So beeinflusst die AfD schon jetzt die Bielefelder Demokraten

Bielefeld. Die AfD ist da. Im Rat und in 7 von 10 Bezirksvertretungen. Und keiner will mit ihr zu tun haben. Rechts liegenlassen? Leichter gesagt als getan. Fast überall sind Mehrheiten knapp, fast überall ist es möglich, dass plötzlich eine Stimme der AfD entscheidend ist. Genau darauf, das ahnen alle Demokraten, wird es die AfD anlegen. Denkbar: Schon vor einem Antrag wird abgewogen, ob und wie die AfD in der Abstimmung eine Rolle spielen könnte. Mögliche Folge: Inhalte werden schon vorher abgeschwächt, eine Art AfD-Schere im Kopf verwässert Positionen. Eine andere mögliche Folge: Boshaft könnten Demokraten versuchen, andere Demokraten in die Bredouille zu bringen, weil absehbar die AfD zum (unerwünschten) Partner werden könnte. Und dann laut &bdquo;Skandal“ gebrüllt werden könnte, zum eigenen (Image-)Vorteil. Nebel des Grauens Wie ein Nebel des Grauens wabert die AfD nun mit in den Hinterköpfen der Politiker. Stellschrauben werden gesucht für den Umgang miteinander und mit der AfD. Beispiele: Zum Ältestenrat des Rates sollen nur Fraktionen gehören, die AfD mit zwei Mandaten wäre außen vor. Das könnte auch beim Antragsrecht ein Weg sein. So könnte ein Überschütten politischer Gremien mit AfD-Anträgen verhindert werden. Dafür müsste die Geschäftsordnung des Rates geändert werden. Auch in Bezirksvertretungen wird darüber debattiert. Alles Ideen, die auf Zeit gespielt sind, schon die nächste Wahl könnte die AfD aus diesem Abseits herausholen. Bis dahin, darin besteht Einigkeit, müsse vieles neu eingeübt werden unter den Demokraten. Nur einer antwortet? Eine Idee: Auf AfD-Einlassungen antwortet immer nur ein Demokrat. So, dass die Antwort allen gerecht wird, von CDU bis Linken. Eine schwierige Aufgabe, die viel Disziplin erfordert. Versuchungen muss widerstanden werden, diplomatisches Geschick ist nötig, präzise Absprachen und ein (oft) neues Vertrauen zwischen politischen Kontrahenten wären nötig. Ein Schlaglicht auf die Zukunft hat bereits Heepen geworfen: Weil der Linken-Politiker fehlte, gelang es über eine Liste, der AfD-Stimme die Wucht zu nehmen: 15:1 Stimmen bescherten SPD und CDU die Ämter. 50 + x + AfD Bei Anträgen geht das nicht. Vincenzo Copertino (CDU) zu inhaltlichen Abstimmungen: &bdquo;Nur, weil es eng zugeht, kann doch die Opposition jetzt nicht wegen der AfD zu allem, was die anderen beantragen, Ja sagen.“ Das sieht Christina Osei (Grüne) ähnlich. &bdquo;Wir dürfen jetzt unter den Demokraten nicht nur noch eine Meinung haben, das kann es nicht sein.“ Wobei beide das mit Blick darauf formulieren, dass die AfD die entscheidende Stimme ist. Jan Maik Schlifter (FDP): &bdquo;Tatsache ist, dass man jetzt größere Mehrheiten braucht – es heißt jetzt nicht mehr 50 + x, sondern 50 + x + AfD.“ Nur so könne verhindert werden, &bdquo;dass man sich plötzlich auf der falschen Seite wiederfindet“. "Werden Bombe schmeißen" Für ihn steht fest: &bdquo;Wenn die AfD die Möglichkeit sieht, die entscheidende Stimme zu liefern, dann wird sie die Bombe schmeißen.“ Egal wo, egal gegen wen, egal bei welchem Thema. &bdquo;Eine inhaltliche Messlatte können wir uns abschminken.“ Es stehe eine &bdquo;Reifeprüfung der Demokratie“ an. Eine, bei der nicht klammheimlich geschaut werden dürfe, ob andere durch eine AfD-Stimme in Bedrängnis kommen könnten. "So gehen wir der AfD auf den Leim.“ Es dürfe nicht laufen wie bei James Dean: Man rast auf die Klippe zu und wartet, wer als erstes aus dem Auto springt. Er setzt dabei aber auch auf eine gewisse Gelassenheit: &bdquo;Es wird auch mal schiefgehen, und dann muss jeder der Versuchung widerstehen, die anderen Demokraten zu dämonisieren“. Das sieht auch Osei so, aber: &bdquo;Ich fürchte schon, dass gezielt versucht werden wird, andere in die Ecke zu treiben, weil etwas nur mit der AfD geht, das kann sogar richtig perfide werden.“ "Spielt in Köpfen mit" Wiebke Esdar (SPD) kennt die AfD aus dem Bundestag, sie spricht von einem &bdquo;Balanceakt“. Esdar: &bdquo;Die AfD darf keine Normalität sein als Teil des Parlaments, sie ist rechtsextrem und lebt davon, die Demokratie verächtlich zu machen.“ Sie sieht, dass einerseits Forderungen von Demokraten nicht beeinflusst werden dürfen von Gedankenspielen um die AfD, andererseits aber stehe jeder Demokrat unter großem Abgrenzungsdruck. Fest stehe: Die AfD spiele in den Köpfen mit. &bdquo;Ein Antrag, der nur mit der AfD möglich ist, wird von uns gar nicht erst gestellt“. Ein gemeinsames Ablehnen von Anträgen mit der AfD bewertet sie anders, das sei nicht vergleichbar. Für sie steht fest: &bdquo;Wir müssen vorab bei den Demokraten für eine gemeinsame Linie werben“ – auch wenn diese dann weicher sei als eigentlich gewünscht. Und so verändert die AfD nur durch ihre Existenz politische Prozesse. Copertino: &bdquo;Tatsächlich muss ich im Vorfeld nachdenken, ob ich diesen Antrag jetzt hier so stelle.“ "Auch eine Chance" Das alles müsse aber nicht immer nur negativ sein, sagt die Grüne Osei. &bdquo;Es kann auch zur Schärfung von Inhalten durch bessere Vorab-Gespräche der Demokraten miteinander führen – es ist eine Chance auf mehr Abstimmung und Kooperation.“ Auch Copertino hofft darauf, stellt jedoch klar: &bdquo;Ich kann jetzt aber auch nichts stets nur Anträge zurückziehen, weil es in Brackwede eben eng ist und die AfD das ausnutzen könnte.“ Fakt ist für Osei: &bdquo;Wir alle brauchen künftig viel bessere Kenntnisse der Geschäftsordnung, der Gemeindeordnung, der Gesetze.“ Und viel mehr Disziplin, Hintergrundgespräche und ein Zusammenrücken beim &bdquo;demokratischen Grundverständnis“. Copertino ahnt, &bdquo;dass ein anderer Stil nötig wird“. Die AfD werde auf die Demokraten den Druck aufbauen, &bdquo;eine andere Diskussionslandschaft zu erzeugen“. Und, als Folge: &bdquo;Ja, unter diesem Blickwinkel müssen wir alle auch mal andere Mehrheiten finden.“

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