Für diese Projekte kassiert Bielefeld mehr Geld als die meisten NRW-Städte

Bielefeld. Städtebauförderung – das klingt sperrig, nach Paragrafen und Antragsformularen, nach Bürokratie. So, als hätten die Bürgerinnen und Bürger nicht direkt etwas damit zu tun. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Denn Städtebauförderung hilft, Städte und Quartiere für die Menschen lebenswert und zukunftsfähig zu gestalten – und das seit nunmehr 50 Jahren. Sie hat in den vergangenen Jahrzehnten auch Bielefeld maßgeblich mitgeprägt: Bahnhofsumfeld, Stadthalle, Altstadt, Neumarkt, Kesselbrink, Kunsthallenpark, jüdische Synagoge sind nur einige der umgesetzten Projekte. Und das Erfolgskonzept geht weiter, wenn auch mit anderen Vorzeichen als 1971. &bdquo;Allein in den vergangenen zehn Jahren sind mehr als 100 Millionen Euro an Fördermitteln nach Bielefeld geflossen", erzählt Sven Dodenhoff. &bdquo;Das versetzt die Stadt in die Lage, Projekte anzugehen, die sonst nicht möglich wären." Und jeder öffentlich aufgewendete Euro habe ungefähr 8 Euro private Investitionen ausgelöst. &bdquo;Das ist auch wirtschaftlich relevant für Bielefeld." Die Stadt zähle damit in Nordrhein-Westfalen zu den aktivsten Städten auf diesem Feld. Der Leiter der Abteilung Gesamtstädtische Planung und Stadtentwicklung im Bauamt nutzt gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Björn Wehmeier und Sandra Marin den Tag der Städtebauförderung, um einen Überblick über die Stadterneuerung in Bielefeld zu geben, an der in der Verwaltung viele Akteure beteiligt sind. &bdquo;Normalerweise hätten wir gerne größer gefeiert, so wie vor zwei Jahren, als wir den Neumarkt eingeweiht haben", sagt Dodenhoff. Aber weil Corona das nun mal nicht zulässt, &bdquo;haben wir gedacht, berichten wir über unsere Arbeit". 55 Seiten stark ist der Überblick über fünf Jahrzehnte Städtebauförderung in Bielefeld. Er zeigt die Vielfalt der Projekte. &bdquo;Nicht alle werden so wahrgenommen wie beispielsweise der Kesselbrink", sagt Dodenhoff. Doch Maßnahmen wie die in Planung befindliche Umgestaltung des Martin-Luther-Platzes in Sieker zum Quartiers- und Kinderspielplatz seien seien ebenso wichtig für die Lebensqualität in den Stadtteilen. Und die Bürgerbeteiligung bei den Planungsprozessen sei mittlerweile ein zentraler Baustein bei den Planungsprozessen. Verschiedene Erneuerungsphasen In Bielefeld lassen sich verschiedene Phasen der Stadterneuerung beschreiben. Standen in den 1970er Jahren große Flächensanierungen im frischgebackenen Oberzentrum im Vordergrund, die Verlagerung störende Industriebetriebe, ging es in den 80er und 90er Jahren grob gesagt um Wohnumfeldverbesserungen, Aufenthaltsqualität und Verkehrsberuhigung. Die 1990er Jahren waren geprägt von Impulsen durch die Wiedervereinigung, Zuwanderung, Zuwachs. Neue Wohngebiete entstanden, oft am Stadtrand, was wiederum die Stadtteilzentren in den Fokus rückte. &bdquo;Wir werden weniger, älter und bunter" – die demografische Entwicklung und wirtschaftlicher Strukturwandel drückten ab der Jahrtausendwende der Stadtentwicklung ihren Stempel auf. Die Bestandsstrukturen Bielefelds rückten stärker in den Blickpunkt. Für Sven Dodenhoff gehört die Neugestaltung der Innenstadt zu den damaligen Meilensteinen, beim &bdquo;Stadtumbau West" die Neugestaltung von Kesselbrink und Neumarkt. 2008 wurde das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept Stadtumbau (INSEK) Bielefeld vom Rat beschlossen. In fünf Stadterneuerungsgebieten werden seither städtebauliche und soziale Maßnahmen umgesetzt sowie Freiräume umgestaltet: NÖRDLICHER INNENSTADTRAND:Zu diesem Erneuerungsgebiet gehört beispielsweise die Offenlegung der Lutter, die Neugestaltung des gleichnamigen Grünzuges, die Ravensberger Straße wird neu geordnet. Allein für die Revitalisierung des Lutter-Grünzuges stehen Fördermittel in Höhe von 4,7 Millionen Euro zur Verfügung. Insgesamt 45 Maßnahmen listet der Stadterneuerungsbericht auf. Mehrere Grünanlagen und Plätze sind weiterentwickelt worden. Mit dem Wettbewerb zur Erneuerung der Hellingskampschule und weiteren Projekten werden Bildungsstandorte im Quartier ausgebaut. Zudem wird die bewährte Quartiersbetreuung im Ostmannturm-Viertel fortgesetzt. ERNEUERUNGSPROZESS SENNESTADT: Im Süden der Stadt ist bereits die 2. INSEK-Phase eingeläutet. Darin werden aktuell einige stadtweite Vorreiter-Projekte angestoßen. Mit der Umgestaltung des Ost-West-Grünzuges in der Sennestädter Nordstadt sollen neue Maßstäbe für zeitgemäße Sport- und Freizeitflächen geschaffen werden. Zudem wird die Hans-Christian-Andersen-Schule zur ersten Bielefelder Quartiersschule mit Bildungszentrum für alle Sennestädter. Auch das erste Bielefelder Citymanagement wurde 2020 in Sennestadt initiiert und soll die zentralen und dezentralen Versorgungsbereiche des Stadtteils stärken. Es gibt insgesamt 22 Handlungsfelder mit einem Gesamtvolumen von 17 Millionen Euro. ERNEUERUNGSGEBIET BAUMHEIDE:Mit der Sanierung des Freizeitzentrums (FZZ) begann 2019 die Umsetzung des Entwicklungskonzeptes der Neuen Mitte Baumheide. Ende des Jahres soll das modernisierte FZZ fertig sein. In mehreren Bauabschnitten wird in der Folge für einen zweistelligen Millionenbetrag das komplette Zentrum aufgewertet. Sven Dodenhoff freut sich besonders darüber, dass sich auch die Wohnungsgesellschaften wie Vonovia, BGW oder Freie Scholle an der Erneuerung des Quartiers beteiligen. Es ist vorgesehen, Spielplätze in Baumheide aufzuwerten sowie besseren Zugänge zur Kammerratsheide bis hin zur Radrennbahn zu schaffen. Dazu soll noch in diesem Jahr ein Wettbewerb starten. Verschiedene soziale Projekte zur Gesundheits- und Bildungsförderung sowie zum Quartiersmanagement haben bereits begonnen. ERNEUERUNGSGEBIET SIEKER-MITTE:Die Sanierung der stadtbildprägenden Wohnhochhäuser von Vonovia ist nahezu abgeschlossen, weitere Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung, wie der Umbau des Martin-Luther-Platzes und eine attraktivere Gestaltung des &bdquo;grünen Bandes" sollen folgen. Außerdem wird eine Stadtteilküche an der Greifswalder Straße nahe der Sieker Gärten entstehen, die mit verschiedenen Angeboten zur sozialen und kulturellen Integration im Stadtteil beitragen soll. Insgesamt gibt es 31 INSEK-Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 12 Millionen Euro. Der Bereich Oberlohmannshof gilt als Beobachtungsgebiet, das ebenfalls entwickelt werden soll, bald soll mit dem Bau eines Quartierszentrums begonnen werden. KONVERSION BRITISCHER KASERNEN:Eine Meilenstein-Planung der Gegenwart und Zukunft ist nach Björn Wehmeiers Worten die Nachnutzung der Rochdale Barracks (und später hoffentlich auch der Catterick Barracks), die nach dem Abzug der britischen Armee freigeworden sind. Im zweiten Halbjahr soll der städtebauliche Realisierungswettbewerb für die 9 Hektar Rochdale-Kaserne beginnen, an dem sich 15 Planungsteam beteiligen werden. Eine Jury soll Ende des Jahres die besten Entwürfe auszeichnen. Ziel ist es ein attraktives, urbanes Quartier zu entwickeln. Auch dabei gebe es einen umfangreichen Beteiligungsprozess, so Wehmeier. DIE ZUKUNFT DER BIELEFELDER CITY:Ein Sofortprogramm gilt der Entwicklung der Innenstadt. Die City soll ein Raum sein, in dem man zu allen Zeiten gerne aufhält. Doch prosperierender Einzelhandel und einladende Gastronomie können gerade nicht den Besuch zum Erlebnis machen. Die Ansprüche an den öffentlichen Raum, oft einzig möglicher Treffpunkt, haben sich verändert. Die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie werden also genauso Thema sein wie die soziale Infrastruktur, erklärt Dodenhoff. Und eines räumt der Städteplaner zum Schluss auch noch mit einem Grinsen ein: Stadt- und Bestandserneuerung ist ein sehr komplexes Feld. Mit vielen Befindlichkeiten, Eigentumsrechten, Paragrafen und Antragsformularen. Die Erneuerung der Stadt ist eine permanente Aufgabe, die bleibt. Der Bericht zur Stadterneuerung ist im Rathaus und im Technischen Rathaus erhältlich. Im Internet ist er unter www.perspektiven-bielefeld.de zu finden; das Portal auf dem auch die jeweiligen digitalen Beteiligungsprozesse laufen. Autofreie Altstadt: Diese Straßen werden ab Juni gesperrt

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