Psycho-Pillen machen im Bielefelder Knast die Runde

Bielefeld-Ummeln . Psychopharmaka spielen im Gefängnis Bielefeld-Brackwede eine immer größere Rolle – und zwar als Alternative zu klassischen Drogen. Das sagte Uwe Nelle-Cornelsen, Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Brackwede, anlässlich der Jahresbilanz der geschlossenen Anstalt. Drogen hinter Gittern Die bei Häftlingen sichergestellten Drogen zeigen ein verändertes Suchtverhalten hinter Gittern. Das heißt, es gibt eine Verschiebung hin zu Medikamentenmissbrauch, weg von Heroin, Kokain, Cannabis und Amphetamin. So seien bei Kontrollen 2020 keinerlei Heroinfunde gemacht worden. Insgesamt 14 Funde anderer Drogen. Zweimal fanden die Vollzugsbeamten Kokain (insgesamt 1,5 Gramm), fünfmal Cannabis (knapp 6 Gramm) und einmal Amphetamin (0,5 Gramm). Während der Corona-Krise kam der knastinterne Drogenhandel kurz zum Erliegen\. Seit Jahren finden die Bediensteten bei ihren Häftlingen im wesentlichen Kleinstmengen zum unmittelbaren Konsum. Das sind die geheimen Tricks der Drogenhändler im Knast Im Kommen sind beim illegalen Handel unter den Häftlingen die Substitutionsmedikamente Methadon (gefunden wurden 3,75 Milliliter) und Subutex (10 Tabletten und 2,6 Gramm Pulver). Aber eben auch Medikamente, die zur Behandlung psychischer Krankheiten die neuronalen Abläufe im Gehirn verändern. 274 verschreibungspflichtige Psychopharmaka weist die Statistik auf. 2019 waren es nur 76. Suchthilfe hinter Gittern Drogenabhängige Insassen sind keine Seltenheit. An der Umlostraße wurden 401 Inhaftierte von der Suchtberatung beraten und betreut – 37 von ihnen sind weibliche Gefangene. Darüber hinaus wurden vom medizinischen Dienst 163 Entgiftungen und 358 Substitutionsbehandlungen durchgeführt. Waffen hinter Gittern Bei den Durchsuchungen der Zellen haben die Beamten nicht nur Drogen gefunden. Laut Nelle-Cornelsen wurden 2020 acht Stichwaffen (teilweise selbstgebaute) und acht weitere gefährliche Gegenstände gefunden – darunter Cutterklingen, Sägen, Nadeln und Kabelbinder. Auch Handys sind ein begehrtes illegales Gut. Sechs Handys und sechs SIM-Karten konnten die Justizbeamten den Insassen abnehmen. Alle Hafträume inklusive der Nebenräume werden in der JVA einmal in der Woche durchsucht. 52-mal kamen zusätzlich Drogenspürhunde zum Einsatz. Diese verbotenen Gegenstände wurden bereits im Bielefelder Knast gefunden. Menschen hinter Gittern Erstmals seit vielen Jahren war die JVA Brackwede nicht überbelegt. Die 7 Hafthäuser des Gefängnisses bieten Platz für 542 Häftlinge – für 68 Frauen und 474 Männer. Doch wegen der Corona-Pandemie musste Platz für eine Isolationsabteilung geschaffen werden. Deshalb lag die Durchschnittsbelegung 2020 bei 503 Gefangenen oder knapp 93 Prozent. In den Vorjahren lag die Quote stets über 100 Prozent. Insgesamt wurden 1.911 Gefangene neu aufgenommen – 154 waren davon Frauen. Nationalitäten hinter Gittern Am 2. Februar 2021 saßen Menschen aus 51 Nationen in Brackwede ein. Den Großteil (62 Prozent) machen deutsche Staatsbürger aus: Von den 313 Deutschen sind 84 im Ausland geboren. Unter den 174 Ausländern stellen die Türken (25) die größte Gruppe, gefolgt von Polen (21), Syrern (12) und Rumänen (11). Der Anteil der deutschen Staatsbürger in Brackwede steigt seit drei Jahren an. Der Anteil der Ausländer sank erneut. 2017/18 hatten sie noch die Mehrheit hinter den Gefängnismauern. Vermutlich durch die geschlossenen Grenzen sank der ausländische nateil der Insassen nochmals deutlich von 40 auf knapp 35 Prozent. Corona hinter Gittern Die Zahl der infizierten Häftlinge blieb nahezu bei Null. Durch die Isolierung bei der Aufnahme, ein mehrstufiges Quarantäne-System und umfangreiche Tests bei Verdachtsfällen konnte laut Nelle-Cornelsen eine Verbreitung des Corona-Virus verhindert werden. &bdquo;Lediglich im November wurden mehrere Ansteckungen unter den JVA-Bediensteten festgestellt, die aber keinen unmittelbaren Kontakt zu den Gefangenen hatte“, erklärt der Gefängnisleiter. Kaum Kontakte hinter Gittern Das anfängliche Besuchsverbot während der ersten Corona-Welle wurde nicht wiederholt. Darunter hatten die Insassen zu stark gelitten. &bdquo;Aktuell sind wieder zwei Besucher pro Monat erlaubt plus Kinder jeden Alters.“ Allerdings dürfe es dabei keinerlei Körperkontakt geben. Ausgang im Freien 2020 ist keinem der Häftlinge ein Langzeitausgang erlaubt worden. Viermal wurde ein begleiteter Ausgang genehmigt. 83-mal durften Gefangene unter Aufsicht eines Justizbeamten tagsüber die Gefängnismauern verlassen. Alle kamen wieder. 39 Häftlinge durften in den offenen Vollzug wechseln. Lebenslang hinter Gittern Aktuell verbüßen 18 Häftlinge in der JVA Brackwede eine lebenslange Haftstrafe. Einer von ihnen sitzt bereits seit mehr als 40 Jahren in Haft. Der älteste Gefangene ist 74 Jahre alt. Suizid hinter Gittern Im September 2020 mussten die Verantwortlichen zwei Suizide melden. Bei einem der Toten handelte es sich um den gerade erst inhaftierten Assistenzarzt, der in seiner Klinik eigens betäubte Patientinnen vergewaltigt hatte. Am 14. Dezember musste die Feuerwehr in das Gefängnis eilen. Einer der U-Häftlinge hatte seine Zelle in Brand gesteckt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Brandstiftung.

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