Tag der offenen Türen

Offene Wohnprojekte in Bielefeld: Wo Hausbewohner zur großen Familie werden

„Gemeinschaftliche Wohnformen“ versprechen Zusammenhalt und Unterstützung. Sie gelten als Rezept gegen Einsamkeit und teils als potenzieller Ersatz für Sozialarbeit. Einige öffnen jetzt ihre Türen.

Sind gemeinschaftliche Wohnprojekte die Wohnform der Zukunft? | © Symbolfoto: AS Photography/Pexels

Martin Krause
26.09.2025 | 26.09.2025, 17:06

Bielefeld. Das Leben ganz allein in einem anonymen Wohnkomplex war gestern. Für mehr Zusammenhalt und gegen die Einsamkeit gewinnt „gemeinschaftliches Wohnen“ heute an Bedeutung. Im Vorfeld des „Tags der offenen Wohnprojekte“ an diesem Samstag (27. September), an dem vorhandene sowie geplante Projekte ihre Türen öffnen und Infos bieten, berichtete Julia Meinert begeistert über ihre Erfahrungen in der „Hausgemeinschaft im Pauluscarree“ mit 45 Bewohnern und Bewohnerinnen aus allen Generationen.

„Wir bieten uns gegenseitig Unterstützung und Entlastung“, schwärmt sie. Ein Austausch der Fähigkeiten gewähre Hilfe in vielen Lebenslagen, vom Essenkochen bis zur Nachhilfe für die Kinder. Es gebe Möglichkeiten für eine gemeinsame Freizeitgestaltung, aber keinen Zwang dazu, wenn es gerade nicht passt. „Unser Sohn konnte neulich mit einer Mitbewohnerin an einer Fledermaus-Nachtwanderung teilnehmen“, nennt sie ein kleines Beispiel. „Das hätten wir selbst sonst gar nicht organisieren können.“

Auch die Bielefelder Wirtschafts- und Baudezernentin Claudia Koch lobt die Möglichkeiten gemeinschaftlicher Wohnformen: Bielefeld sei eine der ersten Städte, in denen verschiedene Konzepte dafür entstanden seien, von Mehrgenerationenprojekten bis hin zu Projekten für Menschen mit Versorgungsbedarf. Im Idealfall „wachsen die Bewohner und Bewohnerinnen wie eine Familie zusammen“, stellte sie jetzt fest. Es gehe um Verlässlichkeit im Zusammenleben und darum, „gegenseitig aufeinander zu achten“. Ein natürlicher Ersatz für Sozialarbeit, gewissermaßen.

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Engagieren sich für "gemeinschaftliches Wohnen": Architekt Walter Hauer (v.l.), Bielefelds Wirtschaftsdezernentin Claudia Koch, Martina Buhl (Büro für Sozialplanung/Stadt Bielefeld), Monika Klostermann (Netzwerk selbstorganisierter Wohnprojekte), Julia Meinert (Hausgemeinschaft Pauluscarree) und Oliver Klingelberg (BGW). - © Sarah Jonek
Engagieren sich für "gemeinschaftliches Wohnen": Architekt Walter Hauer (v.l.), Bielefelds Wirtschaftsdezernentin Claudia Koch, Martina Buhl (Büro für Sozialplanung/Stadt Bielefeld), Monika Klostermann (Netzwerk selbstorganisierter Wohnprojekte), Julia Meinert (Hausgemeinschaft Pauluscarree) und Oliver Klingelberg (BGW). | © Sarah Jonek

Die Stadt hilft als Türöffner und Vermittler

Die Stadt diene als Türöffner für staatliche Fördermittel und als Vermittler für neue Partnerschaften, sagte Koch. Inzwischen gebe es neben starken Akteuren wie der kommunalen Wohnungsgesellschaft BGW auch private Investoren, die das Thema für sich entdeckt hätten – so wie der Architekt Walter Hauer, der mit seiner Firma G-Eins GmbH derzeit im Begriff ist, für den Verein Wolke 79 das Wohnprojekt Wolke 79 zu realisieren. Voraussichtlich schon 2026 soll an der Bleichstraße mit dem Bau eines fünfgeschossigen Holzhauses mit 22 Wohnungen begonnen werden. Etwa ein Viertel der Wohnungen sollen Eigentumswohnungen sein, die anderen werden öffentlich gefördert und mit entsprechend gedeckelten Mieten angeboten.

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Hauer rechnet mit Baukosten von gut sieben Millionen Euro, zehn Prozent will er mit Eigenmitteln aufbringen – den größeren Teil hingegen mit WfA-Fördermitteln der NRW.Bank für Holzbauweise, Nullenergiehäuser und die Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums.

Die Baulandstrategie sieht eine bevorzugte Vergabe von Grundstücken an gemeinschaftliche Wohnvorhaben vor. Mindestens sieben bestehende Projekte nennt das Bielefelder Netzwerk selbstorganisierter Wohnprojekte bisher, doch es gibt noch weitere. Zudem sind einige Initiativen in der Planung, für zwei oder drei soll der Baubeginn schon 2026 sein. Folgende zwölf Projekte und Initiativen stellen sich am Samstag vor:

Das Programm am Tag der offenen Wohnprojekte

• Wohnprojekt Quartier Ost, 10 bis 12 Uhr, Insterburger Str. 12;

Bielefelder Beginenhöfe, 11 bis 12 Uhr, Kalr-Oldewurtel-Str. 31;

Ökologische Siedlungsgemeinschaft Waldquelle, 11.30 bis 13 Uhr, Waldquellenweg 2;

Wohnprojekt Arminstraße, Infos am Bauplatz, 12.30 bis 13.30, Arminstr. 37/Ecke Paulastr.;

Wohnprojekt 5, 13 bis 14.30 Uhr, Lipizzanerweg 4;

Guter Grund für kleines Wohnen, Mikrohausdorf, 12 bis 15 Uhr, Hollensiek 70;

Wohnprojekt Heisenbergweg, 14.30 bis 16 Uhr, Heisenbergweg 8;

CityHaus, Infos am Bauplatz, 14.30 bis 15.30, Auf dem langen Kampe 9 und 13;

Wolke 79, Haus aus Holz, Infos am Bauplatz, 15.30 bis 16.30 Uhr, Bleichstr. 79;

Initiative Petristraße 2, 16.30 bis 18 Uhr, Petristr. 2;

anschließend: Führung im Projekt Planet 42, Hakenort 42;

Hausgemeinschaft im Pauluscarree, 17.30 bis 19 Uhr, Frachtstr. 9;

dort ab 19 Uhr: Tages-Resümee und Ausklang.