Bielefeld Bielefelderin (17) vermisst: Vater wehrt sich gegen schwere Vorwürfe

Bielefeld. Das Verschwinden der 17-jährigen Jesidin Zhinwar M. hat in Bielefeld für große Aufregung gesorgt. Seit dem 25. April ist sie spurlos verschwunden, seit dem 1. Juni sucht eine Mordkommission der Bielefelder Polizei ein Lebenszeichen von ihr, seit Donnerstag stehen ihr Vater und weitere Familienangehörige als Beschuldigte unter Verdacht, an dem Verschwinden oder sogar am Tod der Jugendlichen beteiligt zu sein. Nun setzt sich erstmals der Vater gegen die Vorwürfe der Ermittlungsbehörden zur Wehr – indirekt. Anzeige im Irak Der Bielefelder hat seinen Rechtsanwalt Andreas Chlosta dazu beauftragt, nun seine Sicht der Geschehnisse darzustellen. &bdquo;Mein Mandant fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt“, sagt der erfahrene Strafverteidiger. Die Mordermittler werfen den Eltern vor, erst zwei Wochen nach dem Verschwinden der 17-Jährigen eine Vermisstenanzeige erstattet zu haben. &bdquo;Das stimmt nicht. Mein Mandant ist einen Tag nach dem Verschwinden zurück in den Irak geflogen und hat dort eine Vermisstenanzeige erstattet“, betont der Verteidiger. Reisegrund: Zahn-OP Dass ihm zudem vorgeworfen werde, er könnte seiner Tochter aus traditionellen oder religiösen Beweggründen etwas angetan haben, habe ihn hart getroffen: &bdquo;Mein Mandant sagt, er sei nicht religiös und schon gar nicht fundamental“, sagt Chlosta. Er sei mit seiner Frau, dem älteren Bruder und Zhinwar nach Istanbul geflogen, um der 17-Jährigen dort eine kosmetische Zahnbehandlung zu ermöglichen.“ Weil man ihnen dort aber gesagt habe, dass die Patientin dafür zu jung sei, sei die jesidisch-irakische Familie in den Nordirak weitergereist. Dort hätten die 17-Jährige wie auch die Mutter die gewünschte Zahnbehandlung erhalten. Das Verschwinden Weil drei Tage später noch eine Kontrolle stattfinden sollte, flog der Vater wieder zurück zu seinem Geschäft in Bielefeld und den kleineren Kindern. Mutter und Tochter reisten währenddessen zu Sehenswürdigkeiten in das Gebiet zwischen Dohuk und Mossul, so berichtet es der Vater, der laut Chlosta in Bielefeld ein Reisebüro führt. Während dieser Reise soll die Schülerin dann in einem kleinen Ort abgehauen sein. Weil dort keine Polizeiwache existiert, sei die Mutter zu ihrer Schwester nach Dohuk gefahren, um von dort aus den Ehemann über das Verschwinden zu unterrichten. Warum die 17-Jährige abgehauen sei, lässt der Vater offen. Die Tochter sei immer für Überraschungen gut gewesen. Während daraufhin Mutter und Bruder den gebuchten Rückflug am 25. April ohne Zhinwar antreten, soll sich der Vater tags darauf wieder in den Irak aufgemacht haben, um in Dohuk bei Gericht und Polizei alles zur Suche nach seiner Tochter in die Wege zu leiten. &bdquo;Ich tue alles, um sie zu finden“, sagt er seinem Anwalt. Problem-Kind? Dass es zwischen Eltern und Tochter Konflikte gab, bestreitet auch der Vater nicht. Dabei sei es laut Closta darum gegangen, dass die 17-Jährige einen falschen Umgang pflegte. Die Eltern hatten Sorgen, dass ihre Tochter Alkohol oder sogar Drogen nehmen könnte. Zhinwar sei schon mal abgehauen, auch das Jugendamt sei involviert gewesen, berichtet Chlosta. Die Eltern wollten also bewirken, dass ihre Teenager-Tochter nicht den falschen Weg einschlage. Polizei glaubt ihm nicht Das habe der Vater auch den Kripo-Beamten in Bielefeld berichtet, als er am 9. Mai – also zwei Wochen nach dem Verschwinden – eine Vermisstenanzeige erstattete. &bdquo;Mein Mandant hatte den Eindruck, dass ihm die Beamten nicht richtig zugehört haben.“ Tatsächlich halten die Ermittler der Mordkommission &bdquo;Reise“ die Erklärungen der Familie für nicht plausibel. Das Problem: Für die Reisen in den Irak und wieder zurück, scheint es keinerlei Belege zu geben. Zugriff auf die Passagierlisten der irakischen Fluglinien habe die Kripo auch nicht. Die Mordermittler halten die Spannungen zwischen der Weltanschauung des Mädchens und den Werten der Familie für einen wichtiges Motiv. Das will Andreas Chlosta ändern. Sein Mandant soll jetzt einen offiziellen Beleg aus dem Irak vorlegen, der beweise, dass er im Irak alles für die Suche nach der Tochter in die Wege geleitet habe. Freundin als Auslöser Der Anwalt gibt aber auch zu, dass sein Mandant die Polizei in Bielefeld nicht aus eigenen Stücken aufsuchte. Auslöser sei eine Freundin der 17-Jährigen gewesen. Sie sei zur Polizei gegangen, weil sie mit dem Vater in Streit geraten war. Dabei soll es um eine verschwundene Bankkarte und 1.000 Euro gegangen sein, die vom Konto der Familie abgehoben worden seien. Während dieses Gesprächs bei der Polizei habe die Freundin den Beamten vom Verschwinden Zhinwars berichtet. Sie war also der Auslöser für erste polizeiliche Ermittlungen in Bielefeld.Chlosta: &bdquo;Daraufhin ist die Polizei zu meinem Mandanten gefahren und hat ihn aufgefordert, eine Vermisstenanzeige zu erstatten.“ Ob er das nicht für nötig hielt, weil die Tochter ja im Irak verschwunden war und nicht etwa in Bielefeld oder ob es dafür andere Gründe gab, musste der Anwalt offen lassen. Dem gegenüber stehen weiterhin schwere Vorwürfe gegen mehrere von Zhinwars Familienmitgliedern. Diese gipfelten zuletzt sogar in Wohnungsdurchsuchungen. Die Mordermittler erhoffen sich Erkenntnisse über die Geschehnisse zwischen Bielefeld und dem Irak durch Handy-Chats, Telefonbewegungen und andere IT-Daten. Markus Mertens, Leiter der Mordkommission "Reise", sagt im WDR-Interview zu dem Fall: &bdquo;Ich ganz persönlich bin der Auffassung, dass wir dieses Mädchen nicht lebend wiedersehen werden.“ Seit dem 24. April gibt es kein Lebenszeichen mehr von der jungen Deutsch-Irakerin.

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