Flüchtlingsunterkunft in Bielefelder Kulturzentrum binnen 48 Stunden voll

Bielefeld. Franz Schaible ist kurzatmig, gestresst. Telefon hier, kurzes Gespräch da, Problem hier, Flüchtlinge da, dazu der Krisenstabsleiter vor Ort im KuKS, die Presse auch - und wilde Stunden liegen hinter ihm. Er und seine Stiftung Solidarität haben binnen weniger Tage das Kulturzentrum in Sieker erst leergeräumt und dann wieder vollgestellt. Nur anders. Für 80 Menschen ist hier nun Platz, in grauen Kabinen. Es gibt welche mit zwei, vier oder sechs Betten. Für viele Ukrainer wird das ihr neues Zuhause - für Wochen, Monate. Jahre? Eine Quarantänestation gibt es, für acht Menschen. Gut 30 sind am Samstag schon da, "Sonntagabend ist das hier voll belegt", ist sich Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger Samstag sicher. Monique Rennemann von der Stiftung leitet die Flüchtlingsunterkunft. "Zum Glück sind bisher alle negativ getestet", sagt sie mit Blick auf Corona. Sie ahnt: "Sowie es hier erste Fälle gibt, wird das ganze KuKS schnell zur Quarantänestation."Montag entsteht vor dem Haus in Sieker ein Spielplatz Besonders stolz sind sie und Schaible auf die binnen Stunden und Tagen aus dem Boden gestampfte Infrastruktur für Frauen und Kinder. Es gibt einen Bereich für Mütter mit kleinen Kindern bis drei Jahren - zehn Mutter-Kind-Plätze gibt es hier. Einen Stillraum auch. Und es gibt ein Spielzimmer. Und, so Schaible: "Montag entsteht vor dem Haus ein Spielplatz." Der mit seinem Kletterzentrum benachbarte Alpenverein habe sogar kostenlose Kletterkurse angeboten, damit Kinder auch mal den Kopf kurz frei bekommen können. Alles wichtig, wenn Menschen so eng beieinander leben, zusammengewürfelt, verbunden durch das große Trauma Flucht. "Wir wollen uns hier auf Frauen und Kinder bis zwölf Jahre konzentrieren", sagt Schaible, "das ist besser für die Harmonie." Immer vor Ort: jemand aus der Leitung, dem psychosozialen Bereich, dem Wachdienst, von den Maltesern um Maik Brinkmann. Es gibt einen Essbereich, eine Küche. Wie wild losgeschraubt Schaible führt herum, zeigt 90 kleine und 20 große Spinte. Freiwillige statten sie mit Schlössern aus. So auch Schüler Simon Sommerkamp (17). "Meine Eltern und ich haben Spenden gebracht, jetzt helfen wir hier eben einfach noch etwas." Hilfe, die benötigt wird. Schaible ist stolz auf die Ehrenamtlichen, auf das, was geleistet wurde und wird. Donnerstag nachmittags schaffte er es endlich, eine Firma zu finden, die Stellwände für die Unterkunft liefern konnte. "Die kamen dann Freitag um 8 Uhr, um 7.15 Uhr waren bereits die Betten da." 30 Ehrenamtliche schraubten dann wie wild los, die Unterkunft erwuchs mitten in den riesigen Halle. "Die Stellwände zu besorgen, war echt eine Kunst", sagt Schaible erleichtet, plötzlich werden Dinge knapp, die vor kurzem noch gut verfügbar waren. Wickeltische wurden von Ikea geholt, "da brauchst du ja ein Studium, um die aufzubauen", lernte Schaible. Samstag wurden sie zusammengeschraubt. Die Stiftung finanziert alles vor, wer mit wem wann abrechnet, ist dann später Thema. Nachts kommt das Trauma Vor sieben Jahren, als Flüchtlinge schlagartig Thema wurden, kamen 120 Menschen im KuKS unter, jetzt sollen es etwas weniger sein, auch, weil sie vielleicht sehr lange bleiben werden. Schlimmes haben sie erlebt, oft sind die Männer und andere Familienmitglieder im Kriegsgebiet geblieben, so Nürnberger. "Das belastet enorm." Die krisenerfahrene Rennemann zu Traumata: "Jetzt sind die Menschen erst einmal erschöpft, es ist sehr viel Neues um sie herum - aber nachts, da kommen dann die Erinnerungen, die Bilder, das Trauma." Mehr als 1.500 Flüchtlinge sind bereits in Bielefeld, viele sind privat untergekommen, für die anderen setzt die Stadt erst einmal auf die großen Lösungen. Die schnell viele Betten bringen. Nürnberger zählt auf: Im Rütli gibt es 150 feste Plätze, hinzu gekommen sind etwa 120 Feldbetten. Vom Rütli aus kommen Menschen dann ins KuKS und andere Flüchtlingsunterkünfte. An der Schillerstraße rechnet er kommende Woche mit 100 neuen Plätzen, am Kleiberweg im ehemaligen Handwerkerbildungszentrum soll es schnell gehen, weil vieles noch von 2015 vorhanden ist, die Turnhalle des Carl-Severing-Berufskollegs ist Unterkunft, Britenhäuser werden vorbereitet, das Kulturhaus Ostblock an der Werner-Bock-Straße wird erneut Flüchtlingsunterkunft. Zum Thema:Oberbürgermeister Pit Clausen forderte schnelle Hilfe durch die Landesregierung - größere Herausforderung als Flüchtlingskrise 2015 Erst die großen Einheiten Wenn alles klappe, seien es 700 bis 800 Plätze. Hinzu kommen die privaten Angebote, und 100 bis 200 Plätze in Bethel. Und was ist mit dem kaum noch genutzten Impfzentrum an der Stadthalle? Nürnberger schüttelt den Kopf. Es müsse klar sein, dass alles, was jetzt zur Unterkunft werde, sehr lange Unterkunft sein werde. Er denke eher noch an die Rochdale-Baracken. Privat werde zurzeit nur geprüft, was eine abgeschlossene Einheit sei - alle anderen Angebote könnten erst später geprüft werden. Da gehe es derzeit auch um effektives Arbeiten, so schnell wie möglich müssten mit dem vorhandenen Personal so viele Betten wie möglich organisiert werden. "Wir konzentrieren uns auf die großen Einheiten, werden aber später alles nutzen, auch in Familien." Schaible ist froh, in dieser Zeit die Bielefelder hinter sich zu wissen. Zurzeit werde am dringendsten Geld benötigt, aktuell gebe der Flüchtlingsfonds täglich 15.000 Euro aus. Jeder Flüchtling erhalten sofort 100 Euro. Dass ganz viele Menschen mit allem helfen wollen - Zeit, Geld, Sachspenden - wissen er und Nürnberger zu schätzen. Schaible: "Die Bielefelder und ihr Engagement, ich ziehe davor meinen Hut." Informationen: Ukraine-Hilfe der Stadt Initiative Geflüchtete Willkommen in Bielefeld Hilfe für die Ukraine der Freiwillenagentur DRK Bielefeld: Wie kann ich helfen?

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