Hier schlugen heute vor 80 Jahren in Bielefeld englische Fliegerbomben ein

Bielefeld. Als in der Nacht zum 13. Juni 1941 gegen 1 Uhr die Flugabwehr das Feuer eröffnete und die ersten Bomben mit ihrem sonderbaren Pfeifen niedergingen, war der Keller des Wohnhauses von Museumsleiter Eduard Schoneweg an der Kastanienstraße, der heutigen Regerstraße, gut gefüllt. &bdquo;Wir hörten die Flieger unmittelbar über uns“, hielt Schoneweg (1886–1969) später als städtischer Kriegschronist seine Erinnerungen fest. Dann schlugen in unmittelbarer Nähe sieben oder acht Sprengbomben ein, das ganze Haus erbebte. &bdquo;Meinem Sohn, 15 Jahre alt, vergingen seine üblichen Scherze“, schrieb Schoneweg. &bdquo;Ich habe meine Kinder nie so ernst gesehen; sie fühlten, dass es hier nur eine Frage gab: Sein oder Nichtsein.“ 2.000 Brandbomben und mindestens 237 Sprengbomben gingen in der Nacht am Sonntag vor 80 Jahren auf der Bielefelder Innenstadt nieder, weitere 56 auf Dornberg, Babenhausen, Vilsendorf und Bethel. Um 0.52 Uhr hatte der Luftangriff begonnen, gegen 2 Uhr endete er. 27 Menschen hatten in dieser Zeit ihr Leben verloren. Bei Dürkopp brannten 3.900 Quadratmeter Fläche Vierzig Gebäude wurden vollständig zerstört, 180 schwer beschädigt, 900 leicht. Allein in den Dürkopp-Werken I bis III brannten knapp 3.900 Quadratmeter Fläche, am eng bebauten Gehrenberg 13 Häuser und an der Einschlagstelle Heeper Straße 35 ein 1.200 Quadratmeter großes Lagerhaus der Ravensberger Spinnerei. Akribisch dokumentierte die Feuerwehr anschließend 52 Großschadensstellen mit Zerstörungsgrad und Vermerken über eingesetztes Personal und Material, kartierte die Einschläge der Sprengbomben und örtliche Verteilung der Todesopfer im Stadtgebiet. Von den registrierten Großbränden fanden allein 35 zwischen dem Alten Markt und der Mechanischen Weberei an der heutigen Teutoburger Straße – der damaligen Sadowastraße – statt. Besonders schwer getroffen waren die Dürkopp-Werke sowie das Quartier rund um die Renteistraße, wo die enge Bebauung das geeignete Milieu für die eingesetzten Brandbomben und eine rasche Feuerausbreitung bot. Allein im Haus Gläntzer am Gehrenberg bargen Einsatzkräfte 30 Brandbomben. Leck geschlagene Gasbehälter wurden mit Lehm abgedichtet Der etwa 600 Meter breite und drei Kilometer lange Angriffskorridor entfaltete sich von der Innenstadt ab der Piggenstraße ostwärts im Wesentlichen zwischen der Ravensberger Straße und der Heeper Straße – den Abschluss markierte nahezu der Bereich Am Scherkamp / Nachtigallstraße. Einige wenige Ausreißer registrierte man auf dem Johannisberg, am Grenzweg in Gadderbaum, An der Krücke in Sieker, bei Dodeshöner / Am Schiffberge und in Oldentrup sowie bei den Stadtwerken, wo zwei Gasbehälter, von denen der Werkluftschutzleiter irrtümlich mutmaßte, dass sie zweifellos Angriffsziel gewesen seien, durch Splitterwirkung beschädigt worden waren. Die geschlagenen Lecks konnten aber mit Lehm abgedichtet werden. In der Innenstadt gab es mit acht Getöteten in Relation zu den dortigen Bombeneinschlägen vergleichsweise wenige Todesopfer, während am nördlichen (Osnabrücker Straße) und östlichen (Am Scherkamp) Rand des Einschlagsgebiets jeweils fünf Menschen starben. Diese Gebäude hatten Bombenvolltreffer erhalten, so dass auch ausgebaute Keller keine Leben retten konnten. Noch während der Attacke hatte die um 1.15 Uhr alarmierte und später von 19 Löschzügen aus der Umgebung und Werksfeuerwehren unterstützte Feuerwehr mit der Brandbekämpfung begonnen. Um 2.07 Uhr waren Nachbarwehren kontaktiert worden, allerdings hatten sich Löschzüge aus Detmold – dieser traf zuerst ein – Gütersloh, Lage, Schötmar, Brackwede und Herford &bdquo;auf Grund des festgestellten Feuerscheins über Bielefeld“ bereits selbstständig auf den Weg gemacht. Martialische Drohungen gegen Großbritannien Am Tag nach dem Angriff galt es, die Blindgänger zu sichern und zu entschärfen. Einer lag unmittelbar vor der Löwen-Apotheke, weshalb der Jahnplatz noch mehrere Tage abgesperrt blieb. Bei der Sprengung des Blindgängers wurden schließlich noch zwei Personen, die in der Nähe des heutigen Alten Rathauses standen, durch umherfliegende Splitter verletzt.In der gleichgeschalteten Presse wurde der erste große Luftangriff der Air Force auf Bielefeld nahezu totgeschwiegen, es wurden lediglich knappe Artikel veröffentlicht. Die Beisetzungsfeiern zu Ehren der Opfer nahmen hingegen breiten Raum ein – gepaart mit martialischen Drohungen gegen Großbritannien. Die Briten selbst waren sich offenbar gar nicht gewahr, dass ihre eingesetzten Bomber Teile der Stadt am Teutoburger Wald in eine Trümmerwüste verwandelt hatten. Das Bomber Command in London hatte Bielefeld in den Tagen rund um den Angriff gar nicht in den Einsatzbefehlen erwähnt, auch nachträglich wurde die Stadt nicht als getroffenes Ziel erkannt. Vermutlich hatte das Geschwader Osnabrück oder Hamm bombardieren sollen, auch Soest oder Schwerte könnten als eigentliches Ziel in Frage kommen. Knapp drei Wochen später wurde die Stadt dann tatsächlich direkt angegriffen, danach hatten die Bielefelder fast drei Jahre Ruhe. Das Schlimmste sollte für Bielefeld noch kommen Ruhe kehrte auch irgendwann in der Nacht zum 13. Juni 1941 ein. Als nach etwa zwei Stunden das Krachen der Bomben und das Schießen der Flak aufhörte, wagten sich die Menschen aus dem Keller der Kastanienstraße. &bdquo;Und wir waren entsetzt, von dort aus den hellen Widerschein eines Brandes zu sehen, der in der Gegend der Dürkoppwerke wüten musste. Der ganze Himmel war rot von der Feuersbrunst“, schrieb Eduard Schoneweg, der in dem Chaos schließlich einen Nachbarn entdeckte, der vor seinem Haus herumirrte. &bdquo;Ich erkannte ihn zunächst nicht wieder; er schien um 10 Jahre älter geworden zu sein.“ Der Chronist wird damals nicht geahnt haben, dass der verheerendste Angriff auf Bielefeld erst noch am 30. September 1944 folgen sollte.

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