Nach Industriehallenabriss bekommen historische Klinkersteine neues Leben

Bielefeld. Es erinnert ein wenig an die Arbeit von Trümmerfrauen in Berlin. So wie die Männer vor hohen Schuttbergen stehen, einzelne Steine herausnehmen und mit dem Putzhammer von Mörtelresten befreien. Mehr als 40 Paletten haben sich bereits auf dem Gelände der Möller Group mit gelben Klinkersteinen gefüllt, viele weitere werden hinzukommen. Sie werden nicht zu Staub und Schutt zermahlen, sondern ein neues Leben haben. Im April hatte das Unternehmen zwei riesige Hallen an der Brockhagener Straße abreißen lassen. Die bis zu 16 Meter hohen markanten Industriebauten waren Ende des 19. Jahrhunderts dort errichtet worden und mussten nun dem neuen Gewerbe-Campus der Möller Group Platz machen. Und weil das Interesse so groß ist, hat sich Möller entschlossen, weitere 2.000 Quadratmeter Hallen in diesem Teilgebiet abzureißen. Das älteste Bielefelder Produktionsunternehmen besitzt ein rund 50 Hektar großes Gelände an Gütersloher und Brockhagener Straße – inklusive Landschaftsschutzgebiet. Etwa 120.000 Quadratmeter werden von Möller nicht mehr benötigt, sollen künftig Handel, Handwerk, Hightech-Firmen oder Bildungsinstitute anlocken. Handgefertigte Unikate Während der Abriss der 150 und 85 Meter langen Hallen schon in vollem Gange war, ergab sich für die Möller Real Estate, Immobiliengesellschaft des Unternehmens, der Kontakt zur Klinker Historika GmbH in Gelsenkirchen, wie Prokurist Hans-Georg Zaudtke berichtet. Dieses Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, alte Steine zu recyceln und für die handgefertigten Unikate neue Bestimmungen zu finden – sowohl innerhalb und außerhalb von Gebäuden, als Vollstein oder zu Riemchen geschnitten. Pro Tonne werden 140 Kilo Kohlendioxid eingespart &bdquo;Bei uns erhalten sie ausschließlich circa 100 Jahr alte Klinkersteine, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland hergestellt wurden", heißt es auf der Homepage des Unternehmens. &bdquo;Unsere Steine haben eine lange Reise hinter sich und bereits zwei Weltkriege überstanden. Die ihnen eigene Historie, verbunden mit dem besonderen Farbspiel, machen sie zu einzigartigen, hochwertigen Unikaten, die jedem Wohnumfeld und jeder Außenfassade eine individuelle, persönliche Note verleihen – abseits der heutigen Massenproduktion." Mehr als zwei Millionen Steine lagern in Gelsenkirchen. Sie werden ebenfalls bei der Restauration alter Gebäude als auch im Rahmen der Denkmalpflege eingesetzt. Beim überwiegenden Teil handelt es sich um Ruhrgebietsklinker (warmer, mediterraner, hell-rötlicher Ton) und Rheinland-Klinker (dunklerer rötlicher Brand). Nun kommen ganz viele gelbe Steine aus Brackwede hinzu. Hans-Georg Zaudtke hat recherchiert, dass diese Steine, die um 1890 zum Ausmauern der Stahlkonstruktionen genutzt worden sind, wohl von der Firma Feldhaus in Bad Iburg stammen. &bdquo;Es gab damals in der Region nur wenige Firmen, die gelbe Klinker gebrannt haben." Zaudtke schätzt, dass jetzt etwa 200 Tonnen zusammen kommen. Beim Abriss der beiden weiteren Hallen etwa ab Juli, deren Mauerwerk an manchen Stellen bis zu 2 Meter mächtig sind, wird ein Vielfaches an Klinker (gelb und rot) anfallen – geschätzt bis zu 900 Tonnen. Dazu kommen noch die Fundamente aus Teutoburger Sandstein – ebenfalls begehrtes Material bei Restaurationsarbeiten. Der Möller Group ist der Nachhaltigkeitsaspekt wichtig – sowohl beim Abriss als auch beim Neubau. Daher freue sich die Familie Möller, dass die Steine wiederverwendet werden, auch wenn das aus ökonomischen Aspekten keine so große Rolle spiele. &bdquo;Aber pro Tonne Klinker, die nicht neu produziert werden muss", sagt Zaudtke, &bdquo;werden etwa 140 Kilogramm CO2 eingespart." Für die bislang geretteten Steine entspreche das bei der Verbrennung von Kraftstoff in Pkw-Motoren etwa 11.800 Liter Benzin. Große Nachfrage nach Gewerbeflächen Bei den Neubauten werde Wert auf höchsten Energiestandard gelegt. &bdquo;Und wir werden, wo es geht, auf den Dächern der Neubauten Photovoltaikanlagen installieren", erklärt Denis Rauhut, Geschäftsführer der Möller Real Estate. Wer denn genau Interesse hat, sich auf diesem dann etwa 7.000 Quadratmeter großen Teil des neuen Gewerbe-Campus’ anzusiedeln, verrät Rauhut noch nicht. Es gebe auch noch keine konkreten Verträge. Aber er bestätigt, dass die Nachfrage so groß sei, dass sich Möller Real Estate zum weiteren Abriss entschlossen habe, der eigentlich noch nicht geplant war. Zudem gibt es zwei 20.000 und 22.000 Quadratmeter große Flächen zu beiden Seiten von &bdquo;Tor 2" an der Brockhagener Straße, die freigeräumt sind und bebaut werden können.

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