Paderborner Kliniken lehnen Bielefelder Corona-Patienten ab - obwohl sie Platz haben

Bielefeld. Stand Dienstag wurden in Bielefeld 124 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern behandelt, 40 davon intensivmedizinisch betreut, 28 müssen beatmet werden. In Bielefeld sind die Kliniken Mitte, Gilead und Franziskus auf die Behandlung spezialisiert und besonders belastet. Deshalb hatte Ingo Nürnberger vor eineinhalb Wochen Regierungspräsidentin Judith Pirscher gebeten, die Belegung OWL-weit zu regulieren. Erst gab es einen Appell, danach eine neue Funktionsstelle in Detmold. Detmold habe schnell reagiert, so Ingo Nürnberger gegenüber nw.de, und Anfang vergangener Woche einen &bdquo;dringenden Appell" an alle Kliniken gerichtet, sich gegenseitig zu helfen. &bdquo;Rechtlich hat die Bezirksregierung keine weiteren Eingriffsmöglichkeiten." Bislang. Bielefelds Krisenstabsleiter ist der Auffassung, dass auf Dauer Appelle allein nicht reichen. Laut Divi-Intensivregister liegen aktuell bereits 117 Covid-Patienten auf den Intensivstationen der Krankenhäuser in Ostwestfalen-Lippe, 40 davon allein in Bielefeld. Die Stadt hat gemeldet, nur noch 11 Prozent der städtischen Intensivbetten frei zu haben, die nicht nur mit Covid-Patienten belegt sind. &bdquo;Das Land muss der Bezirksregierung mehr Steuerungsmöglichkeiten geben. Wir brauchen eine Koordination, verbindliche Vorgaben für Klinikbetreiber." Dies dürfte wohl auch in den Bielefelder Krankenhäusern, die eine sehr hohe Arbeitsbelastung haben, gut ankommen. Wie nw.de erfahren hat, gibt es offenbar in Bielefelder Klinik-Kreisen Irritationen darüber, dass beispielsweise Krankenhäuser im Kreis Paderborn, die vergleichsweise eine geringe Intensivbetten-Auslastung haben, die Aufnahme von Covid-Patienten aus Nachbarkreisen abgelehnt hätten. Dort würden aus wirtschaftlichen Gründen lieber weiter elektive, also zeitlich variable Operationen durchgeführt, so die Kritik. "Falsche Behauptungen" Die wurde in der Zwischenzeit von den Klinikleitungen der Paderborner Krankenhäuser − die St. Vincenz-Krankenhaus GmbH, das Brüderkrankenhaus St. Josef und das St. Johannisstift – in einer Stellungnahme zurückgewiesen. Die Behauptung, dass die Paderborner Krankenhäuser ihre Unterstützung verweigert hätten, sei falsch. &bdquo;Eine Anfrage, Bielefelder Corona-Patienten aufzunehmen, hat es in keiner der Kliniken gegeben", schreibt Charlotte Hoppe im Namen aller Kliniken. Dies habe eine Umfrage unter sämtlichen Oberärzten und Assistenzärzten bestätigt: &bdquo;Nirgendwo ist eine Anfrage in Bezug auf die Versorgung von Covid-19-Patienten aus Bielefeld oder anderen Regionen eingegangen. "Proaktiv angeboten, Patienten aufzunehmen" Die Behauptung, die Paderborner Krankenhäuser hätten ihre Unterstützung verweigert, sei daher falsch. &bdquo;Im Gegenteil: So haben sich beispielsweise das St. Vincenz-Krankenhaus und das Brüderkrankenhaus vor kurzem an ein Krankenhaus in einem Nachbarkreis gewandt und proaktiv angeboten, Covid-Patienten aufzunehmen, um einer Überlastung der Klinik entgegenzuwirken", heißt es in der Stellungnahme. Auch die Kritik, elektive Operationen der Versorgung von Covid-Patienten aus wirtschaftlichen Gründen vorzuziehen, schreibt Hoppe, verwundere die Verantwortlichen in Paderborn. Sie entbehre jeder Grundlage. Auch die Kapazitäten der Paderborner Krankenhäuser seien zunehmend ausgereizt – die Arbeitsbelastung sei auch in Paderborn bereits sehr hoch. &bdquo;In Corona-Zeiten stehen die Kliniken zusammen – dies gilt auch für die Kliniken in Paderborn, Bielefeld und überregional", so die einhellige Auffassung der Krankenhausleitungen in Paderborn. "SPOC" in Detmold installiert Das Gesundheitsministerium NRW hat derweil reagiert und die Bezirksregierungen im Land aufgefordert, eine neue Funktionseinheit zu schaffen – den &bdquo;Single Point of Contact" – kurz SPOC. Detmold hat bereits reagiert und diese Stelle seinem Krisenstab zugeordnet. &bdquo;Sie beobachtet die Auslastung der Intensivkapazitäten, unterstützt bei der Vermittlung von Intensivpatienten an Krankenhäuser mit freien Kapazitäten und sichert den Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Stellen", erklärte Andreas Moseke, Sprecher der Bezirksregierung, auf Anfrage der von nw.de. Ingo Nürnberger bleibt dennoch skeptisch: Der SPOC sei &bdquo;wieder ohne Weisungsbefugnis".

Meistgelesen