Heißbegehrtes Wohnmodell: So klappt's mit dem Generationen-Projekt

Bielefeld. Kann jemand heute mein Kind aus der Kita abholen? Einkaufen, weil ich leider in Quarantäne bin? Mir sein Auto leihen? Per Messengerdienst Signal findet sich im Wohnprojekt Quartier Ost immer schnell jemand, der einspringt. Das ist nur ein Vorzug des Zusammenlebens von Jung und Alt, berichten nicht nur dort die Bewohner. Einige Generationen-Projekte haben sich in den vergangenen Jahren in der Stadt entwickelt, zehn neue sollen im Rahmen der Baulandstrategie bis 2025 &bdquo;zumindest ans Laufen kommen“ und gefördert werden, so Sozialdezernent Ingo Nürnberger. Das Büro für Integrierte Sozialplanung hat dazu in enger Zusammenarbeit mit dem Bauamt jetzt ein Konzept erstellt, das Initiativen bei der Entwicklung unterstützen soll. Auf ihrer Homepage hat die Stadt Informationen rund um das Thema zusammengefasst und verlinkt zu bestehenden und geplanten Projekten. Eines davon ist das Cityhaus. 24 Wohneinheiten in urbaner, zentraler Lage für ein Leben ohne eigenen Pkw, familienfreundlich, altersgerecht und bezahlbar: Das ist der schon recht konkrete Traum der 2017 gegründeten Initiative. Sie hat dafür auch - wie berichtet und mehrfach Thema in der Bezirksvertretung - bereits seit längerer Zeit ein etwa 3.000 Quadratmeter großes Grundstück der Stadt, aktuell ein Parkplatz, im Blick: am Marktplatz Schildesche. Für die Nutzung zu Wohnzwecken müsse der Bebauungsplan allerdings noch angepasst werden, so Sabine Behle, Betriebswirtin und Mitbegründerin des Vereins Cityhaus. "Leider zieht sich der Prozess sehr in die Länge." Die Finanzierung hingegen sei gesichert: Mit der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugenossenschaft (GSWG) habe der Verein bereits einen Baupartner gefunden. "Einige junge Familien sind mittlerweile leider schon wieder abgesprungen, weil es so lange dauert", berichtet Behle. Das sei schade. Aber verständlich, wenn beispielsweise Schulstart oder -wechsel anstehen. Der lange Atem hat sich gelohnt Auch beim Wohnprojekt Quartier Ost hat's etwas gedauert. "Aber vor zwei Jahren - mitten im ersten Corona-Sommer - konnten wir dann tatsächlich hier einziehen", sagt Ines Olders (72). Auch hier steht ein Verein dahinter, den Olders bereits 2014 mitgegründet hat. Auch die Bauphase habe sich verzögert und insgesamt über vier Jahre gezogen. Aber der lange Atem habe sich gelohnt. "Unser Innenhof ist das Allerschönste", sagt Olders, die im Projekt eine offen geschnittene 70-Quadratmeter-Wohnung mit eigener Terrasse im Erdgeschoss bewohnt. Den Grundriss habe sie mitbestimmen können. "Wir haben uns bei einem von der Stadt organisierten Treffen zum Thema gemeinschaftlich Wohnen kennengelernt und dann zusammengetan", berichtet Olders, die mit 72 Jahren die älteste der Bewohnerinnen und Bewohner (30 Erwachsene und 10 Kinder) ist. Als Investor für die teils frei finanzierten, teils geförderten Wohnungen hat der Verein die Freie Scholle gewinnen können. "Darüber haben wir auch das Grundstück in Stieghorst hier gefunden", berichtet sie. Dass sie jetzt nach der langen Zeit mit Coronabeschränkungen alle zusammen in der großen Gemeinschaftsküche kochen, ein Straßenfest mit Flohmarkt oder Ausflüge planen können, freue alle sehr. Grillplatz, Waschmaschine, Auto, Zeitung und vieles andere: "Wir teilen uns ganz viel hier", berichtet Franca Hübner. Die 28-Jährige wohnt zusammen mit Tochter Dorli (3) und Ehemann Nils im Wohnquartier in einer Vierzimmerwohnung. Sie seien zufällig auf das Projekt gestoßen. Dass ihre Tochter immer jemanden zum Spielen hat, sei einfach toll. "Sie kann hier ganz unterschiedliche Menschen, die im Idealfall für sie zu Bezugspersonen werden, kennenlernen", ergänzt Nils Hübner. Und Vielfalt. Aber natürlich gebe es auch Konflikte. In dieser Form zusammenzuleben sei spannend, könne aber auch ganz schön anstrengend sein, so Olders. Man müsse nicht ständig zusammenhocken, jeder habe schließlich sein eigenes Leben, noch andere Freunde und Bekannte. "Alle akzeptieren, wenn sich jemand zurückzieht." Das sei auch ganz wichtig. In den Gästewohnungen sind aktuell Müttern und Kinder aus der Ukraine untergebracht Bei den bestehenden Wohnprojekten in der Stadt stehen einige Interessenten auf der Warteliste, berichten die Vereine. Ehrensache für die Bewohner im Quartier Ost und auch im Mehrgenerationen-Wohnprojekt in Quelle, dass sie ihre jeweilige Gästewohnung im Haus derzeit Müttern und Kindern aus der Ukraine zur Verfügung stellen. Grundsätzlich sei das Interesse am gemeinschaftlichen Wohnen auf jeden Fall groß, berichtet auch Martina Buhl vom Büro für Integrierte Sozialplanung und Prävention der Stadt. Sie organisiert vierteljährlich Treffen zum Thema gemeinschaftlich Wohnen. "Es gibt viele Interessenten", bestätigt Nürnberger. Jetzt gehe es darum, geeignete Projektpartner und Grundstücke zu finden. Das könne im Rahmen der Baulandstrategie gelingen, wenn neue Bebauungspläne für größere Grundstücke aufgelegt werden. Aber auch im Rahmen von kleineren Bauvorhaben. Zum ehrgeizigen Ziel der Stadt, bis 2025 zehn neue Projekte auf den Weg zu bringen, sagt er: "Das können ganz neue Projekte sein, aber auch die von Gruppen, die jetzt schon seit einiger Zeit auf Grundstückssuche sind, wie das Projekt Cityhaus oder andere." Konkrete gemeinschaftliche Wohnprojekte im Rahmen der Baulandstrategie gebe es derzeit allerdings noch nicht. "Es finden aber viele Beratungen von Interessenten statt", ergänzt Nürnberger. Weitere Infos von der Stadt und Kontakte rund ums Thema gemeinschaftlich Wohnen unter www.bielefeld.de/gemeinschaftlich-wohnen.

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