Novum-Chef erzählt, warum die Bielefelder Sexspielzeug kaufen

Herr Schwier, auch Ihre Märkte mussten im Frühjahr während des Lockdowns dicht machen. Jetzt ist unter Einschränkungen wieder geöffnet Wie wirkt sich das Corona-Jahr auf Ihren Umsatz aus? Lothar Schwier:Als wir den ersten Lockdown hatten, sind wir gut durchgekommen. Wir hatten danach besseren Umsatz als vor der Krise. Das liegt daran, dass die Leute zuhause Langeweile haben. Dann kommen sie zu uns und kaufen Sexspielzeug. Wir bedienen den Freizeitbereich – und der Freizeitbedarf ist eben größer geworden. Sie haben expandiert und drei Märkte von der EGO-Ladenkette in Schwarmstedt, Bockel und Oberhonnefeld gekauft. Mutig, mitten in der Corona-Zeit... Ich habe auch überlegt, aber die Chance hätte ich so schnell nicht wieder bekommen. Das sind gute Standorte, wir bauen sie gerade um. Wie geht’s weiter? Wir haben ganz viele Bauanträge gestellt, deutschlandweit. Wir haben aber auch hier und da die ein oder andere Ablehnung bekommen. Viele Städte haben Vorurteile, meinen, wir machen was im Rotlichtmilieu. Dabei haben wir damit gar nichts zu tun. Ist Corona ein Umsatz-Beschleuniger für Sie? Wenn was zu ist, ist was zu, dann bedeutet das auch weniger Umsatz. Wir hatten sechs Wochen zu, das macht sich bemerkbar. Auch jetzt sind die Kinos dicht. Aber die Leute kommen und kaufen. Den Vorteil, den wir bei uns haben, sind die großen Flächen. Die Kunden können sich hier gut aus dem Wege gehen. Die Angst, sich hier mit Corona zu infizieren, ist bei uns nicht da. Allein an der Eckendorfer Straße haben wir 2.500 Quadratmeter. Die großen Flächen kommen uns jetzt zugute. Sie sind gut in Bielefeld vernetzt. Fühlen Sie sich trotzdem in Unternehmerkreisen andersartig? Nein, ich sehe mich da auf einer Ebene mit anderen Unternehmern. Die Anerkennung von den anderen Unternehmern ist auch da. Wir sind ein ganz normales, mittelständiges Unternehmen, auch wir sind hier und da guter Kunde von hiesigen Firmen. Wie viele Millionen werden Sie in diesem Jahr umsetzen? Mehrere... Sind die Kunden während des Lockdowns ins Internet abgewandert? Nur wenige. Und die sind wieder zurückgekommen, wahrscheinlich, weil sie enttäuscht waren von dem Angebot oder den Versprechungen, die nicht eingehalten wurden. Im Internet fehlt das Beratungsgespräch. Wir haben so viele Artikel, die auch beratungsintensiv sind, Artikel zur Unterdruckmethode. Da haben wir sogar Kunden, die von ihren Ärzten zu uns geschickt werden. Gibt es denn immer noch Kunden, die eine Scheu haben, in den Laden zu kommen? Beim ersten oder zweiten Besuch schon, aber dann nicht mehr. Der ein oder andere läuft dann schon zwei oder drei Mal vorm Laden her und überlegt, ob er reingeht. Wenn sie gesehen haben, dass hier alles ganz normal ist, dann ist auch keine Scheu mehr da. Wer kommt zu Ihnen? Menschen aus allen Gesellschaftsschichten. Auch ältere Paare, die eine bestimmte Idee im Kopf haben. Wir sehen uns als moderner Aufklärer für Erwachsene. Viele wissen gar nicht, was alles so möglich ist. Da ist dann das Personal gefragt, das auch antwortet. Welcher ist gerade Ihr Bestseller? Verkaufsschlager ist der Womanizer, ein Vibrator für die Frau. Wir haben ohnehin viel mehr Artikel für Frauen als für Männer – weil Pornografie bei uns in den Hintergrund gerückt ist durch das Internet. Wie viele Artikel haben Sie im Sortiment? Viele zehntausend Artikel. Was ist der teuerste? Puppen, die lebensecht sind, kosten. Das geht bis zu 8.000 Euro. Die haben wir schon öfter verkauft. Aber tatsächlich hat mich mal jemand gefragt, ob das der falsche Preis sei. Für 8.000 Euro könne man ja ein Auto kaufen, meinte er. Die werden auch in Bielefeld verkauft, teure Puppen gehen aber mehr auf den Dörfern. Die letzte ist in unserem Laden in Delmenhorst verkauft worden. Sehen Sie sich auch als Beziehungsberater? Ja. Wenn es in der Beziehung nicht mehr läuft, kommen viele zu uns. Kommen mehr Männer oder Frauen zu Ihnen? Es sind mehr Frauen, etwa 60 Prozent. Die Frauen sind offener geworden. Wenn ein Pärchen reinkommt, zieht meistens die Frau den Mann mit in den Laden. Haben Sex-Shops immer noch dieses Schmuddelimage wie in der 1970er-Jahren? Nein, das hat sich geändert. In Bielefeld haben wir all diese Sex-Shops abgelöst. Was läuft bei Ihnen anders? Bei uns steht das Erlebnis im Vordergrund. Die Großflächigkeit der Läden, die Auswahl der Artikel und das freundliche Personal sind ausschlaggebend. Damit kann ich mich von anderen absetzen. Das sind Supermärkte für Erotik-Artikel. Der Trend geht zum bargeldlosen Zahlen. Wie sieht das bei Ihnen aus? Unsere Kunden wollen lieber bar zahlen. Das ist anonymer. Sie sind jetzt 64. Wie lange machen Sie noch? Lust habe ich noch, auch auf neue Standorte. Wir haben aber auch genug Auswahl, was die Nachfolge betrifft. Meine Tochter leitet seit einigen Jahren einen Markt, meine 20-jährige Enkelin ist mit im Geschäft und auch mein Geschäftsführer Michael Schnelle ist fast seit Beginn mit dabei.

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