Ingo Nürnberger muss Krisenstab-Chef in Bielefeld bleiben!

Bielefeld. Der Verdruss vieler Bielefelder über das Corona-Zahlenchaos ist groß. Leser äußern sich enttäuscht bis wütend. Die Konfusion um die Fallzahlen, ausgelöst durch einen Meldeverzug des Bielefelder Gesundheitsamtes an das Robert-Koch-Institut, hat Spuren hinterlassen. Das Krisenmanagement der Verwaltung um Oberbürgermeister Pit Clausen und Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger war in den vergangenen Tagen und Wochen kein Ruhmesblatt. Diese Tatsache ist nicht wegzudiskutieren. Das Vertrauen in die Datenbasis der Pandemiebekämpfung hat Risse bekommen. Und damit vielleicht auch die Einsicht in die Maßnahmen. Das lassen Äußerungen von Bielefeldern in E-Mails an die Redaktion und in Leserbriefen vermuten. In den sozialen Netzwerken wütet ein Shitstorm. Falsche Entscheidungen Vieles ist in den vergangenen Wochen nicht gut gelaufen. Verantwortliche Personen haben falsche Entscheidungen getroffen, zum Beispiel die Genehmigung von zu vielen Urlauben. Zu wenig Mitarbeiter standen zwischen den Feiertagen zur Verfügung. So konnte das Gesundheitsamt die anfallende Arbeit inklusive der Pflicht, dem RKI täglich vollständige Zahlen zu schicken, nicht bewältigen. Hinzu kamen krankheitsbedingte Ausfälle und Quarantäneanordnungen auch für IT-Mitarbeiter. So sei keine schnelle Organisation von Homeoffice möglich gewesen. Ebenso fragwürdig ist das Stellvertreterkonzept für Ingo Nürnberger. Nürnberger befand sich im längst überfälligen (verdienten) Urlaub und sollte nur im Ernstfall benachrichtigt werden. Das ist versäumt worden. Zuständig gewesen wären die Dezernenten Gregor Moss und Udo Witthaus. Nürnberger ist bisher der einzige, der sich entschuldigt Bisher ist Nürnberger der einzige, der sich seiner Verantwortung stellt. Der Krisenstabsleiter und stellvertretende Oberbürgermeister hat sich öffentlich entschuldigt und versprach Besserung.Nürnbergers Zerknirschtheit ist authentisch. Jeder, der ihn kennt, weiß, dass er sich selbst am meisten über die Ereignisse geärgert haben wird. Dass die FDP jetzt Akteneinsicht fordert, muss sich die Verwaltungsspitze gefallen lassen. Dass die Junge Union den Rücktritt Nürnbergers fordert und die Wirtschaftsunion darauf drängt, dass Oberbürgermeister Pit Clausen Nürnberger die Leitung des Krisenstabs entzieht, ist überzogen und spiegelt einen undifferenzierten Blick auf die Ereignisse wider. Dass sich die CDU nicht öffentlich zu den Forderungen verhält, zeigt, dass sie den Vorstoß ihrer Parteijugend und ihres Wirtschaftsflügels wohl selbst nicht für angemessen hält. Rücktritt wäre für Bielefeld herber Verlust Es ist ein Automatismus der Politik, dass Oppositionen eilig Kapital aus den Fehlern ihrer politischen Gegner schlagen wollen und Rücktritte fordern. In diesem Fall wäre es für Bielefeld ein herber Verlust. Die Stadt müsste auf Nürnberger als erfahrenen Krisenmanager verzichten und damit auf den Mann, der bisher eine solide Arbeit geleistet und Bielefeld gut durch die Pandemie gesteuert hat. Nürnberger ist einer, der sich für sein Amt und die dahinterliegende Verantwortung aufreibt. Davon gibt es nicht viele. Unverständlich ist, dass sich viele andere um ihn herum wegducken. Oberbürgermeister Pit Clausen hätte sich längst offiziell äußern und ihm öffentlich den Rücken stärken müssen. Spätestens nach der Rüge des Landesgesundheitsministers Karl-Josef Laumann. Dieser hatte sich in den Medien negativ über die Arbeit des Bielefelder Gesundheitsamtes geäußert und dessen Meldepraxis über die Feiertage kritisiert. So etwas ist Chefsache. Zumal die Rüge als Retourkutsche verstanden werden könnte. Clausen hatte sich richtigerweise zuvor wegen der 15-Kilometer-Regel mit dem Landesministerium angelegt. Situation war immer unter Kontrolle Die Konsequenzen aus dem Melde-Chaos sind für die Stadt unmissverständlich: Das Ministerium überwacht seit Montag die Arbeit des Gesundheitsamtes. Ein Auslöser war, dass der Meldestau dafür gesorgt hatte, dass während der Sieben-Tage-Wert in anderen Städten NRWs gesunken war, nur Bielefeld in der vergangenen Woche einen Grenzwert von über 200 hatte. Mit der Realität hatte der nichts zu tun. Nun muss man aber auch klar sagen: Ernsthaft passiert ist dadurch nichts. Nürnberger betont, dass die Meldepraxis an das RKI zwar nachrangig behandelt wurde, das Gesundheitsamt in der Sache der Pandemiebekämpfung aber alles im Griff gehabt hätte. Sprich, die Kontaktverfolgung sei auch über die Feiertage erfolgt und die Situation in den Seniorenheimen und Kliniken sei stets unter Beobachtung gewesen. Unterschätzt haben die Verantwortlichen die Auswirkungen nach außen. Für die Öffentlichkeit spielt der tägliche Inzidenzwert eine relevante Rolle. Zumal die Zahl der Politik als wichtiger Indikator für Entscheidungen über schärfere Regeln dienen. Jetzt brauchen wir dringend Lösungen Geklärt ist noch nicht, warum im Sommer nicht die Zeit genutzt wurde, die Homeoffice-Strukturen des Gesundheitsamtes optimal aufzustellen. Warum eine veraltete Technik immer noch die Arbeit blockiert und warum nur wenige Mitarbeiter die Eingabe an das RKI beherrschen. Das muss jetzt schnell geändert werden. Daran muss sich der Krisenstab messen lassen. Noch eine Panne darf nicht passieren.

Meistgelesen