Riesen-Umwege: So nervig ist das Autofahren in Bielefeld

Bielefeld. Es sind die Baustellen, die Ausschilderung der Umleitungen, die Schaltung der Ampeln oder die gesperrten Straßen in der Altstadt. Über die Bielefelder Verkehrsführung wurde immer viel gemeckert. Trotz Durchfahrtverbotsschildern, Verkehrsabsperrungen und Warnbaken versuchen viele Autofahrer täglich durch die Innenstadt zu kommen. Immer wieder schildern Leser der NW ihren Frust über Staus und Umwege. Wie gut läuft aktuell der Verkehr zu Stoßzeiten? Wie wirken sich die Sommerbaustellen und die für Autos gesperrten Straßen in der Altstadt auf die Fahrtzeiten aus? Das hat die NW jetzt selbst getestet und die Ergebnisse stimmen nachdenklich. Mit dem Auto durch die Innenstadt. Feierabendverkehr am frühen Freitagnachmittag. Erste Strecke: von der Uni im Westen bis zum Eastend-Tower in Sieker. Google Maps rät schon von vornherein vom Versuch ab, über die Stapenhorststraße auf den Innenstadtring zu gelangen. Also über die Wertherstraße. Dort läuft es die meiste Zeit flüssig und - abgesehen von den Ampeln, die zu jeder Tageszeit tückisch sein können - auch auf der Detmolder Straße. Aber dazwischen war ja noch was. Von insgesamt etwa 30 Minuten, die es für die gesamte Strecke gebraucht hat, gehen knappe zehn Minuten für den einen Kilometer zwischen der Unterquerung des Ostwestfalendamms und dem Landgericht drauf. Die Kreuzstraße ist eine einzige zähe Masse aus aneinandergereihten Autos. Links abbiegen am Adenauerplatz Das Stehen an den Ampeln und das richtige Einordnen in zweifache Abbiegerspuren kann selbst für eingefleischte Bielefelder zur Herausforderung werden. Will man sich auf dem Adenauerplatz nicht auf der einen, schon vollen Linksabbiegerspur einordnen und damit die Kreuzung blockieren, läuft man Gefahr, beim Landgericht zum Linksabbiegen gezwungen zu werden. Denn die rechte Spur auf der Kreuzstraße, die weiter Richtung Osten auf die Detmolder Straße führt, ist bis hinten hin voll. Manch einer behilft sich mit dreistem Einscheren im richtigen Moment. Wenn alle diesen freien Fahrbahnplatz nutzten und dabei aufeinander acht nähmen, könnte das sogar für Entlastung sorgen. Oft führten späte Einfädler in der jetzigen Situation aber nur zum Unmut und noch längeren Standzeiten der restlichen Verkehrsteilnehmer. So weit, so mittelmäßig. Klar ist die Bewältigung von verstopften Straßen an innerstädtischen Knotenpunkten kein Zuckerschlecken. Aber es gibt auch solidarische, fast schon schöne Momente zu beobachten. Der Hinweis auf einen noch geöffneten Tankdeckel, der mit Behilfs-Zeichensprache dankend aufgenommen wird. Die Autokaraoke-Sängerin, der die etwas lautere Radioanlage kollektiv verziehen wird. Es ist ja schließlich gleich Wochenende. Teststrecke zwei: Berufskolleg an der Heeper Straße zurück zur NW-Redaktion - im Herzen der Altstadt. Das Offensichtliche vorweg: mit dem Fahrrad ist man schneller. Um das immerhin elektrisch betriebene Versuchsmobil aber wieder zurück an die Ladestation zu bekommen, muss der Ritt auf vier Rädern in die Altstadt jetzt sein. Früher wäre man hier am Kesselbrink vorbei, einmal quer über den Jahnplatz und 500 Meter weiter in die Klosterstraße geflitzt. Heute schlägt Google als schnellsten Weg den OWD vor. Gesagt, getan. Nach 15 Minuten steht das Auto ordnungsgemäß in der Tiefgarage und das ohne vorher irgendwo länger als eine Ampelphase warten zu müssen. Aber ein Blick auf die Karte zeigt, wie groß dieser Schlenker tatsächlich ist. Fast vier Kilometer statt früher zweieinhalb. Auf direktem Wege mit dem Fahrrad kommt man sogar in weniger als zwei Kilometern Strecke ans Ziel. Und das in nur sieben Minuten. Forderung nach Alternativwegen Für manche ist der Drahtesel aber keine Option. So hat sich ein am Stadtrand wohnendes Ehepaar bei uns gemeldet. Sie ist schwerbehindert, er meist die Begleitperson. Sie leiden unter den Maßnahmen in der Innenstadt, fühlen sich aktuell als &bdquo;Bielefelder zweiter Klasse”. Sie würden grundsätzlich sogar eine autofreie Innenstadt begrüßen, jedoch müssten dafür aus ihrer Sicht zuerst die öffentlichen Verkehrsmittel massiv ausgebaut werden. &bdquo;Höhere Taktraten beim Busverkehr (auch abends und nachts), bessere Abstimmung der Abfahrtzeiten, Fahrpreissenkungen, Barrierefreiheit ausbauen.” Das sind nur einige der Wünsche, die für diese Familie noch offen bleiben. Generell wird der Mangel an Alternativwegen, auch für Autofahrer, in vielen Leserbriefen und Kommentaren auf den sozialen Medien beklagt. Unser Selbstversuch als kleine Stichprobe ergibt: wer flexibel ist und ein wenig Geduld mitbringt, der schafft es auch am Freitagnachmittag irgendwie nach Hause zu kommen. Doch für einige Menschen spielen viele weitere Faktoren eine Rolle. Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, und sich weder mal eben auf das Fahrrad schwingen, noch auf den öffentlichen Nahverkehr verlassen können, bereitet die aktuelle Lage Kopfzerbrechen. Seien es körperliche Beeinträchtigungen, berufliche Faktoren oder die Wohnsituation - eine Lösung für alle ist das momentan noch nicht.

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