Der Druck wächst: Stadt muss Klasingstraße wieder frei machen

Bielefeld. Der Streit um die Verkehrswende ist ziemlich festgefahren. Die rot-grün-rote Ratsmehrheit drängt auf weitere Eingriffe, Opposition, Autofahrer und Wirtschaft versuchen zu bremsen. Jetzt schaltet sich Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD), der sich bisher zurückhielt, ein und versucht, Brücken zu bauen – auch unter dem Druck der Rechtssprechung. Der OB kündigte an, bei der Artur-Ladebeck-Straße zwischen Koalition und IHK vermitteln zu wollen. Bei der Klasingstraße musste er einräumen: Die Sperrpfosten müssen weg – schon heute. Klasingstraße: Klage Denn die Anlieger haben Klage beim Verwaltungsgericht Minden eingereicht – was bedeutet, dass die Stadt die Sperrung aufheben muss. Das hatte das Gericht im vorlaufenden Eilverfahren entschieden, weil Bielefeld den Eingriff nicht ausreichend begründet habe und dieser rechtlich zweifelhaft sei. &bdquo;Wir räumen die Pfosten heute ab“, sagt Olaf Lewald, Leiter des Amtes für Verkehr. Dass dann in der Klasingstraße mehr Verkehr fließe, sei nicht ausgeschlossen. Denn ein Grund für die Pfosten war, dass durch die Waldhof-Sperrung hier mehr Autofahrer ausweichen würden. Das müsse man beobachten, so Clausen. Er erinnerte aber auch daran, dass die Sperrung der Klasingstraße nicht Vorschlag der Verwaltung war, sondern die Politiker zusätzlich zum &bdquo;altstadt.raum“ beschlossen: &bdquo;Deshalb hatten wir gar nicht die Zeit, hier gründlicher Daten zu erheben.“ Genau dies hatten die Richter jetzt moniert. Für den OB heißt das aber auch: &bdquo;Die Einschätzung des Gerichts schränkt auch die politische Gestaltung ein.“ Logik der Verkehrswende Clausen lud gestern angesichts des Gegenwinds in der Öffentlichkeit mit Gregor Moss (CDU), der nach seiner Absetzung als Verkehrsdezernent dieses Ressort kommissarisch führt, zur Pressekonferenz ein – um seine Sicht in der &bdquo;teils nicht faktengesteuerten“ Debatte zu erklären. Und er verteidigte die Notwendigkeit der Mobilitätswende: Bielefeld sei eine wachsende Stadt mit wachsendem Verkehr: Mehr Einwohner, mehr Autos, mehr Pendler. Clausen: &bdquo;Da wird es eng auf den Straßen. Aber der Raum ist nicht vermehrbar. Wir müssen damit auskommen.“ Baustellen und Staus Erhöht werde der Druck durch die vielen Baustellen, deren Zahl 2019 noch bei 3.500 lag, 2021 aber auf fast 5.000 ansteige. Hier sei aber nicht die Verkehrswende &bdquo;Treiber“, sondern dringend nötiger Breitband-, Versorgungsleitungs- und Kanalausbau. Wichtig sei für Bielefeld zudem der Klimaschutz: &bdquo;Die Treibhausgase gehen überall zurück, nur beim Verkehr nicht“, sagt Clausen. Und wenn immer mehr Autos führen, &bdquo;stecken wir alle im Stau: Wer das nicht will, muss für die Verkehrswende werben und arbeiten. Sie ist Teil der Lösung, nicht das Problem.“ Entsprechend müsse die Stadt weiter &bdquo;an den Säulen“ einer einheitlichen Verkehrsstrategie arbeiten, deren Fehlen auch die Richter in Minden anmahnten. Doch Bielefeld entwickle erst die Pläne für Nah-, Individual-, Rad- und Fußverkehr und füge sie dann zusammen. Und klar sei auch, dass Bund und Land kräftig helfen müssten. Der OB: &bdquo;Gerade beim ÖPNV müssen wir anders ran, aber das schaffen die Städte allein so nicht.“ Und für die Verkehrswende seien neue Regeln nötig. Dafür habe die Stadt das Mittel der Anordnungen. Genau diese fielen beim Altstadt-Test aber zwei Mal (Waldhof/Klasingstraße) durch. Clausen: &bdquo;Das sehen wir aber anders.“ Deshalb hat die Stadt Montag beim Oberverwaltungsgericht Münster Beschwerde gegen den Mindener Beschluss eingelegt. Der OB: &bdquo;Die Begründung der Gefahrenabwehr muss weiter und moderner gefasst werden, damit wir als Stadt noch steuern können. Wir brauchen dafür Rechtssicherheit.“ Hürden beim Altstadt-Test Denn der Altstadt-Test wird nicht der letzte Verkehrsversuch für die Mobilitätswende sein. Beim Waldhof, den auch die rot-grün-rote Ratsmehrheit fürs Weihnachtsgeschäft wieder öffnen will, geht Moss von der Freigabe am 3. November aus. Die müsse der Stadtentwicklungsausschuss am Tag zuvor aber noch bestätigen. Wann dann wieder gesperrt wird, sei noch unklar. Der Versuch ist erst einmal bis Februar terminiert. Artur-Ladebeck-Straße Bei der Artur-Ladebeck-Straße soll der geschützte Radweg (dafür zwei Autospuren weniger) erst einmal getestet werden. Hier ist die Rechtslage aber günstiger für die Stadt, weil die Unfallkommission die Strecke als Unfallschwerpunkt vor allem mit Radfahrern einstuft. Trotzdem will Clausen den Alternativvorschlag der IHK genauer prüfen und kündigt an, einen Austausch zwischen Koalition und Wirtschaft moderieren zu wollen: &bdquo;Wir gucken erst einmal, wie wir mit den konstruktiven Ideen der Wirtschaft umgehen.“ Ein Kompromiss könnte sein, die Strecke bis Betheleck vierspurig zu lassen. Moss betont aber auch, dass sie im OWL-Projekt Regiopole langfristig Trasse für den Radschnellweg von Gütersloh bis Minden sei. Doch kurzfristig drängt die Initiative Radentscheid, an die sich die Stadt vertraglich gebunden hat, auf sichere Radwege.

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