vor allem in den Ufernischen Keramikgefäße und Werkzeuge gefunden werden. Wenige Meter weiter, jenseits des Baches, war zudem unweit des Sieker Friedhofs ein zur Siedlung zugehöriges Gräberfeld mit 66 Brandgräbern, Urnen und Grabbeigaben entdeckt worden. Zu den spektakulärsten Funden gehören derweil Gegenstände von ganz eindeutig römischer Herkunft: Eine zum Schmuckstück umfunktionierte Goldmünze aus dem Jahr 263, ein vermutlich aus dem Raum Trier stammender Spruchbecher mit der Aufschrift &bdquo;PETE VINUM“ (etwa: &bdquo;Gib mir Wein!“) oder eine bunte Scheibenfibel mit kunstvoll gearbeiteten Emaileinlagen zeigen, dass die bäuerlich lebenden Germanen durchaus Kontakt zum benachbarten Imperium hatten – sei es mit Handel oder als Soldaten im Dienste der römischen Legionen. Roland Lasche, der in der Bezirksvertretung das Projekt des Info-Pultes maßgeblich vorangetrieben hatte, hat mit Blick auf die Funde auch den nur knapp zwei Kilometer Luftlinie von der Siedlung entfernten römischen Wachtposten an der Promenade vor Augen. &bdquo;Ich stelle mir immer vor, wie die Römer von da oben geguckt haben, was die Germanen hier unten so machen“, so der Grünen-Politiker, der in dem Austausch zwischen den Kulturen ein erstes zaghaftes Aufkeimen eines europäischen Gedanken sieht. Keimzelle für Bielefeld Wie zerbrechlich diese Verbindung, der Frieden und letztlich auch der bescheidene Wohlstand der Siedlung sind, zeigten die folgenden Jahrhunderte. Mit der Völkerwanderung verschwand das Römische Reich von der Weltkarte und in Sieker die Menschen aus dem Mühlenbachtal. Erst geraume Zeit später wurde wieder dort gesiedelt. Eine Keimzelle für Bielefeld war der Germanen-Hof allerdings nicht nur wegen der Lücken in der Siedlungsgeschichte nicht: &bdquo;Es hat hier in der Region sicher viele solche Gehöfte gegeben, allerdings gibt es nur wenige, in denen wir wie hier graben konnten“, sagt Julia Hallenkamp-Lumpe. Entsprechend können sich jetzt historisch interessierte Bielefelder bei einem Spaziergang in Sieker ein umfassendes Bild über die Frühgeschichte des Ortes machen, der einmal ihre Heimatstadt werden sollte. Wer sich die bei den Ausgrabungen gemachten Funde anschauen möchte, muss indes etwas weiter fahren: Einige der Exponate werden im LWL-Museum für Archäologie in Herne gezeigt.

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