Erste Hilfe für die verletzte Seele

Bielefeld. &bdquo;Beim Überbringen einer Todesnachricht nach einem schweren Autounfall stehen wir Menschen bei, die hilflos und unfähig sind, etwas zu tun. Sie sind wie angewurzelt, angeklebt, der Boden unter den Füßen ist ihnen weggebrochen. Wir leisten zunächst Beistand, halten die Gemütsverfassung mit aus und begleiten die nächsten Schritte mit den Betroffenen und beten auch mit ihnen“, schildert Hermann Rottmann, Bielefelder Feuerwehrseelsorger, seine für Außenstehende kaum nachzuvollziehende Arbeit. Bis 2018 war Rottmann Gemeindepfarrer der evangelisch-lutherischen Stiftskirchengemeinde in Schildesche. 1997 wurde er zum Feuerwehrseelsorger und Fachberater Seelsorge der Feuerwehr Bielefeld ernannt. Jetzt hat Rottmann Verstärkung bekommen, die Notfallseelsorge ist ökumenisch geworden. Als weiterer Fachberater hat Hubert Maus seinen Dienst aufgenommen. Seit 2009 ist der 55-jährige Pfarrer der katholischen Pfarrei Sankt Elisabeth in Brackwede mit fünf Kirchengemeinden im Bielefelder Süden. Im November vergangenen Jahres wurde er bereits zum Polizeiseelsorger ernannt. Und nie waren Notfallseelsorger mehr vonnöten, als in diesen Zeiten. Durch die Unwetter-Katastrophe haben viele Menschen alles verloren, Verwandte und Freunde, Haus und Hof, Erinnerungsstücke und wichtige Unterlagen. Das apokalyptische Geschehen ist für Betroffene wie Retter oft nur schwer zu verarbeiten. Retter leiden besonders dann, wenn sie nicht mehr helfen können. Doch für jeden gibt es in diesen belastenden Stunden eine große Hilfe. Es sind die Notfallseelsorger, die sich den verstörten und verletzten Seelen annehmen, ihnen Trost zusprechen und neue, gangbare Wege in die Zukunft aufzeigen. Seit den 1990er Jahren sind in Bielefeld die Feuerwehrseelsorger mit ihrer Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) fester Bestandteil der sogenannten Rettungskette. 1997 wurde die &bdquo;Notfallbegleitung Bielefeld“ von beiden großen Kirchen, der Feuerwehr, der Polizei und den Hilfsorganisationen (Deutsches Rotes Kreuz, die Johanniter, Arbeiter-Samariter-Bund) gegründet. Heute heißt sie &bdquo;Notfallseelsorge“. Jährlich werden die 27 multiprofessionellen ehrenamtlichen Helfer zu rund 100 Einsätzen alarmiert. Zielgruppen für ihre Hilfe sind Verursacher und Opfer von Unglücksfällen oder Unfällen, Angehörige, Zeugen und Ersthelfer, Vermissende, Hinterbliebene oder Opfer von Gewalttaten. Aber auch Menschen in psychosozialen Notfallsituationen nehmen sie sich an. Plötzlicher Kindstod, Selbstmord, tragische Verkehrsunfälle, plötzlicher Todesfall mit ungeklärter Todesursache oder Überbringung einer Todesnachricht – die Leitstelle der Feuerwehr alarmiert dann den diensthabenden Notfallseelsorger. Bei der Überbringung einer Todesnachricht werden Polizeibeamte grundsätzlich von einem Notfallseelsorger begleitet. Doch auch den Rettern, Feuerwehrleuten, Polizisten, oder Sanitätern stehen sie zur Seite. &bdquo;Bei ihrer Arbeit gehen die Retter professionell und total fokussiert vor. Doch wenn Ruhe eingekehrt ist, merken sie, wie sehr ihnen das Erlebte unter die Haut gegangen ist. Einsatzkräfte funktionieren, bis der Einsatz abgearbeitet ist. Reanimation, Bergen von Toten, Herausschneiden von Schwerstverletzten aus Lkw-Fahrerhäusern, das hinterlässt Spuren“, weiß Hermann Rottmann. Die Psychosoziale Unterstützung (PSU) der Notfallseelsorge hilft den stark belasteten Einsatzkräften, das Erlebte besser zu verarbeiten und vermeidet seelische Störungen. Die Kernaufgabe der Notfallseelsorger sei es, die Seelen der Betroffenen zu umsorgen, bei den Menschen zu sein, sagt Hubert Maus.

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