Verkehrswende: Wann sind Bus und Stadtbahn eine Option?

Bielefeld. Eigentlich sind die Zahlen beeindruckend: Vor Corona nutzten im Jahr 60 Millionen Fahrgäste in Bielefeld Stadtbahn und Busse. Das hört sich für eine Verkehrswende schon gut an. Doch der Schein trügt: Denn damit entfallen gerade einmal knapp 15 Prozent aller Fahrten auf den öffentlichen Nahverkehr. Von ihrem ehrgeizigen Ziel, dies bis 2030 auf 25 Prozent zu steigern, ist die Stadt weit entfernt. Und trotzdem seien die Verkehrsbetriebe MoBiel &bdquo;nicht chancenlos, die Bielefelder häufiger oder grundsätzlich für den ÖPNV zu gewinnen", schließt Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner aus der repräsentativen Mente-Factum-Umfrage für die NW zur Verkehrswende. Immerhin verfügt Bielefeld über ein Stadtbahnnetz von vier Linien und 72,7 Kilometern Länge sowie 78 Buslinien auf 1.092 Kilometern. Bis Corona kam, kletterten die Fahrgastzahlen. 2018 stiegen rund 36 Millionen Fahrgäste in die Stadtbahnen und rund 24 Millionen in die Busse ein. Aber die Pandemie mit dem Lockdown brachte einen Knick: Gerade mal 33,6 Millionen Fahrten verzeichnete MoBiel 2020 noch. Doch mittlerweile läuft es wieder besser. Doch warum schafft es das durchaus respektable ÖPNV-Netz nicht, mehr Autofahrer zum Umstieg zu bewegen? Das liegt sicher mit daran, dass es viele Pendler aus auswärtigen Kreisen gibt, die ohne Umstieg ihre Ziele in der Stadt nicht erreichen können. Außerdem ist Bielefeld, gebildet aus dem alten Landkreis, eine Flächenstadt mit zehn Stadtbezirken. Da sind die Wege oft weit. Günstigere Tickets Klar ist nach der Umfrage: Stadt und MoBiel müssten kräftig investieren, um neue und mehr Kunden in Stadtbahnen und Busse zu locken. Ganz oben stehen dabei nach der Umfrage günstigere Ticketpreise. 73 Prozent der Befragten könnten sich dann einen Umstieg vorstellen. Dabei macht es keinen Unterschied, wie alt sie sind und wie weit sie von der Innenstadt entfernt wohnen. Etwas anders sieht es beim zweiten Argument aus: Die Hälfte der Befragten wünscht sich eine engere Taktung auf den Linien. Das ist den Älteren wichtiger, aber auch denen, die weiter draußen leben. Besonders bei denen, die drei bis fünf Kilometer vom Zentrum entfernt sind, spielt ein engerer Takt eine größere Rolle. Das sind in Bielefeld gerade die Stadtbezirke. Dazu passt auch, dass als Drittes die Ausweitung des Stadtbahnnetzes ein wichtiger Anreiz wäre. So wünschen sich 48 Prozent Verlängerungen etwa nach Senne, Sennestadt oder Jöllenbeck. Und von denen, die weiter als fünf Kilometer bis zur City benötigen, vermissen knapp die Hälfte mehr Park-and-Ride-Plätze. Insgesamt sind das im Schnitt 37 Prozent, wobei die Gruppe der Berufstätigen (30 bis 59 Jahre) besonders stark vertreten ist. Sie könnten die letzten Kilometer gut mit der Stadtbahn fahren. Mehr Komfort Daneben spielt der Komfort der Fahrzeuge eine große Rolle. So erwarten 42 Prozent saubere Busse, Bahnen, Haltestellen und Bahnsteige. Bei den Älteren drückt das Votum für mehr Wachpersonal den Wunsch nach mehr Sicherheit aus. Das gilt auch für Befragte, die nur in der Innenstadt unterwegs sind. Wie kompliziert das Umstiegs-Thema ist, zeigen die Antworten auf zwei weitere Fragen: So geben 14 Prozent an, grundsätzlich nicht Busse oder Stadtbahnen zu nehmen. Das ist überraschenderweise bei Jüngeren sogar eher der Fall. Andererseits: Damit wären 86 Prozent aber potenziell als Fahrgäste denkbar. Erstaunlich niedrig ist aber die Zahl der Befragten, die bereits regelmäßig Busse oder Stadtbahnen fahren: nur sechs Prozent. Bei der Entfernung gibt es hier kaum Unterschiede, beim Alter allerdings schon: hier kommen die 30 bis 59-Jährigen auf acht Prozent, die 16- bis 29-Jährigen aber nur auf zwei Prozent. Hohe Kosten Dass die Nutzung des ÖPNV-Angebots sehr ausbaufähig ist, belegt die Auswertung. Aber sie zeigt auch die Tücken: Denn all das, was die Umstiegsbereiten fordern, kostet richtig Geld. Und das ist heute schon das große Dilemma bei Stadtbahn und Bussen: Gerade einmal 75 Prozent der Kosten decken sie. Der Rest muss aus dem Energieverkauf der Stadtwerke oder Zuschüssen der Stadt aufgefangen werden. Und ein weiteres Problem ist: Würde die Stadtbahn in einem Ausmaß ausgebaut, dass das 25-Prozent-Ziel nur in die Nähe des Realistischen käme, müssten Milliarden-Beträge investiert werden, stellten Gutachter zum Nahverkehrsplan fest. Das ist kurzfristig auf keinen Fall zu erreichen. Und billigere Tickets brächten bei den Erlösen Einbußen. In guten Jahren nimmt MoBiel hier gut 50 Millionen Euro im Jahr ein. Alle bisher erschienenen Inhalte zu unserer Themenreihe Verkehr lesen Sie hier.

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