Angelika Westerwelle (CDU): „Digital-Kompetenz armer Kinder stärken“

Bielefeld. Wie wirken sich Entscheidungen des Bundestages auf die Stadt aus? Was kann Berlin für Bielefeld tun? Vor der Bundestagswahl am 26. September machen sechs Kandidatinnen und Kandidaten von im Rat vertretenen Parteien ihre Positionen zu wichtigen Bielefelder Themen deutlich. Das sind die Standpunkte von Angelika Westerwelle (CDU): Migration Bielefeld beteiligt sich am Bündnis &bdquo;Sichere Häfen in Europa“. Die Städte erklären sich dazu bereit, aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufzunehmen. Unterstützen Sie dieses Anliegen? &bdquo;Die Seenotrettung ist ein ewiges Gebot der Menschlichkeit und des weltweiten Seerechts“, sagt Angelika Westerwelle. Aber: &bdquo;Wir verfolgen einen anderen Ansatz. Wir erwarten von unseren Partnern in der Entwicklungszusammenarbeit, dass sie Fluchtursachen bekämpfen um die illegale Migration zum Erliegen zubringen.“ Pflege Bethel hat eine eigene Pflegeschule – zu hören ist, dass kaum noch jemand der neuen Pfleger länger als ein paar Jahre &bdquo;durchhält“. Was kann getan werden? Körperliche, aber auch bürokratische Anforderungen an das Pflegepersonal würden stetig zunehmen, sagt die CDU-Kandidatin und verspricht: &bdquo;Wir werden uns dafür einsetzen, dass bürokratische Prozesse vereinfacht werden und am Ende mehr Zeit für die Menschen vorhanden ist.“ Der Beruf müsse attraktiver werden. Im Normalfall stelle sich das automatisch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, wenn es an Personal mangele. Kasernen Für drei Jahre soll in der Catterick-Kaserne die Ausbildung von Bundespolizisten verstärkt werden. Ist davon auszugehen, dass das Ausbildungszentrum Bielefeld danach wieder verlässt? Und wie sinnvoll ist die Befristung auf drei Jahre? Westerwelle freut sich, dass die Bundespolizei nach Bielefeld gekommen ist. &bdquo;Ich setze mich dafür ein, dass sie dauerhaft in Bielefeld bleibt.“ Die BImA und alle beteiligten Gremien sollten alles Notwendige dafür tun, die Ausbildung der Bundespolizisten in Bielefeld optimal und dauerhaft zu gewährleisten. Sicherheit Was kann sich bundespolitisch in Sicherheitsfragen verbessern, damit das Sicherheitsgefühl auf dem Kesselbrink und anderen Problemplätzen der Stadt steigt? Ein wichtiger Teil der Strategie sei die Ermöglichung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum, ist Westerwelle überzeugt. Damit werde eine Strafvereitelung und verbesserte Strafverfolgung ermöglicht und die objektive Sicherheit an diesen Plätzen gesteigert. &bdquo;Unsere Sicherheitskräfte brauchen ein Update, damit sie flexibler und präsenter werden, aber auch damit sie den digitalen Vorraum der Kriminalität besser im Blick halten können.“, fordert sie. Dazu gehörten erleichterte Durchsuchungen verdächtiger Personen und Fahrzeuge sowie mehr politische und gesellschaftliche Rückendeckung für die Sicherheitskräfte. Steuern Täglich pendeln 40.000 Bielefelder in Nachbarkommunen zur Arbeit. Wie soll das künftig steuerlich angerechnet werden? &bdquo;Für die Pendler über die Pendlerpauschale, wie bisher“, sagt sie. Für wünschenswert hält sie &bdquo;eine echte Metropolregion Bielefeld“ mit gemeinsamen Mobilitätskonzepten, Bildungs- und Kulturbündelungen und vielem mehr. Dann ergebe eine gemeinsame Steuerverteilung einen Sinn. Vor allem, wenn Bielefeld seine Rolle als Oberzentrum wirklich annehme &bdquo;und nicht die Bewohner des Umlands durch Straßenbau- und Sperrungsmaßnahmen abweist.“ Wohnen Günstiger Wohnraum ist in Bielefeld knapp. Wie erhält die Stadt künftig Unterstützung beim sozialen Wohnungsbau? &bdquo;Es mangelt weniger an Geld für den sozialen Wohnungsbau als an Fläche“, sagt Westerwelle. Es müssten Flächen ausgewiesen werden, die bisherige Bebauung müsse verdichtet werden, Bauvorschriften müssten entschlackt werden, damit günstiger gebaut werden könne. &bdquo;Erst wenn das Angebot höher ist als die Nachfrage, wird sich genügend günstiger Wohnraum einstellen“, so Westerwelle. Campusbauten oder Studentenwohnheime sollten weiter initiiert werden, damit Studenten nahe der Universität wohnen und der allgemeine Wohnungsmarkt in Bielefeld entlastet werde. Bildung Die Coronakrise hat auch in Bielefeld Ungleichheiten im Bildungssystem verstärkt. Was wollen Sie gegen diese Entwicklung tun? Westerwelle ist für gezielte Angebote von zusätzlichem Förderunterricht und Nachschulungen. &bdquo;Auch werden wir eine Milliarde Euro bereitstellen, um Kinder aus einkommensschwachen Familien in der digitalen Kompetenz nicht abzuhängen“, erklärt sie. Chancengleichheit sei der Schlüssel unseres Bildungssystems. Tempolimit Wie stehen Sie zu Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts? &bdquo;Ich halte nichts von einer Reduzierung der Regelgeschwindigkeit - wo es die Straßensituation oder die Gefahrenlage erfordern, wird es ohnehin bereits gemacht, etwa in Wohngebieten oder vor Schulen und Kitas“, sagt Angelika Westerwelle. Bei Durchgangsstraßen sei der Klimaeffekt negativ im Vergleich zu Tempo 50 oder 70, wo die Motoren einen besseren Wirkungsgrad und damit den niedrigsten Verbrauch und Schadstoff-Ausstoß hätten. Verkehr Aus Bielefelds Altstadt soll eine Wohlfühloase ohne Autos werden. Der Verkehrsversuch läuft aktuell. Könnte die Bundespolitik von Bielefeld lernen? Wenn die Bundespolitik aus Bielefeld etwas lernen sollte, dann ist das nach Westerwelles Ansicht: Erst müssten Angebote geschaffen werden, dann die Bürger dazu gebracht werden, sie zu nutzen und nicht umgekehrt. Anreize wie Park & Ride oder günstige Sharing-Angebote seien besser als Abriegelung. &bdquo;So verspielen wir die Akzeptanz der Bürger und versagen bei der Aufgabe als Oberzentrum der Region OWL. Klima Das Bielefelder Klimabündnis fordert: Bielefeld soll bis 2035 auf 100 Prozent erneuerbare Energien umsteigen. Was halten Sie davon? &bdquo;Wäre schön, wenn es so einfach ginge!“ Akzeptanz sei das Zauberwort. Damit die Energiewende sich derartig beschleunige, müssten mehr Windräder und Energiespeicher gebaut und weiter an neuen Energieträgern geforscht werden. Westerwelle: &bdquo;Aber leider findet sich immer jemand, der meint, da könnte doch eventuell ein Vogel im Wege sein.“ Rente Eine Bielefelder Friseurin geht 2025 in Rente. Dann hat sie 52 Jahre gearbeitet, hat Kinder erzogen und ihre Eltern gepflegt. Sie erhält 636,06 Euro Rente. Ist das gerecht? &bdquo;Die Rente ist mehr als ein Einkommen im Alter. Sie ist Lohn für Lebensleistung. Deshalb gelten für mich drei Prinzipien“, sagt Westerwelle. Leitung müsse sich lohnen, das gilt auch für Kindererziehung und Pflege. Die Rente müsse ein Leben in Würde ermöglichen und sie müsse nachhaltig und solide finanziert werden. &bdquo;Wir brauchen eigentlich eine grundlegende Reform des Rentensystems.“ Altersarmut In unserer Stadt beziehen rund 3.000 Rentner eine Grundsicherung. Tendenz steigend. Wie wollen Sie das Massenphänomen Altersarmut entgegenwirken? &bdquo;Generell müssen wir jetzt endlich das System zukunftsfest machen, um den demografischen Faktor abzubilden“, sagt Westerwelle. Die gesetzliche Rentenkasse müsse Rücklagen bilden und damit wirtschaften, fordert sie. So könnte künftiger Altersarmut entgegengewirkt werden. &bdquo;Für die aktuelle Altersarmut müssen solidarische Lösungen gefunden werden.“ Kultur Der Kultursektor ist einer der am härtesten von den Einschränkungen durch die Anti-Coronamaßnahmen betroffenen Wirtschaftszweige. Welche Vorschläge zur Neubelebung der Kultur haben Sie? Gerade auch die nicht staatlich geförderte Kultur müsse gestützt werden, so Westerwelle. Neben weiteren Rettungs- und Förderprogrammen könnte hier eine vorüber gehende Stundung oder sogar der Erlass der Mehrwertsteuer sinnvoll sein. ZUR PERSON Angelika Westerwelle (59) hat sich schon mehrfach um eine Kandidatur für den Land- und Bundestag bemüht und steht nun auf Platz 32 der CDU-Landesliste in NRW. Der Weg nach Berlin führt für die ledige Wirtschaftsexpertin wohl nur über ein Direktmandat. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin einer Beteiligungs-, Beratungs- und Managementgesellschaft für mittelständische Unternehmen und Start-ups in Berlin. Sie war Geschäftsführerin mehrerer Unternehmen und Beraterin bei der Boston Consulting Group. Sie wuchs in Senne auf und machte Abitur am Ratsgymnasium. Sie hat Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Geschichte und Politik in Bonn, Aachen, Cambridge und Harvard studiert und in Wirtschaftswissenschaften promoviert. 2008-2020 war sie ehrenamtliches Mitglied der Monopolkommission. Anfang der 1980er Jahre war sie RCDS-Landesvorsitzende NRW, im JU-Kreisvorstand Bielefeld und im CDU-Ortsvorstand Senne. Sie ist Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU.

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