Mieterin wehrt sich erfolgreich gegen Räumungsklage eines Großvermieters

Bielefeld. Die Eingangstür ist defekt, die Heizkörper sind undicht und laufen aus und an der Wohnungsdecke ist ein Feuchtigkeitsfleck. Weil ihre Wohnung in einem katastrophalen Zustand ist, setzt Isabel Gil mit ihrem Anwalt eine Mietminderung durch. Ihr Vermieter will sie daraufhin vor die Tür setzen. Es folgt eine Verhandlung, in der der Vermieter eine mutmaßliche Falschaussage trifft und sogar dem Prozess fernbleibt. Wie nw.de berichtete, sind unzumutbare bauliche Zustände in den Wohnungen der Vermietergruppe Zentral Boden Vermietung und Verwaltung GmbH (ZBVV) kein Einzelfall. Auch auf das Haus, in dem Gil mit mehreren Parteien lebt, trifft das zu, wie ein Besuch vor Ort zeigt: Löcher im Dach und ein eingeschlagenes Dachfenster ist notdürftig mit einer Plastikfolie abgedeckt. David Kupferschmidt, ein weiterer Mieter in dem Haus, beklagt, dass seine Therme mal gehe und mal nicht. In einem Video zeigt er, wie an einer seiner Wohnungswände bei Unwetter ein Wasserfall herabläuft. Laut seinen Aussagen hat er auf eigene Kosten für rund 2.500 Euro Wasserschäden innerhalb der Wohnung beseitigt, damit sie lebenswert bleibt. Zu diesen Schäden sagt die ZBVV auf Anfrage: &bdquo;Das Problem der undichten Dächer ist bekannt. Es wird bereits an einer dauerhaften Lösung gearbeitet." Weiter heißt es: &bdquo;Mängel werden, wenn diese gemeldet werden, beauftragt und sobald wie möglich behoben." »Sind undichte Fenster Schönheitsfehler?« Isabel Gils Erfahrungen hingegen sind anders. Aus Unterlagen des Verfahrens zwischen ihr und der ZBVV – beziehungsweise der Mutterfirma des Erlangener Unternehmens, der ZBI-Gruppe – Zentral Boden Immobilien – geht hervor, dass alles seinen Anfang im September 2018 nimmt. Gil besichtigt ihre neue Wohnung. Laut ihrer Aussage finden sich schon beim Bezug die genannten Mängel. Sie habe sie angesprochen, der Hausmeister habe ihr versichert, dass ihr die Mängel beim Auszug nicht angelastet würden. Deswegen müssten sie nicht ins Übergabeprotokoll. &bdquo;Ich dachte, das wäre okay. Der Vormieter hat die Wohnung ja so abgegeben", sagt sie. Doch später beruft sich die ZBVV darauf, dass die Mängel nicht im Übergabeprotokoll stehen. Im Winter des Jahres bemerkt Gil dann, dass die Fenster undicht sind. Sie sagt, die Wohnung sei so nicht heizbar gewesen. Sie schaltet ihren Anwalt Reiner Röhricht aus Hameln ein. Der stellt ein Ultimatum: Entweder sind die Mängel bis Ende Januar 2019 behoben oder seine Mandantin zahle nur die halbe Miete. Trotz mehrerer Schreiben habe es daraufhin keine Rückmeldung gegeben. Lediglich an Tür und Heizung wären kleinere Arbeiten verrichtet worden. Anfang 2020 kommt eine Räumungsklage gegen Gil. Ein Sprecher der ZBVV sagt, diese sei &bdquo;auf Grundlage der Annahme eingereicht worden, dass die Mietminderung nicht gerechtfertigt ist". Während des Verfahrens spricht die Vertretung der ZBVV von &bdquo;optischen Beeinträchtigungen", durch die der Gebrauch der Wohnung nicht gemindert werde. Auch im Nachhinein sagt ein Sprecher des Unternehmens: &bdquo;Bei den beschriebenen Mängeln handelte es sich um Schönheitsfehler, weshalb die Mietminderung zunächst von der Hausverwaltung abgelehnt wurde." Gils Redaktion dazu: &bdquo;Sind undichte Fenster Schönheitsfehler?" »Es sieht schlimmer aus als vorher« Während des Prozesses vor dem Bielefelder Amtsgericht begeht der Vermieter dann möglicherweise eine Falschaussage. &bdquo;Das ist das erste Mal, dass ich sowas in so einem Verfahren erlebt habe", sagt Anwalt Röhricht. Denn die Vertretung der ZBVV argumentiert, sie hätte einen Auftrag an zwei Tischler gegeben, einige der Schäden zu beheben und dass das geschehen sei. Doch zwei Tischler aus der Firma sagen vor Gericht aus, diesen Auftrag niemals bekommen zu haben. &bdquo;Ich habe bei der Staatsanwaltschaft angeregt, eine Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs zu stellen", sagt Gils Anwalt. Laut der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht Bielefeld ist daraus jedoch kein Verfahren entstanden. Das Unternehmen selbst erklärt die Aussagen der Tischler so: &bdquo;Eine Beauftragung des Handwerksbetriebs lag ursprünglich vor, der Auftrag wurde aber von dort nicht ausgeführt. Daher wurde nachträglich ein anderes Unternehmen beauftragt." Laut Röhricht widerspreche das völlig dem tatsächlichen Prozessablauf. Der Prozess endet überraschend, als die Vertretung der ZBVV im Juni dieses Jahres nicht zur Verhandlung erscheint. Wie das Amtsgericht bestätigt, wird das Verfahren daraufhin zugunsten von Gil eingestellt. Auch das sei mehr als ungewöhnlich. Ein Pressesprecher des Unternehmens sagt dazu: &bdquo;Die rechtliche Vertretung der ZBVV hatte rechtzeitig angekündigt, den [...] Verhandlungstermin nicht wahrzunehmen und eine Verlegung des Verhandlungstermins auf einen Zeitpunkt nach vollständiger Fertigstellung der Wohnung von Frau Gil beantragt." Denn die Mängelbeseitigung in der Wohnung sei noch nicht abgeschlossen gewesen. Dem sei das Gericht aber nicht gefolgt. Es fehlt ein Erklärung, warum trotzdem niemand vor Gericht erschienen ist. Nach dem Prozessende zugunsten Gil wird die ZBVV tatsächlich aktiv. Zunächst werden die Fenster ausgetauscht. Die Löcher über und unter dem Fenster werden mit Spachtelmasse ausgefüllt und die Decke wird gestrichen – nicht besonders gut, findet Gil. &bdquo;Es sieht jetzt schlimmer als vorher aus", sagt sie. Ihr reicht es jetzt. Ende des Jahres zieht sie aus. Aktenzeichen Amtsgericht Bielefeld 419 C 25/20

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