Das Dilemma der Bielefelder Verkehrspolitik

Bielefeld. Neuer Kfz-Rekord statt Verkehrswende – diese Schlagzeile zeigt, dass Bielefeld noch weit weg ist von einer neuen Mobilitätsstrategie. Die Zahl der zugelassenen Autos nimmt zu. In Coronazeiten scheuen viele, auf Bus und Bahn umzusteigen. MoBiel schafft es nur mühsam, die alten Fahrgastrekordzahlen wieder zu schaffen. Die Bielefelder Verkehrspolitik steckt in der Klemme. Dabei sorgen sich (fast) alle ums Klima, wollen weniger Schadstoffe, bessere Luft und mehr Sicherheit. Immerhin werden mehr E-Autos gekauft, doch ihr Anteil ist noch gering, die Nachhaltigkeit schwerer Hybridautos umstritten. Die Verkehrwelle rollt weiter. Auch viele Baustellen wie die auf dem Jahnplatz und Staus stoppen sie nicht. Doch wohin soll die Reise gehen? Bei wichtigen verkehrspolitischen Fragen drängen jetzt Entscheidungen. Die Kritik wächst und spitzt sich zu. 44 Initiativen aus Umwelt, Verkehr und Sozialem fordern in einem offenen Brief den Stopp der anstehenden Fernstraßenpläne in Bielefeld. Sie seien längst veraltet und überdimenstioniert. Das Erstere stimmt sicher. Angesichts jahrzehntelanger Debatten und Planverfahren sind Verkehrsprognosen längst überholt, wenn endlich gebaut werden soll. Allerdings: Der Trend geht immer noch weiter zu mehr Verkehr. Und deshalb ist die Frage, ob Zweiteres auch stimmt. Wer im Berufsverkehr unterwegs ist, hat da sicher Zweifel. Die Verkehrswelle rollt weiter Morgens und nachmittags wälzt sich die Blechlawine über die Hauptausfallstraßen. Im Osten sollen die geplante L 712n als Verlängerung der Ostwestfalenstraße aus Lippe mit Anbindung an die auf vier Spuren verlängerte Herforder Straße für Entlastung sorgen. Die, bei denen in Milse und Altenhagen täglich die Autos vor der Tür herfahren, werden das begrüßen. Aber die, hinter deren Grundstücken sie dann rollen, und Umweltschützer schlagen Alarm. Verkehr wird durch neue und größere Straßen verlagert und eher vermehrt. Im Westen ist die A 33 in Betrieb, die Anbindung Richtung Gütersloh soll über eine Ortsumgehung Ummeln verkürzt werden. Auch da würden einige profitieren, andere Nachteile haben. Das Dilemma der Verkehrsplaner. Und Gerichte sprechen ein wichtiges Wort mit. Ärger, aber kein Kollaps Der Jahnplatz-Umbau hat nicht zum großen Kollaps geführt, wie befürchtet. Er hat aber auch so manchen geärgert, der jetzt weitere Wege fahren muss. Ähnliches gilt für den Altstadt-Verkehrsversuch. Die Teilöffnung des Waldhofs hat hier etwas Dampf rausgenommen. Die Umwege und Staus als Folge waren sicher nicht nachhaltig. Aber im Altstadt-Hufeisen war manches besser: Weniger Autos, weniger Poser, weniger Lärm, weniger Schadstoffe. Dafür mehr Platz für Fußgänger, Radfahrer, Gäste der Lokale und Menschen, die gern in der City verweilen. Da hat Bielefeld &bdquo;altstadt.raum" gewonnen. Doch die Unsicherheit und Verwirrung ist vielen noch anzumerken, nicht nur Autofahrern von außen. Ob die Sperrungen Kunden und Besucher abschrecken, muss die Auswertung des Verkehrsversuchs zeigen. Anfangs schimpften viele, das hat nachgelassen. Doch Corona und die Jahnplatz-Sperrung machen Aussagen über Rückgänge schwierig. Der Zeitpunkt des Hufeisen-Tests war unglücklich. Vieles liegt noch im Argen Ein Altstadt-Verkehr, der nur mit Ordner funktioniert, hat keine Zukunft. Wenn die Autos weitgehend ausgesperrt bleiben sollen, müssen bessere, klarere Regelungen her. Beschilderungen, Vorwegweiser, Leitsystem, Öffentlichkeitsarbeite – da liegt bisher viel im Argen. Eine schnelle Lösung ist da nicht in Sicht. Trotzdem ist die Politik jetzt gefragt. Der Verkehrsversuch läuft am 28. Februar aus. Was ist dann? Wenn der Stadtentwicklungsausschuss erst am 1. März entscheiden kann, fehlt Beteiligten und Betroffenen Planungssicherheit. Kein guter Start für eine Weiterführung und Optimierung der Ziele beim &bdquo;altstadt.raum". Wenn er Sinn machen soll, müsste er positiv besetzt sein. Davon ist Bielefeld noch weit entfernt. Und das gilt auch für weitere wichtige Beschlüsse zur Verkehrswende, die die rot-grün-rote Ratsmehrheit bisher verschoben hat. Jetzt muss sie Farbe bekennen: Denn Fahrrad-Parkhaus Jahnplatz sowie die Konzepte für den künftigen Autoverkehr mit weniger öffentlichen Parkplätzen in der Innenstadt sowie die Fußwege stehen auf der Tagesordnung. Und die Kritik daran nimmt zu. CDU und FDP fordern ein grundsätzliches Umsteuern: Für sie ist der angestrebte &bdquo;Modal Split" mit einer Halbierung des Autoverkehrs und je 25 Prozent-Anteil von Rad, Fuß und ÖPNV unrealistisch und sollte geändert werden, weil er die Verkehrspolitik eher blockiere. Die Mobilitätsstrategie kommt in die heiße Phase.

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